Coronavirus - "Notlösungen" könnten Zukunft klimafreundlicher machen

26. März 2020 - 8:59

Keine täglichen Fahrten zur Arbeit, weniger Flüge, sinkende Luftschadstoffwerte: Kurzzeitige Veränderungen haben zwar positive Effekte auf die Umweltsituation, dürften aber für eine Trendumkehr beim Klimawandel nicht relevant sein. Die aktuellen "Notlösungen" könnten laut dem Grazer Klimaökonomen Karl Steininger dennoch eine nachhaltige Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft vorantreiben.

Klimaökonom Steininger: "Krise zwingt uns, neue Wege auszuprobieren"
Klimaökonom Steininger: "Krise zwingt uns, neue Wege auszuprobieren"

In China haben die durch die Corona-Krise bedingten Einschränkungen in Produktion und Mobilität laut Analysen des finnischen Center for Research on Energy and Clean Air zu einer deutlichen Verringerung von schädlichen Emissionen in der Luft geführt: Die Treibhausgasemissionen gingen im Februar 2020 kurzfristig um mehr als 25 Prozent zurück. Steininger vom Wegener Center for Climate and Global Change an der Uni Graz betonte in einer Mitteilung, dass solche kurzfristigen Einsparungen keine Auswirkungen auf die globale Erwärmung haben. "Um tatsächlich eine Trendwende zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen weltweit und vor allem dauerhaft gesenkt werden", erklärte der Grazer Experte. Die neue Situation berge aber dennoch eine Chance.

Homeoffice und Video-Konferenzen könnten Standard werden

Gestrichene Geschäftsreisen, seltenere Einkaufsfahrten, dafür Video-Konferenz, Home-Office und regionale Lieferdienste - was seit den Zeiten der Ausgangsbeschränkungen noch als Notlösung angesehen wird, könnte laut dem Ökonomen in Zukunft durchaus Standard werden. "Die Corona-Krise zwingt uns, neue Wege auszuprobieren. Wenn wir damit gute Erfahrungen machen, könnten wir sie auch weiterhin verstärkt nutzen und damit einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Transformation unserer Gesellschaft leisten", zeigte sich der Volkswirt überzeugt.

Neben Auswirkungen im Arbeitsleben würden durch die Krise weiters vor allem Gefahren durch Abhängigkeiten von globalen Lieferketten sichtbar. Unterbrochene Lieferungen von Medikamenten, elektronischen Bauteilen oder Ersatzteilen für die Automobilindustrie können ernsthafte Auswirkungen für die Bevölkerung und die Wirtschaft in Europa haben, so Steininger. "Diese Erkenntnisse sprechen dafür, regional konzentrierte Produktionsstrukturen aufzubauen, um autonomer zu sein, mit dem Nebeneffekt, dadurch den ökologischen Fußabdruck deutlich zu verringern", hob der Ökonom hervor.

Durch neue Technologien lokal produzieren

Möglichkeiten zur Dezentralisierung gebe es bereits, sagt Steininger: Er verwies beispielsweise auf die sogenannten additiven Produktionsverfahren, also den 3D-Druck. "Damit ließen sich etwa Ersatzteile für die Automobilindustrie vor Ort erzeugen." Als weiteres Beispiel führte er die - auch von Graz aus mitentwickelte - Flow-Chemie an, die es erlaube, pharmazeutische Wirkstoffe in kleineren Einheiten herzustellen und damit der Abhängigkeit von internationalen Lieferketten entgegenzuwirken.

Laut dem Grazer Wirtschaftswissenschafter ist ein radikales Umdenken und eine grundsätzliche Neuorientierung in allen Lebensbereichen und Sektoren notwendig, um eine nachhaltige Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft zu erreichen. Die aktuelle Krise könnte die Entscheidung, althergebrachte Wege zu verlassen, leichter machen, zeigte sich Steininger optimistisch. Dass angesichts der unmittelbaren Bedrohung durch das Corona-Virus plötzlich Maßnahmen und Verhaltensänderungen akzeptiert werden, die der Klimawandel mit seiner laut Steininger langfristigen, größeren Gefährdung zumindest bisher nicht rechtfertigen konnte, stimme ihn allerdings auch nachdenklich.

(APA/red, Foto: APA/APA (dpa))

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