ERC-Projekt untersucht austro-islamisches Architekturerbe in Bosnien

4. Mai 2018 - 12:06

Während der habsburgischen Herrschaft bauten Schüler renommierter Ringstraßenarchitekten eine Fülle von muslimischen Kult- und Bildungsbauten in Bosnien und Herzegowina. Diesem wenig bekannten "austro-islamischen" Architekturerbe widmet sich ein vom Europäischen Forschungsrat (ERC) gefördertes Projekt der Uni Wien. Nun wurde es mit einem Workshop am Institut für Kunstgeschichte vorgestellt.

Projekt wurde bei einem Workshop am Institut für Kunstgeschichte vorgestellt
Projekt wurde bei einem Workshop am Institut für Kunstgeschichte vorgestellt

"Die Beamten Kaiser Franz Josephs hatten die bosnischen Muslime hofiert, um eine gewisse Stabilität auf dem Balkan zu garantieren", erklärte Maximilian Hartmuth vom Institut für Kunstgeschichte im APA-Gespräch. Zwar machten die Muslime nur rund ein Drittel der Bevölkerung aus, stellten aber vor allem die städtische Elite, und auch das Land war fest in muslimischer Hand. "Sich mit dieser Schicht zu arrangieren war ein pragmatischer Schritt", sagte der Balkanexperte.

Auf Empfehlung renommierter Ringstraßenarchitekten schickte man deshalb junge Architekten nach Bosnien, die dort ab Mitte der 1880er Jahren zunächst zahlreiche Moscheen und Glaubensschulen, dann auch Rathäuser in einem Stil bauten, der ihrer Auffassung von orientalisch entsprach. "Tatsächlich verwendeten sie Stilelemente verschiedener islamischer Bautraditionen, wie es ihnen gerade passte." Ägyptische und andalusische Einflüsse seien am stärksten erkennbar, was Hartmuth unter anderem auf die Weltausstellung 1873 in Wien zurückführt, bei der viele historische Baustile der islamischen Welt bestens dokumentiert worden seien.

Vorläufige Liste umfasst 70 Gebäude.

Das auf fünf Jahre angesetzte Projekt "Islamische Architektur und orientalisierender Stil im habsburgischen Bosnien, 1878-1918", für das Hartmuth 2017 einen "Starting Grant" des ERC erhielt, arbeitet dieses österreichische Erbe nun seit Februar auf. Ziel ist es, die Bauwerke in diesem Stil, zu denen etwa das 1895 errichtete Rathaus und die "Scheriatsrichterschule" von Sarajevo gehören, detaillierter zu untersuchen. "Bisher ist das nur überblicksmäßig und in der Landessprache erfolgt", von einem umfassenden Verständnis sei man noch weit entfernt, sagte der Projektleiter. Seine vorläufige Liste umfasse derzeit 70 Gebäude. "Die Ausbreitung dürfte aber viel weiter sein", verwies der Historiker auf eine Reise durch die Region, auf der er zahlreiche noch nicht dokumentierte Bauwerke gesehen habe.

Hartmuths Interesse gilt aber vor allem auch der Entstehungsgeschichte der Gebäude. "Die Architekten kamen in sehr jungen Jahren nach Bosnien und hatten plötzlich Riesenprojekte in ihrer Verantwortung". In Wien hatten sie gelernt, Amtshäuser und Kirchen zu entwerfen, aber keine Moscheen. "Die Bauaufgabe war eine völlig neue", so Hartmuth. Umso spannender sei zu fragen, "was sie aus Veröffentlichungen oder von Reisen kannten, was davon sie nach Bosnien mitnahmen, und warum in dieser Form und Auswahl". Begleitend zum Auftakt-Workshop unter dem Titel "Proximate Orientalism" eröffnete das Institut für Kunstgeschichte am Freitag in seiner Aula eine Ausstellung von Fotografien des Rathauses in Sarajevo mit erklärenden Begleittexten. Zu sehen ist sie bis Ende Mai.

Service: https://kunstgeschichte.univie.ac.at/en/forschungsprojekte/ercbos/; Ausstellung in der Aula des Instituts für Kunstgeschichte der Uni Wien, 9., Spitalgasse 2

(APA/red, Foto: APA/Uni Wien)

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