Aktive Immunisierung gegen Karzinom-Subtypen in Entwicklung

20. März 2023 - 9:41

Monoklonale Antikörper werden häufig bei Karzinomerkrankungen eingesetzt. "Klassisch" geworden ist das Medikament Trastuzumab bei sogenanntem HER2-positivem Brustkrebs. Die Wiener Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt und Christoph Zielinski (Onkologe) haben hingegen ein Konzept einer aktiven Immunisierung gegen HER2 erfunden. Das australische Biotech-Unternehmen Imugene führt die weitere klinische Entwicklung durch. Es gibt Studienerfolge.

Immunisierung gegen HER2-positive Karzinome (Symbolbild)
Immunisierung gegen HER2-positive Karzinome (Symbolbild)

Diese Meldung wurde korrigiert: Der Name des australischen Biotech-Unternehmens heißt richtig IMUGENE (nicht: Immungene bzw. Immugene)

HER2-positive Karzinome galten ehemals als besonders gefährlich. Sie tragen an ihrer Oberfläche den Wachstumsfaktor-Rezeptor HER2/neu, was zu einem schnelleren Wachstum von Tumoren führt. "HER2 wird auf vielen epithelialen Tumoren bei Brust-, Magen-, Speiseröhren-, Eierstock-, Dickdarm und Rektum- sowie Lungenkrebs verstärkt exprimiert. Das ist mit einer aggressiven Karzinomform und schlechten Behandlungsergebnissen bei Patienten verbunden", schrieben Ursula Wiedermann-Schmidt (MedUni Wien) und ihre Co-Autoren, unter ihnen der Wiener Onkologe Christoph Zielinski, in einer wissenschaftlichen Publikation mit ersten Daten zu dem Projekt (Phase Ib klinische Studien) in der Zeitschrift "Clinical Cancer Research" (Amerikanische Gesellschaft für Krebsforschung; AACR).

In den vergangenen 20 Jahren hat sich immer mehr herausgestellt, dass sich ein erheblicher Anteil von Krebserkrankungen - egal, welche Organe sie betreffen - durch gleiche genetische Charakteristika auszeichnet. Das trifft auch auf das HER2-Merkmal zu. In Österreich leiden etwa 15 Prozent der Brustkrebspatientinnen an einem HER2-positiven Karzinom, weltweit wird dieses Merkmal aber auch bei sieben bis 34 Prozent von Karzinomen des Magens oder der Speiseröhre (Ösophagus) festgestellt. Das führt auch dazu, dass zum Beispiel der gegen HER2 gerichtete monoklonale Antikörper Trastuzumab eben bei genau diesen Erkrankungen sowohl zum Beispiel bei Brustkrebs als auch bei anderen Tumoren mit diesem Charakteristikum eingesetzt werden kann.

Das Projekt von Imugene, dem australischen Biotech-Unternehmen, soll sprichwörtlich anders herum funktionieren. Vakzinologin Ursula Wiedermann-Schmidt: "Monoklonale Antikörper sind sozusagen eine passive Immunisierung. Wir wollen hingegen eine aktive Immunisierung (sprich: Impfung; Anm.), zur Behandlung solcher Krebsformen entwickeln." Trastuzumab und ähnliche Medikamente auf diesem Gebiet müssen für eine Wirkung regelmäßig und über einen langen Zeitraum verabreicht werden. Sie werden hoch dosiert verwendet, was auch potenziell schwere Nebenwirkungen verursachen kann. Auch eine Resistenzbildung ist möglich.

Die Vakzinologin und der Onkologe erfanden bereits vor einigen Jahren das Konzept der HER2-Impfung. Imugene kaufte schließlich das Patent für die weitere klinische Entwicklung. "Der HER2-Vaxx-Impfstoff soll B-Zellen der Patienten zur Produktion von Antikörpern gegen HER2 veranlassen", sagte die Expertin. Das bedeutet, dass das Immunsystem der Geimpften selbst die Antikörper herstellt, die einen ähnlichen Effekt wie Trastuzumab bewirken sollen. Infolge einer Impfung sollte das auch längerfristig und durch die naturgemäß geringere "Dosierung" der körpereigenen Antikörper seltener zu Nebenwirkungen führen.

Vakzine besteht aus drei Eiweißbruchstücken

Die therapeutische Vakzine besteht aus drei Eiweißbruchstücken (sogenannte B-Zell-Peptid-Epitope), die an ein Trägerprotein (Diphtherie-Toxoid) gebunden (konjugiert) sind. Hinzu kommt ein Adjuvans (Montanide), das die Immunantwort insgesamt verstärken soll. Weil aufgrund der Impfung keine monoklonalen Antikörper, sondern Antikörper gegen drei verschiedene Anteile des HER2-Rezeptors gebildet werden, soll diese Immuntherapie breiter wirken. Die Vakzinologin, Leiterin des Zentrums für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien: "In meinem Labor haben wir auch die aktuelle Formulierung dieses Impfstoffes entwickelt." Für die hinter dem Konzept stehende sogenannte Mimotop-Plattform besitzen das Labor von Wiedermann-Schmidt und die MedUni Wien das Patent. Auf dieser Basis könnten noch andere Krebsvakzine entwickelt werden.

Bei einem Symposium der Amerikanischen Gesellschaft für Klinische Onkologie (ASCO) - eine Übersichtsarbeit über die Prinzipien der präklinischen Entwicklung der Vakzine erschien Ende 2022 in "Frontiers of Oncology" (DOI: 10.3389/fonc.2022.939356) - wurden vergangenes Jahr die Ergebnisse einer Studie der Phase II mit der Vakzine bei HER2-positiven Karzinomen des Magens bzw. der Speiseröhre präsentiert. 36 Patienten waren an Klinikzentren in Osteuropa und in Indien, wo keine Trastuzumab-Therapie zur Verfügung stand, in die Untersuchung aufgenommen worden.

Etwa die Hälfte der Probanden erhielt 50 oder hundert Mikrogramm der Vakzine pro Dosis (drei Impfungen, dann alle zwei Monate eine weitere) und eine sechsmalige Chemotherapie alle drei Wochen. Die andere Hälfte der Erkrankten bekam allein die Chemotherapie. Wiedermann-Schmidt: "In der Gruppe der Patienten mit der Impfung betrug die mittlere Überlebenszeit 14 Monate, in der Gruppe der Patienten mit Chemotherapie allein 8,3 Monate." Mit der Impfung wurde ein Ansprechen auf die Behandlung im Mittel über 30 Wochen hinweg im Vergleich zur Chemotherapie allein mit 19 Wochen registriert, wobei die Höhe der Antikörper mit der Reduktion der Tumorgröße korrelierte.

Eine Phase-II-Studie wie diese kann nur Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit geben. Offen sind Ergebnisse aus einer größer angelegten Untersuchung der Phase III (Wirksamkeit, Sicherheit - relevant für eine eventuelle Zulassung durch Arzneimittelbehörden). "Es sieht nach einem positiven Effekt aus", meinte die Vakzinologin bei aller Vorsicht mit solchen Aussagen.

Derzeit läuft bereits eine weitere Untersuchung, in denen eine Kombination des Impfstoffs mit anderen Immuntherapien bzw. mit Chemotherapie erprobt wird. Die Impfung wird dabei an den Tagen 1, 15, 29 sowie 57 - danach alle 63 Tage - verabreicht. Hier stehen die Ergebnisse noch aus.

(APA/red, Foto: APA/GEORG HOCHMUTH)

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