Stammzellen: Phantastisches Potenzial, ausbaufähige Fördersituation

23. Februar 2018 - 14:51

Ein "phantastisches Potenzial" bescheinigen Wissenschafter Stammzellen. Klinische Studien zur Behandlung von Krankheiten wie Parkinson würden derzeit beginnen, "in zwei, drei Jahren wissen wir ob es geht", sagte Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien. Allerdings schätzen Experten die heimische Forschungsförderung in diesem Bereich für "ausbaufähig" ein.

Knoblich: "Stammzellen sind ein Perpetuum mobile in der Biologie"
Knoblich: "Stammzellen sind ein Perpetuum mobile in der Biologie"

Am IMBA, eine Einrichtung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), wurde 2016 eine Stammzell-Initiative gestartet. Ausgestattet wurde sie mit 22,5 Mio. Euro vom Bund und der Stadt Wien. Die Mittel wurden IMBA-Chef Josef Penninger 2015 zugesagt, damit er nicht nach Deutschland wechselt.

Mittlerweile arbeiten fünf Gruppen mit insgesamt 43 Wissenschaftern in der von Knoblich koordinierten Initiative, sagte dieser bei einer Pressekonferenz. Zudem gibt es eine Stammzellen-Facility mit elf Mitarbeitern, wo Dienstleistungen auch für externe Forschergruppen angeboten werden. Etwa in Form einer Bank mit 17.000 verschiedenen Stammzell-Klonen, die jeweils eine Mutation in einem Gen tragen.

"Am Rande einer kompletten Revolution"

Knoblich ist überzeugt, "dass wir am Rande einer kompletten Revolution in der biomedizinischen Forschung stehen". Der Grund dafür sei, dass derzeit "vier Technologien zusammenkommen, die das Potenzial haben, die Forschung sehr fundamental zu verändern". So sei es immer leichter, das menschliche Genom komplett zu sequenzieren, "und ich sage vorher, dass in zehn bis 20 Jahren jeder sein Genom kennen wird und dass das eine Routineuntersuchung in einem Krankenhaus sein wird".

Zudem gebe es die Möglichkeit der Reprogrammierung von Zellen zu sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen). Das sind Körperzellen, die in eine Art embryonalen Zustand zurückversetzt wurden und sich wieder in jedes Gewebe verwandeln lassen. Schließlich sei es mittlerweile möglich, das Genom dieser Zellen beliebig zu verändern. "Wir können Mutationen einfügen und damit Krankheiten nachstellen oder in den Zellen Krankheiten heilen", so der Forscher, für den "Stammzellen ein Perpetuum mobile in der Biologie sind, ein unerschöpfliches Repertoire für zelluläre Ersatzteile".

Ein "sehr, sehr langer Weg"

Die immensen Chancen seien mit großen Hoffnungen von Patienten verbunden und als Stammzellforscher werde man oft mit der Frage konfrontiert, wann das in die klinische Reife komme, sagte Frank Edenhofer vom Institut für Molekularbiologie der Universität Innsbruck. "Vieles ist am Weg, aber es ist ein sehr, sehr langer Weg."

Knoblich verweist aber etwa auf Schweden, wo gerade klinische Studien zur Behandlung von Parkinson mit Hilfe von Stammzellen gestartet werden. "Da gibt es Vorversuche an einer sehr kleinen Zahl an Patienten, die extrem gut ausschauen." Er sei bei Prognosen immer sehr vorsichtig, "aber ich würde mit sehr großer Wahrscheinlichkeit vorhersagen, dass wir bei Parkinson oder Augenerkrankungen wie Makuladegeneration eine klinische Anwendung noch sehen werden, solange ich noch Wissenschafter bin."

Österreichische Gesellschaft für Stammzellforschung

Marius Wernig, aus Österreich stammender Stammzellforscher an der Stanford University (USA), sieht die Stammzellforschung in Wien im internationalen Vergleich "deutlich on the map", mit Knoblich und Elly Tanaka vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) seien "zwei Schwergewichte der Stammzellforschung hier tätig". Um die "teilweise sehr fragmentierte Forschung in Österreich" (Edenhofer) besser zu vernetzen, wird im Frühjahr die neue Österreichische Gesellschaft für Stammzellforschung ihre Arbeit aufnehmen.

Verbesserungswürdig sieht Edenhofer die Fördersituation für die "teure" Stammzellforschung, hier sei man "im internationalen Vergleich schlecht aufgestellt". Es gebe viele Projekte, die hervorragend bewertet seien, die aber keine Förderung bekommen.

Zur 22,5-Mio-Euro-Förderung für die IMBA-Stammzell-Initiative sagte Wernig: "Das klingt nach einer großen Zahl, letztlich ist es gar nicht so viel Geld. Wenn man wirklich gescheit etwas bewegen will, ist das eigentlich zu wenig." So habe alleine das Gebäude seines Instituts in Stanford 200 Mio. Euro gekostet.

Dass IMBA-Chef Penninger, wie er Anfang Februar angekündigt hat, nun nach Kanada wechselt, kann Knoblich "durchaus verstehen". Es gäbe das IMBA ohne Penninger nicht, mittlerweile sei das Institut aber sehr stabil. Wie es weitergehe, liege in den Händen der ÖAW.

(APA/red, Foto: APA/APA (Pfarrhofer))

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