Big Data soll menschlichen Einfluss sichtbarer machen

24. August 2018 - 10:05

Die neue Datenwelt produziert nicht nur immer neue Anwendungen, laut dem US-Anthropologen und Komplexitätsforscher Stephen Lansing beschleunigen Big Data und Co auch die Veränderung der Biosphäre durch den Menschen. Am Rande der Alpbacher Technologiegespräche plädierte er dafür, die oft beschworenen Segnungen der Digitalisierung auch dazu zu nutzen, über das Wirken des Menschen nachzudenken.

US-Forscher: "Welt verändert sich gerade sehr rasch"
US-Forscher: "Welt verändert sich gerade sehr rasch"

"In der Zukunft werden Leute vor allem von Big Data, Datenanalyse und usw. reden", so Lansing, der in Alpbach an einer Diskussion zum Thema "Die Zukunft ist digital - wie human wird sie sein" teilnimmt, im Gespräch mit der APA. All das wird die Entwicklung des konsumentenorientierten Wirtschaftens, also dem Versuch, Angebote möglichst direkt auf die Wünsche einzelner Kunden abzustimmen, weiter vorantreiben. Dieser stark datengetriebene Ansatz ist sozusagen die neueste Ausprägung der extrem beschleunigten wirtschaftlichen Entwicklung, die im Prinzip seit den 1950er-Jahren anhält.

"Das Problem ist aber, dass wir das nicht mit den Auswirkungen auf die Biosphäre in Verbindung bringen", so der Forscher, der auch am Complexity Science Hub (CSH) in Wien tätig ist. Zwar gebe es seit den Kinderschuh-Tagen von Big Data in den 1990er-Jahren auch Anwendungen, die den Ansatz nutzen, um Entwicklungen der Erde zu analysieren. Zu einer Art Gesamtbild der Veränderung sei man aber eher nicht gelangt.

Mehr Plastik als Fische in den Ozeanen

Vor allem im öffentlichen Bewusstsein wären eher Einzelbefunde verankert. So etwa, dass es um 2050 mehr Plastik als Fische in den Ozeanen geben wird. Die zur Verfügung stehenden Daten müsse man insgesamt stärker dafür nutzen, "um die Auswirkungen des Menschen auf die Welt zu erkennen", betonte Lansing, der bereits Ansätze zur Entwicklung einer Ökologischen Ökonomie auf Basis der Komplexitätsforschung sieht.

Lansing selbst befasst sich zur Zeit u.a. mit Jäger-Sammler-Gesellschaften in Indonesien, den Punan. Erst kürzlich konnte er im Regenwald von Borneo Kontakt zu einer Gruppe herstellen, die in Höhlen lebt. Ungefähr die Hälfte von ihnen war schon in der Stadt, die Gruppe wisse auch über dortige Annehmlichkeiten Bescheid, "aber sie ziehen es vor, nicht in der Stadt zu leben. Sie sind trotzdem sehr gesund und glücklich", sagte Lansing, der an der Nanyang Technological University in Singapur das Institut für Komplexitätsforschung leitet. Das sei sehr interessant, vor allem, wenn man aus einer Gesellschaft kommt, die die Vorzüge eines neuen Smartphones über vieles andere stelle.

Die Gruppe lebe sozusagen knapp jenseits der Grenze zur modernen Gesellschaft in den wenigen verbliebenden naturbelassenen Wäldern Borneos. Aber auch hier seien die Auswirkungen der rohstoffhungrigen Zivilisation schon deutlich spürbar. Die Jäger und Sammler tun sich immer schwerer Nahrung zu finden, weil sich Palmölplantagen in dem Territorium ausbreiten. Die extrem hohe Biodiversität Borneos gehe dadurch zunehmend verloren, erläuterte Lansing. Die ersten, die das bemerken, seien die Punan, für die es in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren keinen Lebensraum mehr geben wird, wenn die Entwicklung so weiter gehe.

Wirtschaftliche Ausbreitung nahe am Limit

Dieses Beispiel zeige anschaulich, dass "wir mehr Aufmerksamkeit auf die Konsequenzen unseres Handelns lenken müssen". In Borneo und den gesamten Tropen zeige sich, wie nahe am Limit die wirtschaftliche Ausbreitung bereits sei, "im schönen Österreich sieht man das nicht so stark", sagte Lansing.

Auch die Wissenschaft sei daher gefragt, solch komplexe Zusammenhänge stärker aufzudecken, zu erklären und verständlich darzustellen. "Wir müssen hier das Bewusstsein erhöhen. Die Welt verändert sich gerade nämlich sehr rasch und es gibt hier viel zu lernen", betonte der Forscher, der hofft, dass der Prozess des Klügerwerdens Fahrt aufnimmt, bevor "große Katastrophen passieren".

Mit Hilfe neuer, datengetriebener Forschungszugänge könne man den Fußabdruck des Menschen nämlich auch reduzieren. So haben Lansing und Kollegen kürzlich gezeigt, dass alleine durch Änderungen im zeitlichen Ablauf des Reisanbaus auf Bali die Emissionen des Treibhausgases Methan auf den Feldern zwischen 60 und 70 Prozent reduziert werden können. "Mit kleinen Veränderungen kann man durchaus große Effekte erzielen. Es gibt kluge Lösungen für viele menschgemachte Probleme", meinte der Forscher.

(APA/red, Foto: APA/APA (AFP))

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