Auch die Quantenwelt kehrt irgendwann zum Ausgangszustand zurück

23. Februar 2018 - 10:51

Beobachtet man etwa Gasteilchen bei ihren Bewegungen durch einen Behälter lange genug, kehren sie irgendwann wieder fast genau zu jener Verteilung zurück, die sie am Beginn der Beobachtung eingenommen haben. Dass der von dem Wissenschafter Henri Poincare im 19. Jahrhundert aufgestellte "Wiederkehrsatz" auch für komplexe Quantensysteme gilt, haben nun Wiener Forscher im Fachblatt "Science" gezeigt.

Die Wiederkehr zeigt sich in Interferenz-Mustern
Die Wiederkehr zeigt sich in Interferenz-Mustern

Im Zuge seiner Studien über das Verhalten von Teilchen in komplexen Systemen kam Poincare zu dem überraschenden Schluss, dass sich im Lauf der Zeit jeder physikalisch mögliche Zustand auch einstellt. Das gilt für alle Systeme, in denen sich eine Vielzahl an Teilchen - egal ob das Planeten oder einzelne Atome sind - gegenseitig beeinflussen. Diese sind in der Regel zu kompliziert, um sie genau zu berechnen, heißt es in einer Aussendung der Technischen Universität (TU) Wien.

Zeit klärt Widerspruch

Doch laut dem "Wiederkehrsatz", den der französische Mathematiker, Physiker und Philosoph 1890 formulierte, liegen beispielsweise zwei Gase, die am Anfang eines Experiments getrennt voneinander sind und sich dann vermischen, irgendwann wieder in einer Konfiguration vor, in der sie fast wie am Beginn wieder entmischt sind. Intuitiv widerspricht dies dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, der besagt, dass abgeschlossene Systeme, in denen physikalische Prozesse ablaufen, größter Unordnung zustreben. Die Zeitkomponente bringt den scheinbaren Widerspruch aber wieder in Einklang: Dass sich die beiden Gase im Zuge ihrer Bewegungen irgendwann wieder nahezu trennen ist zwar in kürzeren Zeiträumen unwahrscheinlich, über sehr lange Zeit hinweg allerdings sehr wahrscheinlich.

Ob sich die "Poincaresche Wiederkehr" in irgendeiner Form auch in der Quantenphysik - in der teilweise völlig andere physikalische Gesetze herrschen - zeigt, beschäftigt Forscher bereits seit Jahrzehnten. In der Quantenwelt müsse man Poincares Fragestellung "völlig neu überdenken", so Jörg Schmiedmayer vom Atominstitut der TU Wien. Schließlich lasse sich der Zustand eines großen Quantensystems, das aus vielen Teilchen besteht, prinzipiell niemals perfekt messen. Außerdem könne man die Teilchen nicht unabhängig voneinander betrachten, sondern müsse ihre quantenphysikalische Verschränkung berücksichtigen.

Im Gegensatz zu anderen Ansätzen, bei denen Forscher versuchten, das Verhalten von Quantensystemen mit wenigen Teilchen möglichst gut zu messen, näherte sich das Team um Schmiedmayer und Erstautor Bernhard Rauer dem sich verändernden Zustand des Gesamtsystems indirekt an. Damit umgingen sie das Problem der komplexen Messung, die sich mit jeder Zunahme an Teilchen extrem erhöht, ebenso wie die Zeit, in der mit einer Rückkehr in den Ausgangszustand zu rechnen ist.

Abgekühltes Gas aus tausenden Atomen

"Uns interessiert nicht der vollständige innere Zustand des Systems, denn der ist ohnehin nicht ermittelbar. Stattdessen stellen wir die Frage: Welche beobachtbaren Größen gibt es, die uns etwas über das Gesamtsystem sagen?", so Schmiedmayer. Die Forscher wählten für ihre Untersuchung ein extrem abgekühltes Gas, das aus tausenden Atomen besteht, und von elektromagnetischen Feldern auf einem Chip (Atomchip) festgehalten wurde. Dieser Aufbau erlaubt es den Forschern jene physikalische Größen auszulesen, die Rückschlüsse auf den inneren Zustand des Quantengases zulassen.

So konnte nachgewiesen werden, dass tatsächlich Wiederkehr-Effekte auftreten. Schmiedmayer: "Wir können mit unserem Atomchip sogar beeinflussen, wie lange die Zeitdauer sein soll, bis ein bestimmter Messzustand wiederkehrt." Mit dieser Methode könne man viel über das Zusammenwirken und die gegenseitige Beeinflussung der Atome lernen.

Service: http://dx.doi.org/10.1126/science.aan7938

(APA/red, Foto: APA/TU Wien)

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