3.10.2024, 09:30 Uhr

Angewandte: "Ein Change-Prozess ist etwas Schwieriges"

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Seit einem Jahr ist Petra Schaper Rinkel Rektorin der Universität für Angewandte Kunst Wien. Im Nachrichtenmagazin "profil" erhoben in den vergangenen Wochen mehrfach Universitätsangehörige Kritik an ihrer Amtsführung. Von schlechtem Stil und Kommunikationsverweigerung, gar einem "Regime der Angst" war die Rede. Zu Beginn des neuen Studienjahres nehmen die Rektorin und die Vorsitzende des Universitätsrats, Hildegund Amanshauser, in einem gemeinsamen Interview dazu Stellung.

APA: Frau Rektorin, über Ihre Universität wurde zuletzt viel Negatives berichtet. Es gab Kritik an Ihrem Führungsstil, an der Art, wie Sie Veränderungen am Haus vornehmen. Was ist da los an der Angewandten?

Petra Schaper Rinkel: Das Rektorat hat zusammen mit dem Senat letztes Jahr ein Motto entwickelt: "Zukunft öffnen". Das heißt auch, die Universität zu einem Ort zu machen, wo neue Ideen kommen können, wo Menschen eine Weile da sind, aber auch wieder gehen. Das ist aber eine Veränderung. Gute universitäre Praxis ist, dass wir bestimmte Formen von Stellenprofilen haben, die potenziell entfristbar sind, und andere, die befristet sind. Das ist eine Umstellung.

APA: Sie antworten sehr allgemein. Ich fasse das interpretierend zusammen: Es ist nicht verwunderlich, dass es Widerstände gibt, wenn man etwas verändern will. Wollen Sie damit sagen: Kein Grund zur Aufregung!

Schaper Rinkel: Raum für das Neue zu schaffen bedeutet Veränderung, und das ist für uns alle damit verbunden, sich von alten Gepflogenheiten zu trennen. Insofern ist die Aufregung auch klar dabei. Aber wir sind es als Universität gewohnt, und dafür gibt es auch an der Angewandten viele institutionelle Formate, dass Konflikte im Haus miteinander diskutiert werden.

APA: Menschen haben sich aber nach außen gewandt, weil diese Formate offenbar zu wenig genutzt oder als ungenügend empfunden wurden.

Schaper Rinkel: Ich denke, es gibt sie, und sie sind sehr darauf ausgerichtet, nicht Einzelnen sehr viel individuellen Raum zu geben, sondern das Miteinander zu fördern. Ich bin etwa mit beiden Betriebsräten in sehr engem und regelmäßigem Austausch. Mich erstaunt das natürlich schon, wenn ich dann Namen lese, die vorher niemals mit dem Betriebsrat diskutiert wurden. Offenbar haben einige nicht diese Chance ergriffen, dass wir an Universitäten sehr gut funktionierende Mechanismen haben, um institutionell im Gespräch zu sein. Diese gewählten Gremien sind für mich sehr wichtig - und sie haben auch einen direkten Zugang zu mir. Wenn mich der oder die Betriebsratsvorsitzende anruft, dann können sie sich darauf verlassen, dass ich sofort nach meinem nächsten Termin zurückrufe.

APA: Frau Amanshauser, sah sich der Universitätsrat nach den Berichten im "profil" nicht genötigt, aktiv zu werden und moderierend einzugreifen?

Hildegund Amanshauser: Sicherlich. Wir nehmen das sehr ernst. Wir nehmen das auch sehr wahr. Die Frage war nur: Wie kommunizieren wir nach außen? Ich bin mir nicht sicher, ob die Öffentlichkeit tatsächlich weiß, welche Kompetenz und welche Aufgabe ein Unirat hat. Unsere Aufgabe ist es, intern Fragen zu stellen und uns ein Bild zu machen. Der Universitätsrat ist im Wesentlichen ein Kontrollorgan, das sich um das Budget, den Entwicklungsplan, Zielvereinbarungen und solche Dinge kümmert. Wir sind einig darüber, im Hintergrund zu agieren, was solche Konflikte in einem Change-Prozess anbelangt.

APA: Dass Sie nicht in der Öffentlichkeit agiert haben, ist aufgefallen. Aber was haben Sie nun tatsächlich getan?

Amanshauser: Wir haben mit den verschiedenen Playern und Betroffenen gesprochen. Mein genereller Eindruck ist, dass ein Change-Prozess etwas Schwieriges ist, das habe ich selbst in meiner beruflichen Laufbahn immer wieder erlebt. Das ist eine Herausforderung für die ganze Universität. Was wir tun können, machen wir, aber ich bitte um Verständnis, dass ich das nicht mit Ihnen besprechen möchte.

APA: Eine Universität ist kein Geheimbund. Wenn es Konflikte gibt, die in die Öffentlichkeit getragen werden, hat die Öffentlichkeit auch ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, wie man mit ihnen umgeht.

Amanshauser: Wir beschäftigen uns sehr intensiv damit - auch in den sogenannten Ferien.

Schaper Rinkel: Wir haben mittlerweile auch neue Formate entwickelt, die abseits der bestehenden Gremien unmittelbarer und direkter wirken. Wir hatten am Dienstagnachmittag ein Get-together, bei denen die neuen Professorinnen und Professoren ihre Kolleginnen und Kollegen, die Bereichsleitung aus Planung und Verwaltung und die Betriebsräte kennengelernt haben. Ein anderes Format ist ein universitätsweites Meet and Greet einmal im Monat, wo Menschen über diese formale Gremienstruktur hinaus einander in der wunderschönen Mensa treffen können - und auch mit mir in direkten Austausch treten können. Am Freitag ist der erste Termin.

APA: In den kommenden Wochen wird das Uni-Globalbudget 2025-2027 aufgeteilt. Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie in den Verhandlungen über die Verteilung des Kuchens mehr als ein paar zusätzliche Brösel für die Angewandte herausholen können?

Amanshauser: Ich denke, das Rektorat hat im Entwicklungsplan zwei wesentliche Punkte vorgeschlagen, ein Werkstättenhaus und ein KI-Zentrum. Meine Einschätzung ist, dass wir dadurch gute Chancen haben, weil wir wirklich auf der Höhe der Zeit sind. Wie das Rektorat diese Verbindung von digitaler mit materieller Kultur aufgesetzt hat, finde ich höchst spannend.

Schaper Rinkel: Der Entwicklungsplan wurde letztes Jahr beschlossen und auch die Verhandlungen um die Leistungsvereinbarungen sind weit fortgeschritten. Beide Vorhaben, das Werkstättenhaus und das KI-Zentrum, wären Vorhaben, die nicht nur für die Angewandte selbst, sondern auch für die österreichische Universitätslandschaft etwas ganz Besonderes sind.

APA: Lässt sich dafür schon eine finanzielle Größenordnung beziffern?

Schaper Rinkel: Da will ich den Verhandlungen nicht vorgreifen. Ein Forschungsprogramm zwischen den Künsten, allen Designdisziplinen und den Werkstätten experimentell und partizipativ zu entwickeln - da muss klar sein, dass das große Vorhaben sind. Wie groß sie sein werden, dazu können aber wir im Moment nichts sagen. Aber sie sollen groß werden! Das Faszinierende heute ist ja ein ganz hohes Interesse an Algorithmen und an der Arbeit mit KI einerseits, aber auch ein ebenso starkes Interesse, wieder etwas mit den Händen zu machen - über alle Materialien hinweg. In diesem doppelten Interesse der Studierenden und der Tradition der Angewandten liegt eine Stärke und Besonderheit, die keine andere Universität hat. Wir sind in einer Dynamik, aus der etwas ganz Neues entstehen wird.

APA: Die Tradition der Angewandten unter Ihrem Vorgänger Gerald Bast war es, immer Flagge zu zeigen und sich in gesellschaftlichen und politischen Debatten aktiv einzubringen. Was sehen Sie angesichts des Wahlsiegs einer Partei, deren Protagonisten eine gewisse Wissenschaftsskepsis nicht ganz fremd ist, auf die freie Kunst und die freie Lehre zukommen?

Amanshauser: Ich bin prinzipiell jemand, der sich nicht schon vorauseilend fürchtet und hoffe daher, dass wir eine gute Regierung und einen guten Wissenschaftsminister oder eine gute Wissenschaftsministerin bekommen werden, mit denen wir einen Weg finden werden, die wichtige Arbeit der Angewandten fortzusetzen.

Schaper Rinkel: Ich sehe das genauso. Man muss schon auch sehen: Die klare Mehrheit hat Parteien gewählt, für die Wissenschaftsfreiheit und Freiheit der Kunst ein Selbstverständlichkeit sind. Beides ist für die Angewandte essenziell.

APA: Wie bilanzieren Sie selbst Ihr erstes Jahr? Ist an der Kritik was dran? Hätten Sie etwas besser machen können?

Schaper Rinkel: Ich denke, die visionären Projekte, die vor einem Jahr noch sehr abstrakt waren, auf einen bestimmten Boden der Realität zu bringen, das ist uns allen gemeinsam hervorragend gelungen. Ich habe mich angesichts meines begrenzten Zeitbudgets stark darauf konzentriert, Vertreter der institutionellen Mechanismen kennenzulernen und mit ihnen ein gutes Verhältnis aufzubauen - da gibt es auch niemanden in den Medienberichten, der oder die Gegenteiliges sagen würde. Diejenigen, die sich zu Wort gemeldet haben, sind Menschen, die seit gestern nicht mehr am Haus sind. Ihnen ihre Abschiede kommunikativ gut zu vermitteln - das ist nicht gelungen.

APA: Abseits von Namen: Kritik gab es etwa an der Abschaffung des psychosozialen Dienstes am Haus. Da wurde ein neues Betreuungskonzept angekündigt. Wie sieht's damit aus?

Schaper Rinkel: Für mich ist es etwas ganz Wesentliches, dass es mit der österreichweiten Psychologischen Studierendenberatung am Ministerium ein herausragendes Angebot gibt. Es ist wichtig, Zugänge zu dieser hochprofessionellen Arbeit zu schaffen.

APA: Das klingt danach, dass Ihr Eindruck ist, dass das bisher am Haus semiprofessionell passiert ist?

Schaper Rinkel: Ja. In aller Eindeutigkeit.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

ZUR PERSON: Die deutsche Politikwissenschaftlerin und Innovationsforscherin Petra Schaper Rinkel (58) ist seit 1. Oktober 2023 Rektorin der Universität für angewandte Kunst Wien. Zuvor war sie Vizerektorin für Digitalisierung und Internationalisierung sowie Professorin für Wissenschafts- und Technikforschung an der Universität Graz. Die österreichische Kunsthistorikerin, Kuratorin, Autorin und ehemalige Direktorin des Salzburger Kunstvereins Hildegund Amanshauser (69) ist 2023 bis 2028 Vorsitzende des Universitätsrates der Universität für angewandte Kunst Wien.

APA/red Foto: APA/APA/EVA MANHART/EVA MANHART