Corona-Strategieplan für den Herbst mit vier Szenarien

6. Mai 2022 - 12:59

Die österreichische Bundesregierung will für den kommenden, mittlerweile dritten Pandemie-Herbst besser gerüstet sein. Am Freitag präsentierte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) mit Fachleuten einen sogenannten Variantenmanagementplan (VMP). In die Erarbeitung wurden 80 Expertinnen und Experten eingebunden, er enthält vier mögliche Szenarien für die weiteren Entwicklung des Corona-Virus. Der finale VMP soll Anfang Juni vorliegen, kündigte Rauch an.

Gesundheitsminister Rauch hat 80 Expertinnen und Experten eingebunden
Gesundheitsminister Rauch hat 80 Expertinnen und Experten eingebunden

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"Wir müssen uns seriös vorbereiten auf unterschiedliche Szenarien, die im Herbst kommen können", sagte Rauch. "Wir wissen schlicht nicht, mit welcher Variante wir es im Herbst zu tun haben werden", betonte der zuständige Minister. Mit an Bord ist auch der Virologe Andreas Bergthaler von der Medizinischen Universität Wien und dem Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Ihm erscheint es "relativ sinnvoll, dass wir nach drei Jahren vom Prinzip Hoffnung auf vorausschauendes Agieren umschwenken", konstatierte der Experte.

Vom "Idealfall" zum "Worst Case"

Im Variantenmanagementplan sind vier Szenarien enthalten - sie reichen vom "Idealfall" ohne erforderliche Einschränkungen über den "günstigen Fall" mit neuen Varianten mit Auswirkungen ähnlich der Omikron- und Delta-Mutationen mit partiellen Einschränkungen bis hin zu den weniger günstigen Szenarien 3 und 4. Der "ungünstige Fall" sieht häufiges Auftreten und unvorhersehbare Ausbrüche neuer Varianten vor, die zu einer weitreichenden Störungen des gesellschaftlichen und sozialen Lebens führen. Szenario 4 umfasst den "sehr ungünstigen Fall", den "Worst Case". Darin kommt es zu "erneuten Wellen, die sehr hohe Zahlen an Infektionen und Hospitalisierungen verursachen", steht im Variantenmanagementplan. In dieser Phase kommt es zu starken Einschränkungen im gesellschaftlichen und sozialem Leben, es wird weiterhin eine Übersterblichkeit und eine Abnahme der durchschnittlichen Lebenserwartung verzeichnet.

Ob es eine Impfpflicht geben wird, beantwortete Rauch nicht, er verwies auf die Impfpflicht-Kommission, die Ende Mai wieder einen Bericht vorliegen wird, das nächste Mal dann erst Ende August. Unabhängig von einer möglichen Impfpflicht sei es "unsere Aufgabe, die Menschen zur Impfung zu bringen", sagte der Gesundheitsminister. "Spots und Inserate reichen nicht aus, das wird passieren von unten", kündigte er an. Auf Vertrauensbasis müsse mit den Menschen gesprochen und Überzeugungsarbeit geleistet werden, in Arztpraxen, Vereinen, Apotheken. In der Impfpflicht selbst sieht er "ein Notinstrument". Ziel sei, "möglichst viele Menschen Ende August, Anfang September zur Impfung zu bringen", sagte Rauch. Denn die Auffrischungsimpfung müsse "möglichst nahe an einer nächsten Welle" erfolgen. "So wie es aussieht liegt im Herbst von Pfizer und Moderna ein Impfstoff vor, der an die Varianten angepasst ist", sagte die Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit, Katharina Reich.

Kommunikation soll verbessert werden

Rauch versprach prinzipiell in der Kommunikation "mehr Klarheit, mehr Durchgängigkeit und mehr Einheitlichkeit". Das war in der Vergangenheit bezüglich der Corona-Maßnahmen oft nicht der Fall gewesen. Für die Einigkeit ist der Gesundheitsminister in einem intensiven Austausch mit den Ländern. Einheitliche Maßnahmen soll es auch im Herbst geben, kündigte Rauch an. "Nicht alles ist gut gelaufen", sagte auch ÖVP-Gesundheitssprecherin Gaby Schwarz. Diesmal wolle man "für den Herbst wesentlich besser gerüstet sein als in den Jahren zuvor", kündigte sie an.

"Die Szenarien sind nur Vorschläge für eine künftige Realität", sagte Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Es wird nicht davon ausgegangen, dass die Situation im Herbst zu 100 Prozent deckungsgleich sein wird. Vorbereitet werden sowohl szenarienabhängige als auch unabhängige Maßnahmen. Zu letzteren gehört etwa die Schaffung einer guten Datengrundlage. Da gibt es in Österreich "nach wie vor eine riesige Baustelle", sagte Bergthaler. "Mein großer Wunsch ist, dass wir hier Fortschritte machen". Werden etwa neue Varianten gefunden, müsse die Wissenschaft in Echtzeit Daten bekommen, wer die Personen sind, welchen Impfstatus sie haben, wie lange eine Spitalsbehandlung erforderlich ist etc..Chief Medical Officer Reich verwies auf ein Register für hospitalisierte Corona-Patienten. Dieses sei "startbereit", hier müssen die Länder die Daten zu den Spitalspatienten eintragen.

Keine Garantie für einheitliche Datengrundlage

Dass es im dritten Pandemieherbst eine umfassende und einheitliche Datengrundlage geben wird, kann Gesundheitsminister Rauch "nicht garantieren". "Wir haben den Föderalismus, darunter leiden wir", konstatierte er. Allein das nun geplante "Datenregister war ein Kraftakt der Sonderklasse", sagte Rauch. Klar gelte es, den Nachholbedarf aufzuholen, andere Länder verfügen jederzeit über Echtzeitdaten. "Doch das wird nicht von heute auf morgen möglich sein", sagte Rauch. Versucht werden soll auch die Vereinheitlichung der Einmeldungen. Derzeit gibt es in Österreich jeden Tag drei unterschiedliche Daten - die Fallzahlen des nationalen Krisenstabs, jene des Epidemiologischen Meldesystem (EMS) und jene der AGES.

Der nunmehrige VMP-Zwischenstand und ein 100 Seiten umfassendes Fachdokument werden diese Woche an die Kommission zur gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (GECKO) zum Review übermittelt und ergänzt. Schließlich soll im Ministerium der finale VMP erarbeitet werden, der die Grundlage für politische Entscheidungen bilden soll. "Hoffen wir, dass es ein vernünftiges Endprodukt gibt", sagte Virologe Bergthaler. Dieses müsse dann im Sommer genützt werden, um "für den Herbst vorbereitet zu sein".

(APA/red, Foto: APA/APA/ROLAND SCHLAGER)

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