24.2.2025, 21:15 Uhr

Europas Hunnen stammten nur zu kleinem Teil aus mongolischer Steppe

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Um den Einfall der Hunnen in Europa im späten vierten Jahrhundert ranken sich viele Legenden und Spekulationen. Immer wieder wurde darüber spekuliert, dass das militärisch höchst erfolgreiche nomadische Reitervolk ursprünglich aus der mongolischen Steppe kam und auf das dort einst etablierte Xiongnu-Reich zurückging. Laut neuen Analysen im Fachblatt "PNAS" stimmt dies nur zum Teil. Zumindest bei manchen Vertretern der Hunnen lässt sich das genetisch nachvollziehen.

In den 370er-Jahren "platzten" die Hunnen sozusagen in die europäische Geschichte hinein, wie das Team um Walter Pohl, Koordinator des vom Europäischen Forschungsrat (ERC) geförderten Großprojektes "HistoGenes", in seiner Publikation schreibt. Ausgehend von dem Gebiet nördlich des Schwarzen Meeres fielen sie einst in Europa ein, wo sie große Bevölkerungsgruppen wie die Goten und Alanen massiv unter Druck setzten. Diese wichen dann Richtung Weströmisches Reich aus und trugen dort zum Ende des selbigen bei. Die Hunnen wiederum gründeten ein großes Reich in Europa, das um das Jahr 450 unter dem sagenumwobenen König Attila in Osteuropa eine dominierende Stelle einnahm, wenngleich es auch nicht lange währte.

Schon lange Spekulationen über Ursprünge weit im Osten

Ziel des "HistoGenes"-Projektes um den an der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien tätigen Pohl ist es, auf Basis umfassender archäologischer, historischer und Analysen von alter DNA historische Abläufe und die Lebensverhältnisse zwischen 400 und 900 unserer Zeitrechnung in Ostmitteleuropa neu zu bewerten. Das Auftreten der Hunnen wird schon seit dem 18. Jahrhundert von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern mit dem Erbe des Xiongnu-Reiches in Verbindung gebracht.

Dieses staatliche Gebilde existierte in der mongolischen Steppe und weiten Teilen Innerasiens zwischen dem 2. Jahrhundert vor und dem 1. Jahrhundert nach Christus. In den folgenden rund drei Jahrhunderten hätten die Nachfolger der Xiongnu demnach den weiten Weg Richtung Europa angetreten, wo sie dann als "Hunnen" auftraten, so die Theorie. Hinweise auf diese Gruppe, die etwa künstliche Schädeldeformation betrieb, finden sich in diversen Grabanlagen etwa im Karpatenbecken oder im Donauraum.

Großteil der "Hunnen" ohne Vorfahren aus Ost- oder Zentralasien

Das Team um Studien-Erstautor Guido Alberto Gnecchi-Ruscone vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig (Deutschland) analysierte insgesamt 370 Genome von Menschen aus der damaligen Zeit, von der mongolischen Steppe über Zentralasien bis nach Europa. Sie suchten nach Spuren für eine mehr oder weniger direkte Abstammung von Europas Hunnen weit im Osten. Das Erbgut von 35 Menschen, großteils aus dem heutigen Ungarn, wurde im Rahmen der Arbeit zum ersten Mal untersucht.

Dabei zeigte sich, dass die meisten Bewohner im Karpatenbecken im 4. bis 6. Jahrhundert keine genetischen Anteile aufwiesen, die auf Vorfahren aus Ost- oder Zentralasien hinweisen. Insgesamt war diese Region über die Jahrhunderte um den Einfall der Hunnen genetisch sehr divers, mit Einflüssen aus verschiedenen Teilen Europas, aber auch aus dem Kaukasus oder der zentralasiatischen Steppe, berichten die Wissenschafter.

Manche Genome offenbaren Verbindungen zu Xiongnu-Reich

Allerdings fanden sich bei einigen Individuen Erbgut-Spuren, die tatsächlich von Nordost-Asien über Zentralasien bis ins Karpatenbecken reichten. Diese genetischen Linien würden zeigen, dass über die Jahrhunderte hinweg Erbgut von Vertretern der Eliten aus der Hochzeit des Xiongnu-Reiches sich noch in einigen typischen Hunnengräbern im östlichen Karpatenbecken wiederfindet. Manche der europäischen Hunnen stammten also tatsächlich weitläufig von dort. Der nordost- und zentralasiatische Einfluss auf die Gesamtbevölkerung war insgesamt allerdings eher gering. Anders als bei den Awaren, die zwei Jahrhunderte nach den Hunnen in Europa eintrafen, "weist das auf eine gemischte Herkunft der aus der Steppe kommenden Eroberer hin", heißt es in der Publikation.

Die aktuelle Studie zeige, wie die "Zusammenarbeit von Genetik und Geschichte, Archäologie und Anthropologie uns ein neues Bild von der dramatischen Zeit liefern kann, in der das weströmische Reich zerfiel", wird Pohl in einer ÖAW-Aussendung zitiert: "Trotz ihrer militärischen Erfolge haben die asiatischen Hunnen in Mitteleuropa nur wenige genetische und kulturelle Spuren hinterlassen."

Service: https://doi.org/10.1073/pnas.2418485122

APA/red Foto: APA/APA/dpa/Uwe Anspach