Brenner Basistunnel könnte als Energieversorger für Innsbruck dienen

22. Februar 2021 - 10:59

Tunnel sind nicht nur unterirdische Verkehrswege, sondern bieten offenbar auch eine Möglichkeit der Erdwärmegewinnung. Das Drainagewasser aus dem Brenner Basistunnel könnte künftig etwa zur Erwärmung und Kühlung eines Teils der Tiroler Landeshauptstadt herangezogen werden. Ein Forschungsverbund unter der Leitung der TU Graz prüft mit Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft FFG das Potenzial und erarbeitet ein entsprechendes Konzept, teilte die TU mit.

Vorteilhafte Rahmenbedingungen durch die Nähe zu Innsbruck
Vorteilhafte Rahmenbedingungen durch die Nähe zu Innsbruck

Erdwärme ist eine unerschöpfliche Energiequelle und die Nutzung zu Heizzwecken mittels Wärmepumpen wird seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich angewendet. Ab Tiefen von zwölf bis 15 Metern herrscht im Erdreich eine übers Jahr gleichmäßige Temperatur von um die zehn Grad. Je tiefer man ins Erdreich geht, desto wärmer wird es. Die im Erdinnern gespeicherte Wärme kann sowohl direkt genutzt werden, etwa zum Heizen und Kühlen (Wärmepumpenheizung), als auch zur Erzeugung von elektrischem Strom oder in einer Kraft-Wärme-Kopplung.

Nutzungspotenzial von Abwasser-Wärme

Statt erst einmal tief zu bohren, kann man die geothermische Energiegewinnung aber auch dort einsetzen, wo man sowieso schon unter der Erde ist: in Tunnels. Über Absorberleitungen in den Tunnelwänden kann dem Boden Wärme entzogen werden. Im Falle eines Tunnels tritt sie in Form von Wasser, das aus den wasserführenden Schichten im Bergmassiv quillt, zutage. Der Forschungsverbund "Thermocluster" will das Nutzungspotenzial der Wärme, die in dem abgeleiteten Tunnelwasser des Brenner Basistunnels steckt, ausloten.

Eine wichtige Voraussetzung für die Nutzung von Geothermie ist die Anwesenheit eines Abnehmers der Energie in der Nähe, um Wärmeverluste gering zu halten. Die Nähe der Stadt Innsbruck dürfte hier im Hinblick auf den Tunnel vorteilhafte Rahmenbedingungen bieten. "Wir untersuchen, ob und wie das Drainagewasser aus dem Brenner Basistunnel zum klimafreundlichen Heizen und Kühlen von Häusern oder einem neuen Stadtteil im Bereich Wilten genutzt werden kann", erklärte Thomas Marcher vom Institut für Felsmechanik und Tunnelbau der TU Graz gegenüber der APA. Geprüft werde auch, ob die gewonnene Energie zum Kühlen der Olympiahalle eingesetzt werden kann. Die Forschenden wollen innerhalb eines Jahres mithilfe von Simulationsmodellen für den Tunnel abschätzen, welche infrastrukturellen Maßnahmen notwendig wären, um die höchste Energieausbeute zu erzielen.

"Wir testen etwa Möglichkeiten, ob und wie wir die Temperatur des Drainagewassers auf ein höheres Niveau bringen können. Eine denkbare Variante sind sogenannte Absorber-Techniken, die an der Tunnelinnenwand verbaut werden und die Gebirgswärme aufnehmen. Darüber hinaus wollen wir klären, wie eine sinnvolle ökonomische Verteilung des Wassers hinein in die Haushalte erfolgen kann und wie die Wärmepumpen und die Wärme geplant oder adaptiert werden müssen", führte Projektkoordinator Thomas Geisler vom Institut für Felsmechanik und Tunnelbau an. Die Ergebnisse sollen der Brenner Basistunnel Gesellschaft (BBT SE) und den Innsbrucker Kommunalbetrieben schließlich als Entscheidungslage für die weitere wirtschaftliche und technische Umsetzung dienen.

Tunnel soll Transitverkehr entlasten

Der geplante, mehr als 60 Kilometer lange Tunnel - zugleich längster Eisenbahntunnel weltweit - soll nach seiner Fertigstellung in rund zehn Jahren für Entlastung im Transitverkehr zwischen Italien und Österreich sorgen. Durch seine Länge und seine Neigung in Richtung Innsbruck fließt das Tunnelwasser ohne zusätzlichen Pumpenaufwand auf die Stadt zu, schilderten die Forscher die natürlichen Vorteile der Tunnelanlage. Unter den beiden Hauptröhren befindet sich ein Erkundungsstollen, der beinahe fertiggestellt ist und über den auch das Drainagewasser der Haupttunnel zukünftig abgeleitet wird. Hier können Konzepte zur Energiegewinnung entwickelt werden, die den Bahnbetrieb nicht behindern, schilderte Marcher.

Bei aller Zuversicht für eine nachhaltige Wärmenutzung gehe es in jedem Fall auch um ein besonnenes Vorgehen, so der Felsmechaniker: "Wir können nur so viel Wärme entziehen, wie der Berg selbst wieder reproduzieren kann, sonst wird die Energiegewinnung langfristig geschmälert." In Stuttgart (Fasanenhof-Tunnel), der Schweiz (Gotthard-Basistunnel) und in Jenbach (Unterinntaltrasse) wird eine ähnliche Form der geothermischen Energiegewinnung bereits umgesetzt. Die Herausforderung für die Ingenieure bleibt trotzdem groß. Unterstützung finden sie von Teams des AIT und der Geologischen Bundesanstalt sowie von Forschern der BOKU. Die notwendigen Daten kommen von der BBT SE und den Innsbrucker Kommunalbetrieben.

Ein wichtiger Aspekt sei die Übertragbarkeit des Konzepts auf andere, auch bestehende Tunnelbauten, so die Grazer Forscher. Das Team wird daher auch untersuchen, mit welchen Technologien aktuelle Tunnelprojekte adaptiert und bestehende Anlagen nachgerüstet werden können.

(APA/red, Foto: APA/BBT SE)

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