Seit 50 Jahren steht im Technischen Museum Wien (TMW) ein Stück Computergeschichte: Das "Mailüfterl" war der erste Transistorrechner Europas, entwickelt und gebaut ab 1954 von einem Team um den österreichischen Computerpionier Heinz Zemanek an der Technischen Universität Wien. Das Team und der Rechner wurden 1961 von IBM übernommen. Der Konzern stellte das Pioniergerät 1973 dem TMW als Leihgabe zur Verfügung, nun hat IBM Österreich dem Museum das berühmte Exponat geschenkt.
"Internationale Pionierleistungen wie das 'Mailüfterl' gehören nicht in Unternehmensarchive. Sie gehören in Top-Museen wie das Technische Museum Wien", sagte IBM Österreich-Generaldirektor Marco Porak am Dienstag bei der offiziellen Übergabe. Das 50-Jahr-Jubiläum sei für den Konzern der perfekte Zeitpunkt gewesen, um die Schenkung endgültig umzusetzen, betonte Porak laut Aussendung und verwies auf die Bedeutung der Zugänglichkeit von Wissenschaft gerade für junge Generationen. So könne "Pioniergeschichte der Anstoß für spannende Forscherinnen- und Forscherlebensläufe in der Zukunft sein".
Bestandteile zusammengebettelt
1950 begann Heinz Zemanek (1920-2014) als Assistent an der damaligen Technischen Hochschule (heute TU Wien) mit dem Bau seines ersten Rechners. Dem Techniker wurde schnell klar, dass die damals dominierenden Röhren zur Konstruktion von "Rechenautomaten" nicht geeignet waren. 1954 nahm er deshalb die Entwicklung eines vollständig transistorisierten Computers in Angriff - zu dieser Zeit werden auch in den USA und in Großbritannien erste Transistorrechner gebaut. Ohne offiziellen Auftrag musste sich Zemanek das Geld und die Bestandteile zusammenbetteln.
Mit seinem Team baute er bis 1958 einen der ersten vollständig mit Transistoren arbeitenden Computer der Welt - es war der erste auf dem europäischen Festland. Jeder einzelne der rund 3.000 Transistoren und die 5.000 Germaniumdioden wurden auf 1.500 etwa 15 mal zehn Zentimeter große Platten aufgelötet, dazu kamen 15.000 Widerstände, 5.000 Kondensatoren, 3.000 Induktivitäten und 20 Kilometer Schaltdraht - in Summe 100.000 Lötstellen. Ohne Bildschirm und Tastatur erfolgte die Ein- und Ausgabe über Lochstreifen, die Ausmaße des Rechners waren mit mehreren Metern Länge und Höhe beträchtlich - die Taktfrequenz dagegen aus heutiger Sicht bescheiden: 132 Kilohertz.
"Mailüfterl" statt Wirbelwind
Den Namen "Mailüfterl" wählten die Techniker auf Grund "der eher langsamen Transistoren, die uns zur Verfügung standen", erinnerte sich Zemanek im früheren Gespräch mit der APA. Damit hätte man keinen Wirbelwind oder Taifun, wie solche Rechner damals in den USA genannt wurden, sondern eben nur ein "Mailüfterl" zustande gebracht.
Nach der Konstruktion der Hardware erfolgte die Programmierung und der Übergang des Teams von der Hard- zur Software. Am 27. Mai 1958 bestimmte das "Mailüfterl" in 66 Minuten die Primzahl 5073548261. 1959 wurde für den Zwölfton-Komponisten Hanns Jelinek ein musiktheoretisches Programm entwickelt und die Aufgabe in 60 Stunden gelöst. Um für diese langen Rechenzeiten nicht ständig am Institut sein zu müssen, hatten die Techniker das "Mailüfterl" an das Telefon gekoppelt. Sie konnten dadurch von zu Hause aus anrufen und anhand der hörbaren "Melodie" feststellen, ob das Programm läuft.
IBM übernahm Entwicklerteam
1961 übersiedelte Zemanek mit seiner Gruppe zu IBM, der Konzern stellte dem Team ein Labor in Wien zur Verfügung. Auch das "Mailüfterl" wurde von IBM dem Staat abgekauft und übersiedelte in das neue IBM-Labor, ehe der Rechner 1966 ausgemustert wurde. Zemanek konzentrierte sich mit seiner Gruppe bald auf Programmiersprachen und entwickelte die "Vienna Definition Language", die damals größte Programmiersprache, sowie in weiterer Folge die "Vienna Definition Method". 1976 wurde Zemanek zum IBM-Fellow ernannt, bis dahin leitete er auch das IBM-Labor.
Das Technische Museum erhielt 1973 von IBM das "Mailüfterl" als Leihgabe und stellte es ab Mai 1974 in der neu eröffneten Abteilung "Datenverarbeitung" aus. Heute ist das Stück Computergeschichte im vierten Stock in der Abteilung Medienwelten zu sehen. Für TMW-Chef Peter Aufreiter "war und ist der Transistorrechner ein Highlight des Museums", er werde auch weiterhin Teil des Vermittlungsprogramms sein.
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