Ärztemangel - Grüne gegen Nehammers Berufspflicht-Vorschlag

14. März 2023 - 12:59

ÖVP-Chef Karl Nehammer stößt nicht nur mit seiner Klimakrisen-Skepsis auf Widerstand der Grünen. Auch der Vorschlag, angesichts des Kassenärztemangels eine Berufspflicht für Absolventen des Medizinstudiums in Österreich einzuführen, wird vom kleinen Koalitionspartner abgelehnt. Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner plädierte am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal" stattdessen dafür, den Beruf zu attraktivieren - etwa durch den geplanten Ausbau der Primärversorgungszentren.

Bundeskanzler Nehammer hat eine Vision
Bundeskanzler Nehammer hat eine Vision

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Neu: Stellungnahme Minister Rauch (Lead, 4. und 5. Absatz), Ärztekammer (7. Absatz)

Nehammer hatte in seiner Rede "zur Zukunft der Nation" am Freitag davon gesprochen, dass man 800 zusätzliche Kassenärzte bis 2030 brauchen werde, um die Versorgung in Stadt und Land tatsächlich sicherstellen zu können. Er sprach sich daher für mehr Studienplätze, aber eben auch für die Berufspflicht aus. Jene, die das Medizinstudium in Österreich abschließen, sollten "dann eben auch der Gesellschaft ein Stück weit etwas von dem zurückzugeben, was sie kostenlos in Anspruch genommen haben". Denn, so der Kanzler: Sowohl deutsche Absolventen in Österreich als auch österreichische Absolventen in Deutschland blieben lieber dort: "Das ist eine Entwicklung, die nicht vernünftig ist."

Für wie lange diese Pflicht gelten soll, ging aus Nehammers Rede und auch dem dazu verteilten ÖVP-Papier nicht hervor. Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) wusste da am Dienstag schon mehr und sprach in einer Aussendung von fünf Jahren. "Wir investieren in jeden Medizinstudenten 360.000 Euro. Deshalb halte ich die vorgeschlagene Verpflichtung von Medizinstudenten, fünf Jahre in Österreich praktizieren zu müssen, für einen wichtigen Vorschlag", erklärte sie.

Grüne wollen lieber Gesamtsituation in Gesundheitsberufen verbessern

Bei den Grünen will man davon nichts wissen, und zwar weder auf Regierungsebene noch im Parlamentsklub. "Eine Verpflichtung für Absolvent:innen des Medizinstudiums, in Österreich tätig zu werden, löst nach unserer Einschätzung diese Probleme nicht", erklärte Gesundheitsminister Rauch: "Nur wenn Menschen ihren Beruf freiwillig und mit Freude ergreifen, werden sie ihn auch langfristig ausüben. Nur das bringt eine dauerhafte Entlastung für das bestehende Personal, das schon seit langer Zeit an seiner Belastungsgrenze arbeitet. Wenn Ärzt:innen nach Ablaufen einer Verpflichtung Österreich verlassen, ist das Problem nicht gelöst, sondern nur zeitlich verschoben."

Um Stellen mit Kassenvertrag und in bestimmten Mangelfächern attraktiver zu gestalten, setze das Gesundheitsministerium eine Reihe von Verbesserungen um, wurde betont. Die Zahl der Primärversorgungseinrichtungen werde bis 2025 verdreifacht. Dort entstünden Arbeitsplätze im Kassenbereich mit attraktiven Arbeitsbedingungen für junge Ärztinnen und Ärzte. Die Einführung des Facharztes bzw. der Fachärztin für Allgemein- und Familienmedizin werde dieses Fach ebenfalls attraktiver machen. Rauch unterstrich auch, dass Österreich im internationalen Vergleich über eine hohe Dichte verfüge, es mangle also nicht generell an Ärzten. Ein Mangel existiere aber in bestimmten Bereichen, etwa bei Kassenstellen in bestimmten Regionen oder Fächern.

Ähnlich hatte sich zuvor schon Grünen-Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner geäußert. Er plädierte im Ö1-"Morgenjournal" ebenfalls dafür, den Beruf zu attraktivieren - etwa durch den geplanten Ausbau der Primärversorgungszentren. Auch für Medizinstipendien sprach er sich aus. Studierende bekommen bei diesem Modell ihr Studium finanziert, verpflichten sich im Gegenzug aber freiwillig, später eine gewisse Zeit als Kassenarzt oder im Spital zu arbeiten.

Kritik von Ärztekammer

Von der Ärztekammer hatte es bereits vergangene Woche eine Absage an Nehammer gesetzt. "Zwangsverpflichtungen in jeder Form lehnen wir ab", sagte Harald Mayer, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, als Reaktion auf die Rede des ÖVP-Obmanns: "Wir müssen vielmehr danach trachten, dass wir jene, die bei uns ausgebildet werden, mit attraktiven Angeboten in Österreich halten. Ohne Zwang. Zwang ist leistungshemmend."

Europarechtlich wäre eine allgemeine und österreichweite Berufspflicht jedenfalls möglich, erklärte EU-Rechtsexperte Walter Obwexer von der Uni Innsbruck im "Morgenjournal".

(APA/red, Foto: APA/APA/ROLAND SCHLAGER/ROLAND SCHLAGER)

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