Bioökonomie soll Überforderung der Erde stoppen

26. August 2022 - 10:23

"Seit 3,5 Milliarden Jahren wirtschaften alle Lebewesen auf der Erde nach dem gleichen, linearen Prinzip: Man nimmt etwas, verwertet es, und was man nicht mehr braucht, wird weggeschmissen", erklärte der Wiener Bioökonom Martin Greimel der APA am Rande der Technologiegespräche Alpbach. "Bis ins 18. Jahrhundert hat das meist super geklappt, aber jetzt überfordern wir damit den Planeten." Es bräuchte deshalb mehr Kreislaufwirtschaft, was die Bioökonomie-Forschung fördern soll.

"Wertschöpfungskette Wald" soll zur perfekten Kreislaufwirtschaft werden
"Wertschöpfungskette Wald" soll zur perfekten Kreislaufwirtschaft werden

"Derzeit werden nur acht Prozent der Ressourcen weltweit in Kreislaufwirtschaft geführt", sagte Greimel, der das Zentrum für Bioökonomie an der Universität für Bodenkultur Wien leitet: "Es gibt also noch viel Luft nach oben." 100-prozentige Kreislaufwirtschaft wäre aber nie zu erreichen, da zum Beispiel das Sammeln, Trennen, Aufbereiten und neue Erzeugen zu Abnützungen und Verlusten führt. Während der Kreislauf von nicht nachwachsenden Rohstoffen zusätzlich viel hoch konzentrierte Energie benötigt, sind für nachwachsende Rohstoffe nur Sonnenenergie zum Wachsen und Erneuern erforderlich. "Daher ist die Bioökonomie eigentlich das Wirtschaften nach den Naturgesetzen, und sie sollte alle Bereiche des Wirtschaftens erfassen", meinte der Forscher.

Als Vater der Bioökonomie gilt der rumänische Wirtschaftsmathematiker Nicholas Georgescu-Roegen, der in den 1970er Jahren untersuchte, wie Naturgesetze in Wirtschaftsgesetze eingebunden werden könnten. "Das war noch eine sehr abstrakte, akademische Sache, die unter anderem mit dem zweiten Lehrsatz der Thermodynamik und der Entropie (Maß für die Anordnungsmöglichkeiten, Anm.) arbeitete", so Greimel.

Zwei Milliarden Euro Förderung

Kurz nach der Jahrtausendwende griff jedoch die Europäische Kommission das Thema auf, organisierte Konferenzen und beschloss, die Bioökonomie-Forschung mit zwei Milliarden Euro zu fördern, berichtete Greimel, der damals als nationaler Experte in der EU-Kommission das Programm zur wissensbasierten Bioökonomie miterstellt hat. "Damit gab es auf einmal die Möglichkeit, etwa effiziente Verfahren zu entwickeln, um nicht nachwachsende Rohstoffe wie die fossilen Brennstoffe Erdöl und Kohle mit nachwachsenden Alternativen zu ersetzen", erklärte er. Man konnte damit zum Beispiel aus Mais wirtschaftlich Treibstoff herstellen.

Der Fokus auf den technisch-ökonomischen Teil blieb auch in der 2012 veröffentlichten Europäischen Bioökonomie Strategie enthalten und führte zu unerwünschten Nebenwirkungen: Der Mais-Preis stieg von 2006 bis 2013 auf das Vierfache, weil die Bauern vermehrt an die Bioraffinerien-Betreiber verkauften, es kam zu Konflikten und den sogenannten "Tank-Teller-Trog-Debatten", so Greimel. "Es gab deshalb starken Druck auf die Kommission, die Bioökonomie-Strategie zu überarbeiten, und dies hat sie auch gemacht."

In der neuen Bioökonomie-Strategie aus dem Jahre 2018 waren erstmals Umweltaspekte mitberücksichtigt. "Nicht enthalten sind aber weiterhin soziale und ethische Problembereiche", erklärte der Experte. Außerdem wird nicht einbezogen, dass man aus Ressourcengründen nicht alle nicht-nachwachsenden Rohstoffe durch nachwachsende ersetzen kann, weil man dafür die dreifache Fläche benötigen würde, die auf der Erde verfügbar ist, so der Experte: "Die österreichische Bioökonomie-Strategie, die 2019/20 veröffentlicht worden ist, ist wohl die einzige, in der explizit erwähnt ist, dass die Bioökonomie auch wie oben beschrieben gesellschaftspolitische Komponenten hat und diese unbedingt berücksichtigt werden müssen."

Viel Papier, kaum Umsetzung

Damit die Strategie umgesetzt werden kann, müsse sie in gesetzlichen Rahmenbedingungen abgebildet werden, so Greimel. "Das läuft in den skandinavischen Staaten sehr gut, in den anderen Ländern gibt es einen Haufen Papier, aber keine Umsetzung." Österreich ist hier leider auch säumig. "Wir haben die Strategie 2019 veröffentlicht, und es steht sogar darin, dass sofort ein Maßnahmenkatalog folgt. Der ist aber bis heute nur ansatzweise ausgearbeitet", führte Greimel aus.

Bei den Alpbacher Technologiegesprächen stellte Greimel das Projekt "Bioeconomy Austria" vor, das über den Waldfonds vom Landwirtschaftsministerium finanziert wird. "Es dient dazu, anhand der Wertschöpfungskette Wald zu untersuchen, wie man alle nationalen Player aus diesem Bereich zusammenpacken und clustern könnte, um österreichweit koordiniert vorzugehen", erklärte Greimel, "Weil die Bioökonomie so umfassend ist, würde man leicht verloren gehen, wenn man das für alle Bereiche macht, deshalb beschränken wir uns zunächst auf die Wald-Wertschöpfungskette." Die Ergebnisse sollen schließlich als Blaupause dienen, um einen österreichweiten Bioökonomie-Cluster zu etablieren.

(APA/red, Foto: APA/APA (BARBARA GINDL))

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