Erneut Extraförderstunden ab Herbst, aber weniger als bisher

29. Juli 2021 - 8:40

Im nächsten Schuljahr wird es erneut Zusatzförderstunden geben, um durch die Coronapandemie entstandene Leistungsdefizite abzufangen - jedoch in abgespeckter Form. Zuletzt gab es im Schnitt zwei Extraförderstunden pro Klasse. Im Schuljahr 2021/22 sind vom Bildungsministerium in 9. Schulstufen und Abschlussklassen 1,5 Wochenstunden pro Klasse vorgesehen. Die geplanten zwei Extrastunden an Volksschulen und 1,5 Stunden in übrigen Klassen sind vorerst im Wintersemester fix.

127,9 Mio. Euro sollen in die zusätzlichen Förderstunden fließen
127,9 Mio. Euro sollen in die zusätzlichen Förderstunden fließen

Diese Meldung wurde aktualisiert - Neu: Stellungnahme SPÖ (achter Abs.) und Bildungspsychologin Christiane Spiel (vorl. und letzter Abs.)

Aufgrund der anhaltenden Ausnahmesituation werde man die Fördermaßnahmen für Schülerinnen und Schüler mit Lernrückständen im kommenden Wintersemester fortführen, so Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) in einer Stellungnahme gegenüber der APA. "Und wir werden auch darauf achten, dass es auch im darauffolgenden Sommersemester entsprechende Förderangebote geben wird", kündigte er Pläne für eine Weiterführung an. "Die Verlängerung ist notwendig, weil gerade in der Primarstufe über Distance-Learning oft nicht der gewünschte Lernerfolg erzielt werden konnte."

Insgesamt sollen nach aktuellem Stand im nächsten Schuljahr 127,9 Millionen in die zusätzlichen Förderstunden fließen. Rund 18,7 Mio. Euro kommen aus dem REACT-Fonds der EU, durch den Benachteiligungen und Bildungsdefizite durch die Coronapandemie verhindert werden sollen. Sie sind für die schon jetzt über das gesamte Schuljahr fixierten Fördermaßnahmen in den 9. Schulstufen und Abschlussklassen reserviert. Die übrigen Mittel - knapp 109,3 Mio. Euro - entfallen auf die Förderungen aller übrigen Klassen während des Wintersemesters 2021, wobei hier der Schwerpunkt wie schon bisher auf Standorten mit besonders vielen Schülern mit Förderbedarf liegen soll.

Herausforderungen durch unterschiedliche Unterrichtsformen

Durch den Wechsel von Präsenzunterricht, Schichtbetrieb und Distance Learning waren Schülerinnen und Schüler - vor allem jene mit geringen Deutschkenntnissen - im vergangenen Schuljahr besonders gefordert. Ab Jänner wurden deshalb zunächst zwei zusätzliche Wochenstunden für Matura- bzw. Abschlussklassen an den AHS und BMHS sowie ein Ergänzungsunterricht in der "unterrichtsfreien Zeit" vor den Abschlussprüfungen angeboten. Ab März gab es dann für alle Schüler durchschnittlich zwei Förderstunden pro Klasse für Förder-oder Kleingruppenunterricht und individuelle Fördermaßnahmen.

Dabei wurden allerdings nicht alle vom Bildungsressort eingeplanten Mittel ausgeschöpft, rund 41 der dafür eingeplanten gut 117 Mio. Euro sind liegengeblieben. Während die Förderstunden für die Abschlussklassen zu nahezu 100 Prozent abgerufen wurden, waren es bei den übrigen Förderstunden im Schnitt nur zwei Drittel. Das lag nach Rückmeldungen der Bildungsdirektionen an das Ministerium vor allem daran, dass das Lehrpersonal aufgrund der Coronasituation bereits aus- bzw. überlastet war, der Schichtbetrieb die Abhaltung der Förderstunden in der Klasse erschwerte bzw. den Schülerinnen und Schülern angesichts der ohnehin hohen Belastung keine zusätzlichen Stunden zumutbar schienen.

Zwischen 0,5 und vier Wochenstunden

In der Praxis wurden nach Angaben des Bildungsministeriums zwischen 0,5 und vier Wochenstunden Förderunterricht je Klasse abgehalten, an einzelnen Schulen aber auch gar keine. Inhaltlicher Schwerpunkt der Fördermaßnahmen war die Unterrichtssprache Deutsch, an Volksschulen sind 50 Prozent und an den Mittelschulen 40 Prozent der Mittel in Deutschförderung geflossen.

Neben den zusätzlichen Förderstunden will das Ministerium noch weitere im vergangenen Schuljahr gestartete Angebote weiterführen: So wird das kostenlose Lernhilfeangebot auf dem Portal weiterlernen.at im Rahmen von REACT ausgebaut und bis Ende 2022 verlängert. Insgesamt sollen über diese Schiene mindestens 19.000 Schülerinnen und Schüler, die Lernrückstände bzw. Probleme beim Lernen haben, betreut werden. Auch das im April gestartete Videodolmetsch-Angebot soll im Rahmen von REACT bis 2022 weiterlaufen. Das Angebot soll verhindern, dass es in Kindergärten, Volks- und Mittelschulen bei heiklen Themen wie Förderung, Entwicklung oder Bildungslaufbahn wegen Sprachbarrieren oder aus kulturellen Gründen zu Missverständnissen kommt.

Opposition wenig zufrieden

Die Opposition zeigt sich mit Faßmanns Plänen wenig zufrieden: "Wir können nicht so tun als hätte es Corona nicht gegeben. Umso absurder ist es, dass der Bundesminister nach eineinhalb Jahren Pandemie und Schule im Ausnahmezustand die Förderstunden kürzen statt ausweiten will", kritisiert SPÖ-Bildungssprecherin Petra Vorderwinkler in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Sie verweist auf ihr schon vor Wochen präsentiertes Paket, in dem als Akutmaßnahme unter anderem ein 1.000-Euro-Bildungsscheck für Gratis-Nachhilfe für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf sowie flächendeckende und ausreichende Förderstunden an den Schulen vorgesehen ist.

Der FPÖ gehen die von Faßmann angekündigten Maßnahmen ebenfalls nicht weit genug und kommen überdies "wieder einmal viel zu spät". "Damit kann man die verloren gegangenen Bildungsfortschritte der Schüler nicht rasch aufholen", so Bildungssprecher Hermann Brückl am Donnerstag in einer Aussendung. Stattdessen plädiert er dafür, zum Aufholen von Lernrückständen Schulklassen in den Kernfächern in den kommenden zwei Jahren zu teilen. Außerdem sollten in den ersten vier Schulwochen an den Nachmittagen auch Blockveranstaltungen abgehalten werden, und zwar unter Einbindung außerschulischer Bildungs- und Nachhilfeinstitute. Das kommende Schuljahr müsse außerdem in der gewohnten Normalität stattfinden, "es lernt sich ohne Maske einfach besser". Stattdessen sollten Luftreiniger zum Einsatz kommen.

Für NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre ist die Fortführung des Förderunterrichts mit geringerem Stundenausmaß "ein Schritt in die falsche Richtung": "Die Schulen brauchen ganz im Gegenteil zusätzliche Ressourcen, um neben den Gruppenkursen auch individuell fördern zu können", betont Künsberg Sarre in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Zahlreiche Kinder hätten im Lockdown den Anschluss verloren und bräuchten gezielte Unterstützung. "Wir haben im Frühjahr ein begleitendes Monitoring zum Förderprogramm beantragt, doch das wurde abgelehnt. Jetzt führt Faßmann eine Kürzung durch, ohne den Bedarf zu kennen", kritisiert die NEOS-Bildungssprecherin.

Spiel: Förderprogramm nicht ausreichend

Auch für Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Universität Wien wird das von Faßmann angekündigte Förderprogramm nicht ausreichen, wie sie im Ö1-"Mittagsjournal" betonte. Berichte von Lehrern, Eltern und Schulleitern würden nahelegen, dass im Corona-Schulbetrieb ziemlich viele Schülerinnen und Schüler völlig aus dem Lernen herausgefallen seien. Hier seien ein paar Zusatzförderstunden für die ganze Klasse zu wenig, es brauche vielmehr einen ganz individuellen Förderplan für jedes betroffene Kind - und zwar über Monate hinweg. Während für eine Schülerin die zusätzliche Mathe-Förderstunde ausreiche, brauche ein anderer Schüler nämlich vielleicht einen anderen Schüler als Buddy, der ihm dauerhaft Mut macht und etwa zeigt, wie man sein Lernen gut organisiert.

Einen besonderen Fokus brauche es auf Schülerinnen und Schüler, die etwa wegen Problemen mit der Unterrichtssprache Deutsch und mangelnder Lernunterstützung daheim schon vor der Coronapandemie Schwierigkeiten in der Schule hatten. Viele davon hätten das Vertrauen darin verloren, überhaupt erfolgreich lernen zu können. Diese Kinder und Jugendlichen müsse man nun individuell und permanent unterstützen, um sie nicht komplett zu verlieren, so Spiel.

(APA/red, Foto: APA/APA/dpa)

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