16.7.2024, 12:46 Uhr

Auch auf Exoplaneten geht es am Abend heiß her

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Der Exoplanet WASP 39b ist ein heißer Gasriese, der rund 700 Lichtjahre von unserer Erde entfernt seinen sonnenähnlichen Stern umkreist. Ein internationales Forscherteam versucht mit Unterstützung des Grazer Instituts für Weltraumforschung (IWF) der ÖAW mehr über sein Klima zu erfahren. So ist die Abendatmosphäre um etwa 200 Grad Celsius heißer als die Morgenatmosphäre, wie jüngste Auswertungen von Daten des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) zeigten.

WASP 39b umkreist seinen sonnenähnlichen Stern alle vier Tage und ist für das James-Webb-Weltraumteleskop gut sichtbar. Mithilfe der Daten des JWST wurde nun bestätigt, was zuvor nur durch Modelle vorhergesagt werden konnte: Der Exoplanet zeigt sich am Abend rund 200 Grad Celsius heißer als am Morgen.

Die Forschenden gehen von einer unterschiedlichen Wolkenbedeckung aus, wobei die Morgenseite wahrscheinlich bewölkter ist als der Abend. Die jüngsten Auswertungen der Beobachtungen mit dem JWST wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature Astronomy" veröffentlicht. Forschende des Grazer IWF der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) unterstützten die Datenauswertung mit ihren Klima- und Wolkenmodellen.

Benchmark bei Untersuchung von Exoplaneten-Atmosphäre

Die Wissenschafter haben mithilfe des Weltraumteleskops Planeten-Transits von WASP 39b beobachtet, wie die ÖAW informierte. Bei solchen Transits zieht der Planet in einer Art Mini-Sternenfinsternis vor seinem Heimatstern vorbei und schwächt - aus der Perspektive des Teleskops - dessen Licht dabei leicht ab. "WASP 39b ist zu einer Art Benchmark-Planet bei der Untersuchung der Atmosphäre von Exoplaneten mit Webb geworden", hob Néstor Espinoza, Hauptautor der Publikation und Exoplanetenforscher am Space Telescope Science Institute in Baltimore (USA) hervor: "Er hat eine aufgeblasene, aufgeblähte Atmosphäre, wodurch das Signal, das vom Sternenlicht kommt und durch die Atmosphäre des Planeten gefiltert wird, ziemlich stark ist."

Unmittelbar vor und nach einer vollständigen Abdeckung (Totalität) gibt es auch immer eine partielle Finsternis, bei der sich vorzugsweise die rechte bzw. linke Hälfte des Exoplaneten vor dem Stern befindet. Dieser Zeitraum, in dem die dichte Atmosphäre der Morgen- bzw. Abendseite von WASP 39b quasi "durchleuchtet" wird, war für die Forschenden besonders interessant: Die Atmosphäre hinterlässt ihren chemischen "Fingerabdruck" im gemessenen Lichtspektrum des Sterns, die auf seine chemische Zusammensetzung schließen lässt. Nun gelang es erstmals mit einem Weltraumteleskop die Zusammensetzung der Atmosphäre auf der Morgen- und Abendseite eines Exoplaneten separat aufzulösen.

Deutliche Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung

Dabei offenbarten sich deutliche Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung von WASP 39b: Die Morgenseite zeigt weniger CO2 als die Abendseite. Die detaillierten 3D-Klima-Wolken-Modelle des IWF legen laut den Grazer Forschenden nahe, dass die unterschiedlichen CO2-Werte von einer - im Vergleich zur Abendseite - stärker bewölkten Morgenseite herrühren könnte, die dadurch etwa 200 Grad Celsius kühler ist: So herrschen etwa 600 Grad Celsius am Morgen und 800 Grad Celsius in der Abendatmosphäre.

Ludmila Carone, die der Exoplanetengruppe von IWF-Direktorin Christiane Helling angehört, hat diese "Wolkenasymmetrie" für WASP 39b bereits 2023 vorhergesagt. "Das ist natürlich ein großer Erfolg für uns", so Carone. "Es ist sehr zeitaufwendig, solche 3D-Klima-Modelle zu bauen und sie dann auch noch mit einem vollständigen Wolkenmodell zu verbinden. Aber diese und weitere Messungen zeigen, dass sich der Aufwand gelohnt hat."

Methan fehlt sowohl auf der Abend- wie auch Morgenseite

Im Gegenzug ließen die Chemie-Modelle aber auch darauf schließen, dass die Morgenseite von WASP 39b grundsätzlich kühl genug sein sollte, um im Vergleich zur Abendseite sehr viel Methan zu bilden. Die Daten zeigten aber, dass Methan sowohl auf der Abend- wie auch Morgenseite fehlt. Eine Ursache könnte laut IWF die sehr dynamische Atmosphäre sein, in der ein gewaltiger Atmosphärenjet mit mehr als 4.000 km/h von der heißeren Abendseite über die Nachtseite auf die Morgenseite und wieder zurückströmt und dabei die Methanproduktion in den kühleren Bereichen unterdrückt. Zudem könnte auch eine vertikale Durchmischung mit tieferen, heißen Atmosphären-Schichten die Methanproduktion grundsätzlich überall auf dem Planeten reduzieren. Aktuell wird noch untersucht, welcher dynamische Effekt dabei wie stark ist.

Das James-Webb-Weltraumteleskop sammelt in einer Entfernung von 1,5 Millionen Kilometern geringste Mengen an infrarotem Licht und leitet es an höchstpräzise Messinstrumente weiter. Dem IWF ermöglicht das Teleskop, die Klima- und Wetterverhältnisse auf extrasolaren Planeten zu verstehen. Die physikalische Interpretation dieser Beobachtungsdaten forciert die Weiterentwicklung von komplexen Computermodellen.

Service: N. Espinoza, M. E. Steinrueck, J. Kirk, et al.: Inhomogeneous terminators on the exoplanet WASP-39 b https://www.nature.com/articles/s41586-024-07768-4

APA/red Foto: APA/NASA, ESA, CSA, Ralf Crawford