Coronavirus - Wiener Studie: Nur Teil der Infizierten wird "immun"

8. Juli 2020 - 12:23

Eine in Wien durchgeführte SARS-CoV-2-Antikörperstudie zeigt, dass offenbar nur ein Teil der Infizierten eine schützende Immunantwort entwickelt. In zwei weiteren Testphasen wollen die Wissenschafter der MedUni Wien jetzt den Verlauf der Immunreaktion beobachten und engagieren sich auch in der Impfstoffforschung, sagte Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt gegenüber der APA.

Im April wurden 1.650 Personen untersucht
Im April wurden 1.650 Personen untersucht

Die Wissenschafter der MedUni Wien sind gerade dabei, ihre wissenschaftliche Arbeit für die Publikation vorzubereiten. Ursula Wiedermann-Schmidt, Professorin für Vakzinologie und Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin: "Wir haben von Anfang April bis Mitte April in einem großen Unternehmen in Wien 1.650 Beschäftigte untersucht. 53 Prozent waren permanent im Home Office, 47 Prozent permanent im Büro. Der Anteil der Personen, die damals keine Antikörper gegen SARS-CoV-2 aufwiesen, war sehr hoch." Rund 90 Prozent zeigten keine Immunantwort.

Die Verteilung der Personen mit vorher nicht stattgefundenen Kontakt mit den Covid-19-Erregern war in der Home Office- und in der Office-Gruppe etwa gleich verteilt. Aber, wie die Expertin erklärte: "1,88 Prozent der Getesteten zeigten Virus-reaktive Antikörper. Von ihnen war der größere Anteil aus der Home Office-Gruppe." Dies könnte aber auch damit zu tun haben, dass das Unternehmen alle Beschäftigten vehement dazu aufgefordert hatte, auch bei leichtesten Krankheitssymptomen sofort zu Hause zu bleiben.

Immunantwort mit vier verschiedenen Verfahren getestet

Die Wissenschafter testeten mit vier verschiedenen Verfahren die genaue Art der Immunantwort der Personen, welche offenbar mit SARS-CoV-2 in Kontakt gekommen waren. Ursula Wiedermann-Schmidt: "Nur 0,8 Prozent (von insgesamt 1,88 Prozent positiv Getesteten; Anm.) wiesen vor SARS-CoV-2 schützende Antikörper auf." Die MedUni Wien weist mit dem Department für Virologie auch eine seit vielen Jahren international hoch anerkannte Forschungsinstitution auf diesem Gebiet auf.

Wahrscheinlich - und darauf deuten die Auswertungen auch gemäß den Symptomen bei den Untersuchten hin - entwickeln Personen, welche auch Symptome einer SARS-CoV-2-Infektion haben, eher eine für die Zukunft schützende Immunantwort. Die Wiener Wissenschafterin: "Das sind offenbar alle Formen von Symptomen, auch beispielsweise Schnupfen oder Störungen des Geschmackssinns."

Bei den schützenden Antikörpern sind - potenziell längerfristig - die sogenannten IgG-Antikörper entscheidend. Wie Ursula Wiedermann-Schmidt erklärte, konnten bei manchen Untersuchten aber auch sogenannte IgA-Antikörper gegen das Coronavirus festgestellt werden. "Da hatten aber alle bis auf eine Person nichts von der Infektion gespürt." IgA-Antikörper werden sehr schnell nach einer Infektion gebildet und machen den immunologischen Schutz in Schleimhäuten aus, verschwinden aber wieder. IgG-Schutz entsteht erst nach rund zwei Wochen, wirkt hingegen länger.

Detailuntersuchungen

Die Wiener Wissenschafter engagieren sich jetzt auch in Studien, um aus den Erkenntnissen Schlussfolgerungen für die Entwicklung wirksamer SARS-CoV-2-Impfstoffe ziehen zu können. Die Wissenschafterin: "Im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit haben wir untersucht, gegen welche Strukturen des Virus die entstandenen Antikörper der Personen nach einer Infektion gerichtet waren."

Die Ergebnisse dieser Detailuntersuchungen: Am wichtigsten für eine schützende Immunantwort sind offenbar IgG-Antikörper, die spezifisch gegen jene Region des S-Proteins (Spike Protein; Anm.) gerichtet sind, mit der das Virus an Zielzellen bei der Infektion andockt. "Wir werden jetzt diese Strukturen (Epitope; Anm.) genauer untersuchen und mit unserer Mimotop-Methode, die wir für eine Krebsvakzine entwickelt haben, Forschungen für die Entwicklung möglicher Impfstoffe durchführen." Je genauer jene Antigene definiert sind, die man für eine optimale Immunreaktion durch Anwendung in einer Vakzine benutzt, desto wirksamer sollte diese sein.

Entscheidend für alle diese Fragen ist aber auch, wie beständig die Immunreaktion von Menschen auf SARS-CoV-2 ist. Davon hängt die Möglichkeit der Entstehung eines "Herdenschutzes" genauso ab wie eine allfällige zukünftige Impfstrategie, zum Beispiel, wie oft immunisiert werden muss. Auch hier sind die Wiener Wissenschafter dabei, Folgeuntersuchungen durchzuführen. Ursula Wiedermann-Schmidt: "Wir wiederholen die Tests nach drei und sechs Monaten." Bei den Personen mit nachgewiesener und bereits überstandener SARS-CoV-2-Infektion wird man den Status der Immunreaktion auf die Covid-19-Erreger damit längerfristig überwachen können.

(APA/red, Foto: APA/APA (dpa))

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