16.9.2024, 11:06 Uhr

HVO - Treibstoff mit weniger CO2-Ausstoß als Brückentechnologie

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Autofahren bringt Mobilität und ist oft nötig für die Arbeit. Zugleich belastet der CO2-Ausstoß beim Verbrennen von Treibstoff im Motor die Umwelt. Neben dem Umstieg auf Strom läuft die Suche nach alternativen Treibstoffen für Verbrennermotoren mit weniger CO2-Ausstoß auf Hochtouren. Eine Alternative ist der Kraftstoff HVO, der den CO2-Ausstoß m Vergleich zu Diesel um 90 Prozent senkt und ohne Anpassungen verwendbar ist. Eine breite und dauerhafte Lösung ist das aber nicht.

Die Abkürzung HVO steht für "Hydrotreated Vegetable Oils" (mit Wasserstoff behandelte Pflanzenöle), eine irreführende Bezeichnung, wie Michael Stuefer, Geschäftsführer von Biofuel Express, sagt. Denn das Produkt werde inzwischen auch aus tierischen Fetten und verschiedenen Altstoffen gewonnen, nicht nur aus pflanzlichen Ölen.

Haken: Nur sehr beschränkte Mengen stehen zur Verfügung

HVO100, also reines HVO, ist in Österreich bereits an einigen Tankstellen verfügbar und kostet an der Zapfsäule kaum mehr als Diesel. Zugleich spart die Verwendung gegenüber Diesel rund 90 Prozent des CO2 ein - ohne die grundlegende Infrastruktur erneuern oder neue Fahrzeuge kaufen zu müssen. "Das Ist ein Drop-In-Treibstoff. Sie brauchen nichts in die Infrastruktur stecken", sagt Stuefer, dessen Unternehmen neben Shell und Eni eine der drei großen Firmen ist, die den österreichischen Markt bedienen. Das Fahrzeug laufe damit ruhiger und leiser als mit Diesel bei einem praktisch gleichen Verbrauch, es wird weniger Feinstaub und Stickoxid freigesetzt. Was zu gut klingt, um wahr zu sein, hat aber gravierende Haken, die einen generellen Umstieg unrealistisch machen.

Das beginnt damit, dass nur sehr beschränkte Mengen zur Verfügung stehen. In ganz Europa werden derzeit rund 6 Mio. Tonnen HVO produziert - das entspricht Österreichs jährlichen Diesel-Importen und ist weniger als Österreich im Jahr an Diesel braucht. "Die europaweite Produktion von HVO genügt gerade mal eben, um den Import-Anteil von Diesel in Österreich zu decken", so Stuefer.

Er schätzt, dass zuletzt bei rund 7 Mrd. Liter Dieselbedarf in Österreich 150 Mio. Liter, also zwei Prozent der Gesamtmenge, auf HVO entfielen. Offizielle Zahlen für 2024 werden erst Ende 2025 vorliegen, für 2022 weist der Biokraftstoffbericht des Klimaministeriums überhaupt erst rund 9 Mio. Liter (7.000 Tonnen) HVO-Verbrauch aus.

Dramatische Steigerung der HVO-Produktion nicht zu erwarten

Eine dramatische Steigerung der HVO-Produktion ist auch nicht zu erwarten. Realistischerweise könne die europaweite Produktion bis 2030 bestenfalls verdoppelt werden. Das gelte auch für die weltweite Erzeugung von derzeit 22 bis 24 Mio. Tonnen HVO, davon die Hälfte in den USA, der Rest in Südostasien, sagt Stuefer. Von einem großflächigen Umstieg könne also keine Rede sein.

Auch der derzeit scheinbar günstige Preis täuscht. Es fängt damit an, dass das Produkt mit 0 Euro Mineralölsteuer belegt ist. Wäre die Belastung gleich wie bei Diesel, dann würde es pro Liter an der Zapfsäule 2,50 Euro kosten - also fast einen Euro mehr als Diesel. Dass HVO aber derzeit zu konkurrenzfähigen Preisen verkauft werden kann, hat in Österreich einen ganz anderen Grund, erläuterte Stuefer im Gespräch mit der APA.

Denn je Tonne CO2-Ersparnis im Vergleich zu Diesel gibt es ein Zertifikat im Wert von 600 Euro dazu. 1.000 l HVO bedeuten knapp 2,4 Tonnen CO2-Ersparnis und damit Zertifikate im Wert von 1.400 Euro. Daher können die Händler das Produkt unter den Gestehungskosten abgeben - Stuefer spricht von 1,30 Euro netto - und zugleich einen satten Gewinn einstreifen.

Allerdings können Mineralölhändler nur bis zu einer Verringerung ihres CO2-Ausstoßes um 7 Prozent für Zertifikate 600 Euro geltend machen. Sobald die Quote erfüllt ist, lohnt sich der HVO-Verkauf nicht mehr und es habe auch schon Fälle gegeben, wo Firmen die Lieferung eingestellt hätten, so Stuefer.

"Brückenprodukt" für die kommenden 15 - 20 Jahre

Angesichts der Einschränkungen spricht Stuefer von einem "Brückenprodukt" für die kommenden 15 - 20 Jahre. "Bis wir in Wien nur mehr Elektro- und Wasserstoffbusse sehen, können wir die Zeit nutzen", sagt er. Denn die 90-prozentige CO2-Einsparung im Vergleich zu Diesel könne unmittelbar und sofort realisiert werden, ohne dass die Nutzer groß investieren müssen. Derzeit werde in Österreich an 46 der 3.500 Tankstellen reines HVO angeboten, teils vor allem für Lkw. Teilweise wird HVO auch statt Biodiesel dem Diesel beigemischt. Die OMV nimmt demnächst eine Anlage in Betrieb, in der bei der Dieselproduktion zugleich auch HVO beigemischt wird.

Umweltverbände stellen allerdings auch die Umweltfreundlichkeit des HVO in Frage. In einem neunseitigen "Faktencheck" (https://go.apa.at/4QUVqAIv) kritisieren sechs deutsche Umweltverbände, dass HVO oft nicht aus Abfällen sondern doch aus eigens angebauten Pflanzen gewonnen werde und das Betrugsrisiko bei einigen Ausgangsstoffen hoch sei (https://go.apa.at/XOUggCsn). Auch eine Analyse von Stratas Advisors im Auftrag der Umweltorganisation Transport&Environment (https://go.apa.at/5qcqtJE7) wirft Zweifel auf, ob aus Asien importierter Biodiesel richtig zertifiziert ist.

Altstoffe wie Speiseöl gefragte Ausgangsstoffe

Schon jetzt verwendet Europa acht Mal so viel altes Speiseöl wie am Kontinent eingesammelt wird, vermerkt Transport&Environment. Außerdem seien Altstoffe wie Speiseöl ohnehin gefragte Ausgangsstoffe für verschiedene Prozesse und keineswegs Müll - werden sie für HVO verwendet, dann müssen die anderen Industrien auf frisch erzeugte Fette ausweichen, dieser Effekt werde aber nicht dem HVO zugerechnet, heißt es im Bericht der deutschen Umweltorganisationen.

Biofuel Express kauft HVO bei der finnischen Neste ein, mit 1,4 Mio. Tonnen dem weltweit größten Produzenten. Das finnische Unternehmen habe langfristige Verträge für den Ankauf von Altölen und sei bei der Forschung den anderen Unternehmen 20 Jahre voraus, so Stuefer. Damit könne es Versorgungssicherheit für seine Mengen garantieren. Auch die Problematik mit den Zertifikaten stelle sich nicht. Auch bei HVO mit Palmölinhalten gibt Stuefer zu bedenken, dass das Ziel ist, den Rohstoff aus dem Abwässern der Palmölmühlen zu gewinnen - und damit auch unkontrollierte Abfallberge zu vermeiden. Und inzwischen werde HVO aus Plastikabfällen oder Altreifen hergestellt - auch das verringere Müll und spare im Vergleich zu klassischem Diesel 90 Prozent des CO2-Ausstoßes.

APA/red Foto: APA/HANS KLAUS TECHT