Als magnetische Rekonnexion bezeichnen Weltraumphysiker die Umwandlung der Energie magnetischer Felder in Teilchenenergie. In Weltraumplasmen beeinflusst diese Energieumwandlung etwa die Wechselwirkung zwischen dem Sonnenwind und dem Erdmagnetfeld und damit auch das Weltraumwetter. Wissenschafter des Grazer Weltrauminstituts legten neue Erkenntnisse über den Energieumwandlungsprozess im All vor.
Weltraumwetter findet zwar im Weltraum statt, hat aber enorme Auswirkungen auf das Leben auf der Erde. Das Magnetfeld der Erde schirmt uns vor den energiereichen Teilchen ab, die ständig von der Sonne und aus den Tiefen des Alls einströmen. Seit erkannt wurde, wie sehr Kommunikations- und Navigationssysteme und Energienetze durch die Teilchenströme gefährdet werden können, gewinnt die Erforschung ihrer Entstehung und das Zusammenspiel mit dem Magnetfeld der Erde an Bedeutung.
Der Großteil der sichtbaren Materie unseres Weltalls befindet sich im Plasmazustand und damit aus Gasen aus geladenen Ionen und Elektronen. Für Astrophysiker ist es eine der zentralen Fragen, wie diese Gase aufgeheizt werden und unvorstellbar hohe Energien erreichen können. Ein Prozess, der dies ermöglicht, ist die sogenannte magnetische Rekonnexion. Dabei kommt es zu einer plötzlichen Neuverbindung unterschiedlich ausgerichteter Magnetfelder innerhalb des Plasmas, wobei sich die Ausrichtung der Felder ändert, große Energiemengen freigesetzt und die magnetische Energie in Plasmaenergie umgewandelt wird. Diese wird in Form von Plasma-Jets mit hoher Geschwindigkeit aus dem Gebiet der Rekonnexion herausgeschossen.
Dreidimensionale numerische Simulationen entwickelt
Der Grazer Weltraumphysiker Takuma Nakamura vom Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat sich die Daten solcher Plasma-Jets näher angesehen. Er konnte zeigen, dass ihre Fronten instabil sind und dass sich an ihnen das Plasma noch zusätzlich aufheizen kann, wie das IWF auf eine aktuelle Publikation in der Zeitschrift "Physical Review Letters" verwies. Die dreidimensionalen numerischen Simulationen wurden am IWF entwickelt.
Die Ergebnisse der Simulationen würden mit Beobachtungen der NASA-Mission "MMS" übereinstimmen, kommentierte Rumi Nakamura, die IWF-Gruppenleiterin des Forschungsfeldes Weltraumplasmaphysik. Das IWF war am Bau von drei Instrumenten für diese Satellitenmission beteiligt, die die Prozesse im der Magnetosphäre der Erde untersucht, und hat Zugriff auf die Daten. Der direkte Vergleich der Simulationen mit den Messdaten ermögliche erstmals das physikalische Verständnis und die Quantifizierung der zusätzlichen Energieumwandlung und Plasma-Heizung an der Fronten der Plasma-Jets, wurde betont.
Aus Sicht von Takuma Nakamura dürften die Simulationsergebnisse nicht nur auf die Rekonnexionsereignisse im erdnahen Weltraum anwendbar sein: "Auch Plasma-Heizung in der Sonnenatmosphäre bei sogenannten Sonneneruptionen lässt sich damit erklären", zeigte sich der Erstautor überzeugt.
Service: T.K.M. Nakamura, T. Umeda, R. Nakamura, H.S. Fu, und M. Oka: "Disturbance of the Front Region of Magnetic Reconnection Outflow Jets due to the Lower-Hybrid Drift Instability", Physical Review Letters, doi:10.1103/PhysRevLett.123.235101, 2019,https://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.123.235101
(APA/red, Foto: APA/NASA)