Ein Jahr Corona - Wissenschaft vor dem Vorhang

18. Februar 2021 - 8:23

Ein Jahr nach dem Bekanntwerden der ersten Infektion mit dem Coronavirus in Österreich kann man auf der Suche nach "Gewinnern" und "Verlierern" der Pandemie zumindest eines sagen: Die Wissenschaft als solche hat durchaus gepunktet. In Rekordzeit wurden Impfstoffe entwickelt und zur Marktreife gebracht, und auch in der öffentlichen Wahrnehmung konnten die Forscher enorm zulegen. Nur positiv wird ihnen ihre Rolle im Erklären und Begleiten der Pandemie nicht überall ausgelegt.

Öffentliche Wahrnehmung ist deutlich gestiegen
Öffentliche Wahrnehmung ist deutlich gestiegen

Vor etwas mehr als einem Jahr hätte vermutlich niemand für möglich gehalten, dass sich in den Hauptnachrichtensendungen des Landes Mediziner und Virologen die Klinke in die Hand geben und Kommentare vom Wissenschafts- und nicht vom Innenpolitikchef gesprochen werden. Mittlerweile wissen die Österreicher zu einem guten Teil auch, womit Simulationsexperten und Komplexitätsforscher ihren Tag verbringen bzw. dass es solche überhaupt gibt.

Mit den zahlreichen Auftritten von Forschern hat sich auch der Diskurs etwas verändert: In der Wissenschaft gibt es keine absolute Wahrheit, Forschungsergebnisse können sich auch widersprechen bzw. durch andere Arbeiten überholt werden. Ansätze müssen auch einmal über Bord geworfen und durch andere ersetzt werden. Wer Message Control und Beharren auf dem eigenen Standpunkt gewohnt ist, musste sich da erst neu orientieren.

Genom innerhalb von Tagen sequenziert

Trotzdem oder gerade deswegen war die Forschung auf dem Posten: Innerhalb weniger Tage war das Genom des neuen Virus bereits sequenziert, innerhalb weniger Wochen wurde ein Test entwickelt und nach einigen Monaten wurden bereits die ersten Impfstoffe in Studien überprüft. Und gerade bei den Vakzinen hat sich gezeigt: Die unterschiedlichen Ansätze der einzelnen Forscherteams haben zu Resultaten geführt - es gibt nicht den einen Impfstoff, sondern unterschiedliche mit bestimmten Vor- und Nachteilen. Die Geschwindigkeit entlockt den meisten zwar anerkennendes Staunen, lässt manche aber auch zweifeln.

In vielen Fällen wurde über Länder- und Wissenschaftsgrenzen hinweg zusammengearbeitet und Forschungsdaten bzw. -ergebnisse geteilt. Mit durchaus hinterfragenswerten Konsequenzen: So erschienen etwa zahlreiche Arbeiten auf Preprint-Servern und wurden breit rezipiert, die ihren Weg wohl nie durch ein Review-Verfahren gefunden hätten. Selbst Studienergebnisse mit viel zu geringen Stichproben wurden in Medien breitgewalzt, Geschwindigkeit beim Publizieren erschien im Wettlauf mit den Kollegen oft wichtiger als Qualität. Nicht zuletzt ging es um hohe Forschungsmittel, die plötzlich auch wesentlich freigebiger flossen als zuvor. Auch hierzulande kamen Forschungsförderer und die Politik Forschern und Technologieentwicklern entgegen.

Enorme Anzahl an Befragungen und Studien

Jedoch nicht nur wissenschaftlich quasi automatisch mit dem Mega-Thema "Corona" befasste Fächer nahmen sich der Effekte der um sich greifenden Krise an. Alleine in Österreich wurde eine fast unüberschaubare Anzahl an Befragungen und Studien lanciert - von den Politikwissenschaften über die Psychologie und Soziologie bis in die Mathematik reichen die Initiativen. Als beharrlicher Begleiter der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Entwicklungen entpuppte sich der in Österreich relativ restriktive Zugang zu Datenmaterial. Das veranlasste immer wieder Forscher und Wissenschaftergruppen zu medialer Kritik. Mittlerweile habe sich zwar einiges verbessert, das Wort "Blindflug" im Bezug auf die Pandemie kursiert forscherseitig aber immer noch.

Schlussendlich war es vielfach auch das Jahr, in dem die Politikberatung von wissenschaftlicher Seite her in Österreich einen ungeheuren Schub erfuhr. Im internationalen Vergleich war diese Praxis in vielen Politikbereichen hierzulande zuvor eher ein zartes Pflänzchen, wie die Wissenschaftsgemeinde immer wieder bekrittelte. Bei der Verkündung von äußerst unangenehmen und kontroversen Eindämmungsmaßnahmen mitunter gar physisch neben Politikern zu stehen, brachte Experten dann aber auch nicht nur Anerkennung ein. Mit Fortdauer der Pandemie und ihrer Verwerfungen rückten auch Wissenschafter vermehrt in den Fokus von Drohgebärden, die kürzlich auch von Verfassungsschützern registriert wurden.

(APA/red, Foto: APA/APA (AFP/Symbolbild))

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