Cern "frisiert" Teilchenbeschleuniger LHC auf Höchstleistung

15. Juni 2018 - 12:23

Startschuss für den Ausbau des Teilchenbeschleunigers LHC der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern): Mit dem am 15. Juni gestarteten HiLumi LHC-Projekt - von "High Luminosity" ("hohe Leistungsfähigkeit") - wird die größte Forschungsanlage der Welt "frisiert" und auf neue Höchstleistung getrimmt.

Neue Tunnelstücke sollen angebaut werden
Neue Tunnelstücke sollen angebaut werden

An dem 27 Kilometer langen ringförmigen Tunnel 100 Meter unter der Erde im schweizerisch-französischen Grenzgebiet bei Genf werden dafür neue Tunnelstücke angebaut. Dazu kommen weitere Ausbauprojekte, die Gesamtinvestitionen betragen fast eine Milliarde Euro.

Alles dreht sich beim Cern um die Kollisionen, die die Physiker erzeugen, wenn sie Protonen in entgegengesetzter Richtung durch den 27 Kilometer langen Tunnel schießen. Unterwegs sind in der Röhre Trillionen von Protonen, von denen jeder einzelne pro Sekunde 11.000 Runden dreht. Die Forscher bringen sie an bestimmten Stellen zur Kollision und simulieren damit die ersten Nanosekunden nach dem Urknall. Sie wollen unbekannte Elementarteilchen aufspüren, um bisher ungelöste Geheimnisse des Universums zu erklären.

Der Beschleuniger schafft heute eine Milliarde Protonenkollisionen in der Sekunde. Aber das reicht den Physikern nicht. Sie wollen mindestens fünf Milliarden Kollisionen erreichen. Dafür sollen zum einen mehr Protonen zirkulieren, und der Zusammenstoß soll künftig auf acht statt 16 Mikrometer fokussiert werden, um die Chance von Kollisionen zu erhöhen. Acht Mikrometer entspricht 0,008 Millimeter.

Ab 2025 mehr Protonen auf Kollisionskurs

Der Beschleuniger soll 2025 viel leistungsstärkere Magneten haben und es sollen mehr Protonen auf Kollisionskurs gebracht werden. Dafür muss nun gebohrt und getunnelt werden. Oliver Brüning ist Vize-Projektleiter und sagt: "Es ist wie bei einer Hausrenovierung. Man baut eine neue Heizung ein, die effizienter ist, aber um mehr zu heizen braucht man mehr Holz, und entsprechend größere Keller."

Nur sind die Herausforderungen am Cern eine Nummer größer: die Physiker, die mit dem Beschleuniger in noch unbekannte Materie vorstoßen wollen, haben so ehrgeizige Pläne, dass vieles von dem nötigen Material für die Bauteile erst entwickelt werden muss.

Weil die Magnete stärkere Magnetfelder erzeugen sollen, mussten die Cern-Spezialisten erst Kabel entwickeln, die das aushalten können. Auch für den Stromtransport von der Steckdose zu den Magneten schufen sie Kabel aus neuen Materialen, in diesem Fall Magnesiumdiborid, einem selbst bei hohen Temperaturen superleitenden Material. Damit kann der Energieverbrauch für den Betrieb der Magnete gedrosselt werden. "Das ist auch für die Industrie interessant", sagt Brüning.

Viele Cern-Erfindungen sind heute Allgemeingut, als Komponenten in Handys, bei diagnostischen Prozessen wie der Computertomografie, in der Halbleiterproduktion und bei der Tumorbehandlung. Und natürlich "die Mutter aller Erfindungen": das am Cern entwickelte World Wide Web, das Internet. Als staatlich finanzierte Organisation stellt das Cern der Gesellschaft Entwicklungen ohne Patent zur Verfügung.

Die neuen Tunnel in 100 Metern Tiefe können nur gebohrt werden, wenn der Beschleuniger still steht. Die Vibrationen der Bohrmaschinen würden die sensiblen Instrumente stören. Deshalb beginnen die Bauarbeiten jetzt schon einmal an der Erdoberfläche, denn der Beschleuniger wird im Dezember für eine zweijährige Routine-Wartung abgeschaltet. 2021 startet er noch mal im "alten" Modus. Ab 2025 sollen alle neuen Kabel, Magneten und Messinstrumente installiert sein, damit der Super-Beschleuniger dann an den Start gehen kann.

(APA/red, Foto: APA/CERN)

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