Forscher arbeiten an anerkannter Liste des Lebens

8. Juli 2020 - 9:23

Eine Inventarliste aller auf der Erde lebender Arten zu erstellen scheint einfach, doch es ist eine komplexe, bisher nicht gelöste Aufgabe. Für einige Gruppen gibt es gleiche mehrere, zum Teil konkurrierende Inventarlisten, von anderen fehlen vollständige Kataloge. Forscher schlagen nun im Fachjournal "PLOS Biology" ein Verfahren vor, wie man zu einer einzigen anerkannten Liste des Lebens kommt.

Arbeit wird voraussichtlich jahrzehntelang dauern
Arbeit wird voraussichtlich jahrzehntelang dauern

Die Taxonomie ist ein Teilgebiet der Biologie, in dem die Lebewesen beschrieben, systematisch erfasst und in ein hierarchisches System nach Art, Gattung, Familie, etc. eingeteilt werden. Diese Arbeit ist nicht nur für die Wissenschaft selbst wichtig. Um den Gefährdungsstatus von Arten und ihren Lebensräume zu erheben bzw. sie zu schützen, muss man sie eindeutig identifizieren können.

Entsprechend gibt es zahlreiche Projekte, die sich um eine vollständige Inventarliste einer Gruppe bemühen. Dazu zählen etwa das "World Register of Marine Species" (WoRMS) oder gleich vier verschiedene Vogellisten. "Das Problem ist, dass es derzeit zu viele Listen gibt", sagte der Kurator der Säugetiersammlung im Naturhistorischen Museum (NHM) Wien, Frank Zachos, im Gespräch mit der APA. Die Anfang der 1990er Jahre gestartete Initiative "Catalogue of Life" (CoL) versammelt mehr als 170 solcher Listen, ohne die Krux konkurrierender Verzeichnisse zu lösen.

Graubereiche bei Taxonomie

Die Schwierigkeit bei all diesen Listen sei, dass es in der Taxonomie immer Graubereiche gebe, wo man unterschiedlicher Meinung sein und die man nicht allein auf Basis wissenschaftlicher Daten lösen kann. Etwa die Frage, ob es sich bei zwei Organismengruppen um zwei unterschiedliche Arten oder "nur" um eine Art mit zwei Unterarten handelt.

Diese Abgrenzung führe zu unterschiedlichen Artenlisten, und verschiedene einflussreiche Institutionen wie das Washingtoner Artenschutzabkommen, die Weltnaturschutzunion IUCN und andere, die die Internationalen Roten Listen herausgibt, würden nicht alle dieselben Listen verwenden. "Das ist nicht günstig, weil das zum Teil erhebliche juristische Konsequenzen hat und auch juristische Schlupflöcher entstehen können", so Zachos.

Als konkretes Beispiel nennt der Zoologe den Streit um den Kalifornischen Mückenfänger. Es gebe einige Taxonomen, die eine an der kalifornischen Küste lebende Population dieses kleinen Vogels als eigene Unterart klassifizieren, und andere, die das nicht für nötig halten. Die Frage ist aber entscheidend, verlangt doch das US-Gesetz zum Schutz gefährdeter Arten bei einer bedrohten Unterart auch den Schutz des Lebensraums. "Der Lebensraum dieser Küstenpopulation des Vogels ist aber ein Multimilliarden-Dollar schweres Grundstücksgebiet. Wenn der Vogel nun eine eigene Unterart und schutzwürdig ist, bekommt man dort nie eine Baugenehmigung", so Zachos.

Qualitätsmanagement

In ihrem Projekt wollen die Forscher keine neue Liste erstellen. "Wir wollen auch nicht aus den vorhandenen Listen eine aussuchen, die dann jeder zu akzeptieren hat. Was wir vorschlagen ist eine Art Qualitätsmanagement, um auf breiter, demokratischer und transparenter Basis zur einer Liste zu kommen, auf die man sich geeinigt hat und mit der man arbeiten kann", so Zachos. Er gehört dem rund 20 Forscher umfassenden Team an, das nun zehn Prinzipien vorgeschlagen hat, um diese anerkannte Liste aller auf der Erde lebenden Arten zu erstellen und zu verwalten.

Eine solche Liste bedeute nicht, dass einzelne Taxonomen nicht anderer Meinung sein können, "Diskussionen sind ein wesentlicher Bestandteil der Wissenschaft". Deshalb beziehen sich gleich zwei der vorgeschlagenen Prinzipien darauf, dass es bei allen Bemühungen um eine einzige Liste "niemals an der Basis der taxonomischen Forschung irgendwelche Einschränkungen geben darf".

Geplant ist, eng mit dem "Catalogue of Life" zusammenarbeiten, der aber modifiziert werden soll. Der CoL werde von Taxonomen gepflegt und begutachtet, aber es gebe kein einheitliches transparentes Verfahren und Prinzip, wo deutlich werde, warum eine Art auf dieser Liste stehe bzw. warum nicht, oder etwa dass Art A in Art B enthalten sei. "Wir wollen, dass man sich in Streitfällen nach bestimmten Kriterien einigt, diesen Prozess transparent macht und das bei einem noch zu gründenden Komitee meldet."

"Wir haben keine Autorität außer der Vernunft. Das ist ein Vorschlag, den die Communities und Institutionen annehmen können oder nicht. Der Erfolg wird davon abhängen, wie überzeugend wir das durchführen", sagte Zachos. Er rechnet damit, dass dies eine Arbeit von Jahrzehnten sein wird, aber das Rahmenprogramm und die ersten Vorgänge, an denen man sich dann orientieren kann, sollten innerhalb der nächsten zehn Jahre sichtbar werden.

Service: https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3000736

(APA/red, Foto: APA/APA (dpa/Pleul))

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