Adapter bringt Immunzellen zum Zerstören zu Krebs

15. Oktober 2021 - 7:41

Ein Adapter mit zwei Greifarmen bringt Immunzellen zu Krebszellen und zerstört sie. Solche "BiTE" (Bi-specific T-cell engagers) Wirkstoffe haben sich schon gegen Blutkrebs bewährt und sollen auch etwa bei Lungen- und Prostatakrebs eingesetzt werden, berichteten Forscher Donnerstagabend in Wien vor Journalisten. Besonders effektiv wären sie bei der Nachbehandlung von Krebspatienten, um Rückfälle zu vermeiden.

T-Zellen von Patienten können gentechnisch so verändert werden, dass sie Krebszellen ohne Adapter erkennen
T-Zellen von Patienten können gentechnisch so verändert werden, dass sie Krebszellen ohne Adapter erkennen

"BiTE" Wirkstoffe haben zwei verschiedene Bindungsarme: Einer hält die Krebszelle fest, der andere dockt an einer Immunzelle (T-Zelle) an und aktiviert ihren Hauptschalter, damit sie die Krebszelle zerstört, erklärte der Immunologe Peter Kufer von "Amgen Research" in München. Außerdem werden die T-Zellen angeregt, sich zu vermehren. Ein solch ein Wirkstoff ist "Blinatumomab". Es wurde 2014 erstmals gegen eine Blutkrebsart namens "akute lymphoblastische B-Zell-Leukämie" zugelassen.

T-Zellen gegen alle Krebszellen scharf machen

"T-Zellen sind die potentesten Abwehrzellen unseres Immunsystems, und wir haben viele Milliarden davon in unserem Körper", sagte Kufer: "Die meisten von ihnen richten sich aber nicht gegen Krebszellen, sondern zum Beispiel gegen von Viren befallene Zellen". BiTE-Wirkstoffe sind wie ein Adapter, mit dem man sie quasi alle gegen Krebszellen scharf macht. Damit könne man die Patienten behandeln, bis sie praktisch krebsfrei sind. Jüngst hätten klinische Studien gezeigt, dass das Wirkprinzip nicht nur gegen Blutkrebserkrankungen, sondern auch bei den viel häufigeren "soliden Tumoren", also etwa bei Prostata- und Lungenkrebs funktioniert, so Kufer.

Außerdem könne man T-Zellen von Patienten gentechnisch so verändern, dass sie Krebszellen ohne zusätzlichen Adapter erkennen, erklärte Ulrich Jäger von der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie der Medizinischen Universität Wien. Diese "CAR-Ts" (Chimeric antigen receptor T-cells) tragen den Krebszellen-Greifer (Antigenrezeptor) selber an der Oberfläche, und wurden somit "künstlich auf den Krebs abgerichtet".

Die Therapie mit den BiTE Adaptern könne bei einer Krebsdiagnose sofort angewendet werden, müsse aber regelmäßig wiederholt werden, sagte Jäger. CAR-Ts werden für jeden Patienten eigens angefertigt, und es sei deshalb eine Vorlaufzeit von bis zu vier Wochen einzuplanen. "Das kann für aggressive Tumorerkrankungen als Erstlinientherapie zu lange sein", erklärte er. Dafür bleiben sie, einmal verabreicht, im Körper des Patienten und sind langfristig wirksam.

Therapiekonzepte effektiv gegen Krebsrückfälle

Diese Therapiekonzepte sind bereits im Routineeinsatz, werden aber freilich ständig weiterentwickelt, so Jäger. Die meisten Patienten vertrügen sie gut. Besonders effektiv sind sie, um Krebsrückfälle (Rezidive) zu vermeiden, sagte Kufer: "Leider kommt es häufig vor, dass wenige Tumorzellen trotz erfolgreicher Krebsbehandlung unerkannt im Körper verbleiben und später einen potenziell tödlichen Krebsrückfall verursachen". Diese "Saat" für neue Tumore und Metastasen (Tochtergeschwulste) könne man mit einer "Konsolidierungstherapie" vernichten.

"Das Immunsystem hat im Körper natürlicherweise eine sehr wichtige Rolle bei der Verhinderung von Krebserkrankungen", erklärte Dejan Baltic von der Firma Amgen. "Entartete Zellen entstehen ständig, werden aber in der Regel rasch vom Immunsystem erkannt und vernichtet". Das sei ein normaler Vorgang. "Manchmal können die Krebszellen sich aber dem Zugriff der Immunzellen entziehen, wachsen und gedeihen, und bilden einen Tumor", sagte er. In solch einem Fall könne man das Immunsystem mit solchen "Immuntherapien" auf die Krebszellen aufmerksam machen.

(APA/red, Foto: APA/APA/HELMUT FOHRINGER)

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