Weil Transistoren nicht immer kleiner werden können, wird nach Alternativen gesucht. Große Hoffnungen werden in magnonische Bauelemente gesetzt, die nicht Elektronen, sondern Wellen nutzen, konkret die Quanten von Spinwellen ("Magnonen"). Wiener und Berliner Forscher berichten nun im Fachjournal "Science Advances" über Fortschritte am Weg zu magnonischen Schaltungen. Bei ihrer Methode werden Spinwellen durch Wechselströme angeregt und können bei Bedarf umgelenkt werden.
Für magnonische Bauelemente wird der Eigendrehimpuls von unbeweglichen Elektronen ("Spin") in Kristallen genutzt. In vielen magnetischen Materialien sind die Achsen dieser Spins parallel ausgerichtet. Wird eine dieser Spinachsen verschoben, beeinflusst das die Spins der Nachbarn. Es entsteht eine Spinwelle, die sich durch das Material fortpflanzt - die Elektronen bleiben aber an ihrem Platz.
Sabri Koraltan von der Forschungsplattform Mathematics-Magnetism-Materials der Universität Wien vergleicht dieses Konzept mit den Wasserwellen, die entstehen, wenn man einen Stein in einen ruhigen See fallen lässt: "Ersetzen wir den See durch ein magnetisches Material und den Stein durch eine Antenne. Die sich ausbreitenden Wellen werden Spinwellen genannt und können genutzt werden, um Energie und Informationen mit minimalen Verlusten von einem Punkt zum anderen zu übertragen", so Koraltan, Erstautor der aktuellen Publikation.
Weniger Energie benötigt
Im Vergleich zur herkömmlichen Elektronik liegen Vorteile der Magnonik darin, dass keine Elektronen durch die Leiterbahnen wandern, weniger Energie benötigt wird und keine Wärme entsteht. Zudem werden für Rechenoperationen weniger Schaltelemente benötigt.
Herausfordernd bei der Realisierung von magnonischen Bauelementen ist allerdings die effiziente Anregung von Spinwellen. Denn die für kleine Bauteile erforderlichen Spinwellen mit kurzer Wellenlänge können mit den winzigen Antennen aufgrund ihrer geringen Effizienz nur schwer erzeugt werden.
Dreistapelsystem viel effizienter
Koraltan und seine Kollegen vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie haben nun eine andere Lösung vorgestellt: Sie verwenden dabei "ein ferrimagnetisches Dreistapelsystem, das ist ein spezieller Stapel mit mehreren Schichten verschiedener magnetischer Materialien, die entgegengesetzt orientiert sind", erklärte Koraltan gegenüber der APA. Antennen sind nicht mehr notwendig, die Spinwellen werden vielmehr durch Wechselströme angeregt - und zwar mit einer "um Größenordnungen höheren Effizienz als die üblicherweise verwendeten Streifenantennen", schreiben die Forscher in der Arbeit.
Zudem konnte das Forscherteam zeigen, dass sich durch den Einsatz spezieller Materialien, die ihre Magnetisierung bei mechanischer Spannung ändern können, die Richtung der Spinwellen verändern lässt, indem man einfach die Stärke des angelegten Stroms anpasst. Diese Fähigkeit, Spinwellen nach Bedarf umzulenken, eröffnet den Wissenschaftern zufolge neue Möglichkeiten für die Schaffung umprogrammierbarer Magnonenschaltungen, die zu anpassungsfähigeren und energieeffizienteren Computersystemen führen könnten.
Service: http://dx.doi.org/10.1126/sciadv.ado8635
(APA/red, Foto: APA/Sabri Koraltan)