Ars Electronica - Expertin Bria: Radikale und zukunftsgewandte Ideen

11. September 2020 - 5:05

Smart Cities und Green Deal sind in aller Munde - was die Städte wirklich brauchen, Modelle für eine CO2-neutrale Zukunft und was Technik dafür leisten kann, erläuterte Informatikerin Francesca Bria im APA-Gespräch. Sie ist Präsidentin des Italienischen National Innovation Fund, Beraterin der UN für digitale Städte und Rechte und nahm an einem Online-Panel des Ars Electronica Festival 2020 teil.

Barcelona als Beispiel für Veränderungen, die ein Stadt "grün" machen
Barcelona als Beispiel für Veränderungen, die ein Stadt "grün" machen

In ihrem Vortrag beim Starts Talk: "Art and Tech for urban Resilience", sprach Bria davon, dass Europa eine "weltweite Referenz werden muss für eine nachhaltige und demokratische Digitalisierung." Der europäische Green Deal und die Digitalstrategie sollen zusammengeführt und der Europäische Wiederaufbaufonds genutzt werden, um die Städte grüner zu machen und innovative Projekte an der Schnittstelle von Wissenschaft, Technologie und Kunst zu entwickeln. Man müsse sich vom Gedanken verabschieden, dass Technologie alle Probleme lösen könne. "Stattdessen ist es notwendig von den wirklichen Bedürfnissen der Bürger auszugehen", sagte die italienische Informatikerin und Beraterin für digitale Strategie, Technologie und Informationspolitik.

Wo die Technik den Menschen dient

Smart City bedeute, eine Stadt der Zukunft zu entwerfen, in der die Technik den Menschen diene, angefangen von den großen Umweltfragen und sozialen Herausforderungen, denen die Städte sich stellen müssen, und in der die Bürger aktiv an diesem Prozess teilnehmen. In der Nach-Coronazeit könnten Städte ein Motor der Veränderung und ein echtes Labor für demokratische Innovation und Nachhaltigkeit sein.

Das heurige Ars Electronica Festival lasse Künstler, Kreative, Politikmacher und Techniker zu den brennendsten Fragen unserer Zeit zu Wort kommen: "Was ist nach der Pandemie zu tun, um die aktuelle multiple Krise zu bekämpfen: Umwelt- und Klimakrise, Gesundheitskrise und Wirtschaftskrise. Das gibt uns auch die Chance, eine neue Richtung für unsere Gesellschaft einzuschlagen. Wir brauchen radikale und zukunftsgewandte Ideen und Projekte, die das Potenzial haben, unsere Wirtschaft und Gesellschaft zu verändern, uns in eine digitale, demokratische und CO2-neutrale Zukunft zu projektieren. Wir müssen ein neues Modell für die europäische technologische Souveränität anstoßen, einen digitalen Humanismus, der dem ökologischen Wandel dient."

Die größte Herausforderung, der die Menschheit gegenüberstehe, sei die Klimakrise. "Wir müssen die Luft reinigen, Umweltverschmutzung bekämpfen, die Wirtschaft entkarbonisieren und eine neue Beziehung zur Natur herstellen". Die Stadt Mailand plane etwa 20 neue Parks anzulegen und 20.000 neue Bäume zu pflanzen, 100.000 im großstädtischen Gebiet innerhalb des Jahres. "Die digitale Transformation, wie ich sie mir wünsche, wird Bürger und die Öffentlichkeit befähigen, das Pariser Klimaabkommen 2015 wahr werden zu lassen."

Gefragt nach der größten Verbesserung, die es brauche um eine Stadt "grün" zu machen, nannte Bria Barcelona als Beispiel. Dort war sie vier Jahre lang Chief Digital Technology and Innovation Officer. "Das größte Projekt, das wir ausführten, war im Bereich nachhaltige Mobilität und heißt 'Superillas' (Superblocks). Das sind ganze Bezirke der Stadt, die für den Verkehr gesperrt sind, wo sich 60 Prozent der öffentlichen Räume erholten und in öffentliche Grünflächen umgewandelt wurden, die Hitze reduzieren und CO2 absorbieren." Radwege wurden verdreifacht und der gesamte städtische Fahrzeugbestand ist elektrisch.

Urbanes Leben neu organisieren

Eine Flucht aufs Land wegen der Pandemie sah sie nicht vordringlich. Es werde sehr wichtig sein, das urbane Leben neu zu organisieren, nachhaltige und demokratische Innovationen zu fördern, ohne die soziale Ungleichheit zu verstärken. "Wir werden uns ein dezentrales Modell ausdenken müssen, das Land und Stadt besser integriert", schlug Bria vor. Der Architekt Rem Koolhaas spreche von "smart countryside" für eine nachhaltige Zukunft.

Die Hoheit über die Daten sieht Bria eindeutig bei den Menschen selbst. Es sei absolut notwendig, dass Städte sich selbst mit einer digitalen Infrastruktur ausstatten, die öffentliche Daten zu Elektrizität und Wärmeverbrauch, Mobilität, Wasserverwaltung, Umweltverschmutzung und mehr sammelt. "Diese Daten, wie wir es in Barcelona gemacht haben, werden als Gemeinwohl betrachtet und von den Bürgern kontrolliert und dazu benutzt, die Stadt zu verbessern und Innovationen zu erschaffen mit Respekt vor der Privatsphäre, Sicherheit und digitalen Souveränität der Bürger." Das nennt die Gründerin des Decode-Projekts - einer EU-weiten Initiative zur Rückgewinnung der Datenhoheit der Bürger - "green digital new deal" (grünes digitales neues Abkommen, Anm.). "Das wird auch von der UN-Habitat (Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen) durch ihr globales Programm "people-centered smart cities" begrüßt, das ich berate", sagte Bria.

Service: Ars Electronica Festival "In Kepler's Gardens - eine globale Reise zur Vermessung der 'neuen' Welt", 9. bis 13. September, Programm und Online-Veranstaltungen unter http://ars.electronica.art

(APA/red, Foto: APA/APA (AFP))

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