Europäisches Datenprojekt Gaia-X nimmt Fahrt auf

9. März 2023 - 10:05

Nach ersten Schritten auf dem Weg zu einer souveränen und vertrauenswürdigen europäischen Dateninfrastruktur soll das Projekt Gaia-X nun Fahrt aufnehmen. Der Startschuss für die breite Umsetzung wird bei der Veranstaltung Market-X Mitte März in Wien gegeben. Als einer der "Leuchttürme" gilt das österreichisch-deutsche Forschungsprojekt "EuProGigant".

Wertschöpfungskette wird digitaler
Wertschöpfungskette wird digitaler

"Ziel von Gaia-X ist es, eine Datenökonomie, der europäische Werte zugrunde liegen, in Europa voranzutreiben und dadurch Vertrauen herzustellen", erklärte Roland Fadrany, Chief Operating Officer der Non-Profit-Organisation Gaia-X European Association for Data and Cloud AISBL (Gaia-X AISBL), im Gespräch mit APA-Science.

Erstmals vorgestellt wurde Gaia-X der Öffentlichkeit im Oktober 2019. Damals war von "nichts Geringerem als einem europäischen Moonshot (Anm. großer Wurf) in der Digitalpolitik" die Rede, um nicht alternativlos auf die großen IT-Konzerne aus den USA und China angewiesen zu sein. Die auf Gaia-X basierenden Anwendungen sollen es erlauben, Daten untereinander branchen- und länderübergreifend sicher auszutauschen – auf Basis des europäischen Rechtsrahmens. Für die Infrastruktur werden bestehende Angebote über Open-Source-Anwendungen und offene Standards miteinander vernetzt.

Branchenriesen müssen sich an Rahmenwerk halten

Der Seitenhieb auf die großen internationalen Player heißt freilich nicht, dass Dienste wie Amazon AWS, Microsoft Azure und Google Cloud davon ausgeschlossen werden, wenn sie die von Gaia-X definierten Spielregeln beim Datenschutz und andere rechtliche Rahmenbedingungen einhalten. "Wir sagen nicht, dass Google das nicht anbieten darf. Sie müssen sich nur an das Rahmenwerk halten, damit Transparenz und Interoperabilität nach unseren Regeln gegeben sind", so Fadrany, der darauf verwies, dass die sogenannten "Hyperscaler" zum Teil selbst Mitglied von Gaia-X AISBL sind.

Auch strebe Gaia-X nicht an, selbst einen europäischen "Hyperscaler" zu schaffen, wie es in der Vergangenheit mit Airbus in der internationalen Luftfahrtindustrie gelungen war. Vielmehr will Gaia-X den Cloud-Riesen mit einer Vernetzung von vielen kleineren Anbietern aus Europa entgegentreten. "Ein wichtiger Effekt dabei ist, dass die Digitalisierung der sehr feingliedrigen Wertschöpfungskette in Europa einen Schub erfährt", unterstrich der Experte.

Während das Jahr 2021 im Zeichen der konzeptionellen Arbeit stand, in der vor allem überlegt wurde, wie ein entsprechender Rahmen aussehen kann, um Datensouveränität zu schaffen, waren 2022 schon detaillierte Spezifikationen und ein Prototyp vorhanden. Im nächsten Schritt sollen im Rahmen der Veranstaltung Market-X Mitte März in Wien die "Gaia-X Digital Clearing Houses" (GXDCH) gestartet werden. Darunter versteht man ein Set an von Service Providern gehosteten Services, durch die Anbieter, die sich an diese Regeln halten, Gaia-X konforme Services anbieten können. So werde aus einer Software eine Dienstleistung. Die Clearing Houses sind ein Netzwerk an Verifizierungsknoten, durch die Regelkonformität ("Compliance") hergestellt wird, um Teil des Gaia-X-Ökosystems zu werden.

Datensouveränität und Vertrauen zu erreichen sei aber kein Schalter, sondern ein langer Schieberegler mit vielen Graustufen. Auf Level 1 bis 3 würden unterschiedliche Kriterien definiert, die erfüllt und nachgewiesen werden müssten. "Bei Level 3, der beispielsweise für öffentliche Institutionen sehr wichtig ist, sehe ich eine riesige Chance für europäische Firmen, die rasch ihre Services in diesen Nischen präsentieren können", so Fadrany. Ab Level 2 müssten die Daten in Europa gespeichert, die Mitarbeiter nach europäischem Recht angestellt und das europäische Recht für diese Services gültig sein. Die Kriterien für Level 3 sind noch "strenger".

"Riesige Chance für europäische Firmen"

Fadrany sieht jedenfalls "eine riesige Chance für europäische Firmen, die in diese Nischen vorstoßen". Natürlich sei es auch für Microsoft und Co. technisch möglich hier mitzumischen, allerdings müssten sie einen Teil ihrer momentanen Autonomie aufgeben und sich "bis zu einem gewissen Grad dem Willen europäischer Werte beugen". Sie seien dann beispielsweise verpflichtet zu beschreiben, wo die Rechenzentren sind, wie diese betrieben werden und welche Mitarbeiter Zugriff auf die Daten haben. Deshalb herrsche hier noch Zurückhaltung in der Umsetzung.

Wie global die Wertschöpfungsketten inzwischen sind, zeige sich eindrucksvoll in der Automobilindustrie. Umso wichtiger sei, dass sich Firmen beim Datenaustausch sicher sein könnten, dass Versprechungen, wo und wie die Daten gespeichert und verarbeitet werden, auch eingehalten werden. Zwar würden Unternehmen in der Autobranche teilweise seit vielen Jahren miteinander arbeiten, bestimmte Schnittstellen nutzen und sich dadurch vertrauen. Durch den Trend zur Elektromobilität gebe es aber mit der Energiewirtschaft plötzlich einen wesentlichen Mitspieler. Was Ladestationen betrifft, sei die Verwaltung ein neuer Partner.

"In dem Fall brauchen Industrie, Energiewirtschaft und Verwaltung eine Austauschmöglichkeit beziehungsweise einen Rahmen. Und hier kommt das Digital Clearing House ins Spiel", erklärte der Manager. Je nach gewähltem Level, könne damit gesteuert werden, wem man welche Daten anvertraue.

Forschungsprojekt "EuProGigant"

Als einer der "Leuchttürme"von Gaia-X gilt das österreichisch-deutsche Forschungsprojekt "EuProGigant". Es widmet sich dem Aufbau eines standortübergreifenden, digital vernetzten Ökosystems und soll zeigen, wie eine vernetzte Produktion mit sich selbst organisierenden und stabilisierenden Eigenschaften ausgestattet werden kann. Ein Anwendungsbeispiel ist die Fertigung von ideal zueinander passenden Bauteilen, die durch die Vorgabe von engen Toleranzen aber oft zu Überproduktionen führe.

Im Rahmen des Projekts misst eine Maschine, die Rohre schneidet, wie groß diese tatsächlich sind. Diese Information wird als QR-Code auf den Rohren vermerkt, wobei die Außenrohre in Deutschland, die Innenrohre aber in Österreich hergestellt werden. "Wenn die Rohre in die Produktion kommen, liest die Maschine die QR-Codes und matcht die Rohre, die die geringste Toleranz haben. Dadurch ist keine Nachbearbeitung mehr notwendig. Das spart richtig Geld und erhöht die Qualität", so Fadrany.

Konsortialführer des den Angaben zufolge ersten geförderten Industrieprojekts mit praktischer Umsetzung der Gaia-X-Prinzipien sind die Pilotfabrik Industrie 4.0 der TU Wien und das Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen der TU Darmstadt.

Service: Gaia-X, Market-X (14. bis 15. März, Wien), Gaia-X Hub Austria, Leitprojekt "EuProGigant"

(APA/red, Foto: APA/APA (dpa)/Peter Steffen)

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