Coronavirus - Familiensoziologin: Shutdown erfordert neue Strukturen

17. März 2020 - 7:41

Das neue Leben im Coronavirus-Shutdown stellt die Gesellschaft vor große Herausforderungen. In der Regel seien es "Familien nicht gewohnt, so viel Zeit miteinander zu verbringen", sagte die Familiensoziologin Ulrike Zartler-Griessl zur APA. Es gehe nun vielfach darum, in Abwesenheit etablierter Strukturen, neue Abläufe zu definieren. Wichtig ist auch, mit den Kindern über das Thema zu sprechen.

Nicht alle Eltern machen Homeoffice
Nicht alle Eltern machen Homeoffice

Die aktuelle Situation sei "einfach so unglaublich außergewöhnlich", dass es keine einigermaßen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse gebe, auf die man sich stützen kann, sagte die Forscherin vom Institut für Soziologie der Universität Wien. Auch Untersuchungen über Eltern, die mit Kindern im Gefängnis sind, seien nicht unbedingt vergleichbar. Es gebe also "kein Vorbild, keine Regeln, keine Normen und etablierte Strukturen dafür, wie man sich in so einer Situation verhält", so Zartler-Griessl.

Nicht in Ferienmodus wechseln

Plötzlich wird nun vielfach der Arbeitsplatz aller Familienmitglieder in die eigenen, meistens nicht dafür ausgelegten vier Wände verlegt. Es stellen sich neue mitunter fordernde Fragen zur Gestaltung des Tagesablaufes und des vor allem für kleine Kinder wichtigen Essensrhythmus. Den Eltern komme nun auch oft die neue Aufgabe zu, die Kinder zum Lernen anzuhalten, und nicht in den Ferienmodus zu wechseln. "Das birgt natürlich auch viel Konfliktpotenzial", sagte die Soziologin. Gut sei aber, dass die Schulen auch "ganz klare Aufgaben", teils mit Deadlines stellen.

Nicht zuletzt fallen für Kinder, Jugendliche und Eltern viele Sozialbeziehungen nun schlicht weg. Zartler-Griessl: "Kinder pflegen einen Großteil ihrer Sozialbeziehungen außerhalb der Familie in der Schule oder in Sportvereinen. Wie können Eltern Kontakte zu Gleichaltrigen ersetzten? Antwort: Eigentlich gar nicht!"

Bedürfnisse der Kinder ernst nehmen

Dieses Bedürfnis der Kinder sollte man aber ernst nehmen, indem man etwa mehr mit ihnen spielt, was wiederum mit dem viel zitierten Homeoffice konkurriert. Je jünger die Kinder sind, desto schwieriger ist die produktive Heimarbeit klarerweise umzusetzen. Hier sollte auch mit realistischen Erwartungen an die Sache herangegangen werden.

Abseits all der Diskussionen um Homeoffice dürfe man nicht auf die Familien vergessen, in denen Eltern arbeiten müssen. Auch das bringe nämlich Unsicherheit. Insgesamt gelte: "Wichtig ist, dass Eltern mit ihren Kindern auch über die Situation reden". Das treffe auch auf kleine Kinder zu, die mit völlig neuen Rhythmen konfrontiert sind, die auch bedrohlich auf sie wirken können, so die Wissenschafterin.

Es liege auf der Hand, dass nun mitunter Konflikte und Spannungen aufleben, ausbrechen oder neu entstehen. Eine wichtige Rolle komme hier den Beratungsangeboten der psychosozialen Dienste wie der "Kummer Nummer" (0800 66 99 11), der Telefonseelsorge (142) sowie "Rat auf Draht (147) zu. "Die werden wir wahrscheinlich brauchen", sagte die Soziologin. Positiv zu bewerten seien überdies neue Kommunikationswege wie Videotelefonie und Co, die dabei helfen können, das gesteigerte Informations- und Kommunikationsbedürfnis zu stillen sowie den Kontakt zur erweiterten Familie zu halten.

(APA/red, Foto: APA/APA (dpa))

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