Elektrische Ladung verleiht Sonnenwind zerstörerische Kraft

12. Juni 2018 - 10:41

Auf Planeten und Monden, die nicht durch Magnetfeld oder Atmosphäre geschützt sind, schlagen permanent geladene Teilchen von der Sonne mit großer Wucht ein und schleudern dabei Atome aus dem Boden. Ihre Analyse erlaubt Rückschlüsse auf geologische und chemische Eigenschaften des Gesteins. Das Bombardement hat drastischere Auswirkungen als gedacht, berichten Wiener Forscher im Fachblatt "Icarus".

Wissen darüber wichtig für Gesteinsanalysen durch ESA-Sonde "BepiColombo"
Wissen darüber wichtig für Gesteinsanalysen durch ESA-Sonde "BepiColombo"

Von der Sonne strömen ständig geladene Teilchen - hauptsächlich Wasserstoff- und Helium-Ionen, aber auch schwerere Elemente bis zu Eisen - ins All, der sogenannte Sonnenwind. Werden sie nicht - wie im Fall der Erde - von einem Magnetfeld abgelenkt bzw. durch Kollisionen mit Teilchen aus der Atmosphäre gestört, treffen sie mit einer Geschwindigkeit von 400 bis 800 Kilometer pro Sekunde auf der Oberfläche von Himmelskörpern auf. Dabei schlagen sie laufend Atome aus den Gesteinen, die kilometerhoch aufsteigen und etwa auf dem Erd-Mond oder dem Merkur eine dünne Atmosphäre, "Exosphäre" genannt, bilden.

Rückschlüsse auf chemische Zusammensetzung

Durch die Erforschung dieser Exosphäre kann man auf die chemische Zusammensetzung der Oberflächen-Gesteine rückschließen. So soll die ESA-Sonde "BepiColombo", deren Start am 19. Oktober geplant ist, durch die Analyse der Exosphäre des Merkur Informationen über die geologischen und chemischen Eigenschaften des kleinsten und sonnennächsten Planeten des Sonnensystems sammeln.

Für solche Analysen ist es notwendig, die Auswirkungen des Sonnenwinds auf die Gesteine genau zu verstehen. Aus diesem Grund wurden an der Technischen Universität (TU) Wien Versuche durchgeführt. Die Forscher, die üblicherweise ähnliche Wechselwirkung zwischen Ionen und der Reaktorwand in Kernfusionsreaktoren untersuchen, verwendeten Wollastonit "als Merkur- bzw. Mond-Analog-Gestein", so Friedrich Aumayr vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien gegenüber der APA. Sie beschossen es mit verschiedenen Ionen, etwa Wasserstoff- oder einfach bzw. achtfach geladene Argon-Ionen, also Argon-Atomen, denen ein bzw. acht Elektronen fehlen.

"Bisher ging man davon aus, dass in erster Linie die Bewegungsenergie der schnellen Teilchen dafür verantwortlich ist, dass die Gesteinsoberfläche atomar zerstäubt wird", erklärte Erstautor Paul Szabo aus dem Team Aumayrs in einer Aussendung. Die TU-Forscher wollten mit ihrer Arbeit allerdings zeigen, dass der Sonnenwind aus zwei Gründen zerstörerischer ist als man bisher geglaubt hat. "Erstens, weil schwerere Teilchen mehr von der Oberfläche abtragen als die leichten Wasserstoff-Protonen, und zweitens, weil sie das nicht nur aufgrund ihrer Masse tun, sondern auch, weil sie zusätzlich einen hohen Ladungszustand haben und dadurch eine andere Form der Energie in die Kollision miteinbringen", so Aumayr.

Gleiche Aufprallgeschwindigkeit, aber höhere Ladung

Im Vergleich von einfach und achtfach geladenem Argon habe man die Rolle des Ladungszustands schön sehen können: "Die haben die selbe Aufprallgeschwindigkeit, aber bei achtfachem Ladungszustand wird deutlich mehr Wollastonit-Gestein zerstäubt", sagte Aumayr. Es beeinflussen also nicht die Wasserstoff-Ionen, die 93 Prozent des Sonnenwinds ausmachen, am stärksten das Gestein, sondern Helium spielt eine viel größere Rolle: "Helium hat nicht nur die vierfache Masse von Wasserstoff, sondern auch die doppelte Ladung von Wasserstoff und ist dadurch besonders wirksam", so der Physiker.

Die Erkenntnisse sollen nun in die Modelle einfließen, mit denen aus der Exosphäre Informationen über die geologischen und chemischen Eigenschaften von Himmelskörpern gewonnen werden. Dazu wurde in der Arbeit auch mit dem Institut für Weltraumforschung IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) kooperiert, das an "BepiColombo" beteiligt ist. Die TU-Forscher werden weitere Versuche auch mit echtem Mondgestein durchführen, das sie von der Universität Bern erhalten.

Service: http://dx.doi.org/10.1016/j.icarus.2018.05.028

(APA/red, Foto: APA/APA (dpa))

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