Forschung beim Prostatakarzinom im Aufholprozess

21. Juni 2018 - 11:59

Vor 20 Jahren starteten die Onkologen beim Mammakarzinom eine Revolution, indem sie die Erkrankung erstmals in einzelne Typen zu unterteilen begannen. "Beim Prostatakarzinom sind wir da deutlich später dran. Aber es gibt heiße Themen", sagte jetzt Michael Krainer, Onkologe an der Universitätsklinik für Innere Medizin I (MedUni Wien).

Differenzierung der Erkrankung in verschiedene Subtypen
Differenzierung der Erkrankung in verschiedene Subtypen

Krainer hat sich vor einigen Jahren auf Projekte rund um das Prostatakarzinom konzentriert. Gemeinsam mit internationalen Partnern und Kollegen in Linz, Graz und Innsbruck laufen im internationalen Verbund klinische Studien mit neuen Therapieoptionen.

Was die Forschungen bei dieser Krebsart extrem komplex und auch aufwendig macht: "Das Prostatakarzinom zeigte sehr unterschiedliche Verläufe mit manchmal sehr langsamer Progression, manchmal sehr schneller. Das Karzinom selbst besteht aus verschiedensten Zelltypen, die Tumoren sind ausgesprochen heterogen", sagte Krainer.

Prostatakarzinom ist eben nicht Prostatakarzinom. Die Dauer der Erkrankung kann zu notwendigen langen Beobachtungszeiten in Studien an Patienten führen, bis ein möglicher Effekt einer untersuchten neuen Therapie erkennbar und statistisch signifikant belegbar ist.

Völlig neue Einblicke

Doch die Entwicklung neuer molekularbiologischer Verfahren mit dem ultraschnellen Sequenzieren der Erbsubstanz von Zellen erlaubt völlig neue Einblicke. Der Onkologe: "Vor 20 Jahren ist man beim Mammakarzinom draufgekommen, dass vererbliche Mutationen im BRCA1- oder BRCA2-Gen eine der Ursachen sein können. Vor drei Jahren hat man im Rahmen des Cancer Genome Atlas Projekts des amerikanischen National Institute of Health die Zellen von 333 Prostatakarzinomen molekulargenetisch aufgearbeitet. Erst da hat man erkannt, dass zehn bis 20 Prozent Störungen im BRCA-Signalweg aufweisen. Diese sogenannte BRCAness beim Prostatakarzinom war vor wenigen Tagen eines der spannendsten Themen beim ASCO-Kongress in Chicago."

An sich gibt es in der Onkologie bereits solche Beispiele: Die Überproduktion von HER2-Rezeptoren an der Tumorzelloberfläche kann beispielsweise beim Mammakarzinom vorkommen, aber auch bei einem Teil der Magenkarzinome. Das lässt aber die Therapien zusammenrücken. Die entsprechenden Magenkarzinome können mit dem HER2-Rezeptor-blockierenden monoklonalen Antikörper Trastuzumab behandelt werden, ebenso wie die HER2-positiven Mammakarzinome.

Ähnliches soll jetzt beim Prostatakarzinom in die Wege geleitet werden. Krainer sagte: "Wir beginnen derzeit eine klinische Studie der Phase II, in der wir einen sogenannten PARP-Inhibitor bei jenen zehn bis 25 Prozent der Prostatakarzinompatienten einsetzen, die eine Mutation in BRCA-Genen aufweisen. Diese Arzneimittel, welche den Reparaturmechanismus von Krebszellen behindern, werden bereits bei fortgeschrittenem Mamma- und Ovarialkarzinom eingesetzt." Eierstockkrebs ist zu einem großen Teil durch solche Mutationen bedingt. In die Studie sollen international rund hundert Patienten aufgenommen werden. "Der Vorteil, den wir dabei haben, ist, dass alle Karzinome sequenziert werden. Damit bekommen wir auch für weitere Forschungen Material."

Ansprechen auf Chemotherapie

Eine andere völlig neue Erkenntnis zum Prostatakarzinom, die Krainer erklärte: "20 bis 30 Prozent der fortgeschrittenen kastrationsrefraktären Prostatakarzinome entwickeln einen sogenannten neuroendokrinen Phänotyp. Und diese Karzinome sind offenbar sensitiv für eine Behandlung mit Platin-Verbindungen (Cisplatin etc.)."

Lange galt das Prostatakarzinom durch Chemotherapie kaum angreifbar. Einen Umschwung gab es erst, als man versuchte, das Taxan "Docetaxel" bei Patienten anzuwenden, bei denen eine antihormonelle Therapie - das Prostatakarzinom ist überwiegend vom Wachstumsfaktor Testosteron abhängig - nicht mehr griff.

Es liegt nahe, Platin-haltige Arzneimittel-Therapieregime bei Patienten mit solchen Karzinomen auf ihre Wirksamkeit zu testen. Krainer und sein Team aber treiben hier auch die präklinische Forschung an Mausmodellen voran. "Wir haben hier ein gutes Mausmodell und einer unserer Wissenschafter versucht über Arbeiten an Stammzellen herauszufinden, aus welchen Ursprungszellen diese Form des Prostatakarzinoms entsteht", sagte Krainer.

Große Zentren für die Forschungen zum Prostatakarzinom existieren an der US-West- und der US-Ostküste, in Europa in Paris (Gustave Roussy), London (Royal Marsden Hospital), an der Berliner Charite, in Hamburg - und auch in Wien. Das Problem, wie der Onkologe erklärte: "Im Vergleich zu den Frauen beim Mammakarzinom kommen wir bei den Männern mit Prostatakarzinom nur auf Zehntel bei der Beteiligung an klinischen Studien."

In Wien wird derzeit in einer klinischen Studie auch die Verwendung einer Prostatakarzinom-Vakzine aus dendritischen Immunzellen in Kombination mit dem Chemotherapeutikum "Docetaxel" untersucht . Hier läuft aber noch die Beobachtungsphase. "Für klinische Studien muss man immer werben. Sie bringen den Patienten einen Vorteil, für die beteiligte Klinik, für die Qualitätskontrolle - für jeden Beteiligten", sagte Krainer.

(APA/red, Foto: APA/APA (Hochmuth))

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