Masselose und dennoch langsame Quasiteilchen entdeckt

19. Dezember 2017 - 11:25

Vor zwei Jahren erstmals entdeckte Quasiteilchen konnten Forscher der Rice University in Texas (USA) und der Technischen Universität (TU) Wien in speziellen Materialien nachweisen. In diesen Kristallen bewegen sich diese Quasiteilchen nur sehr langsam, obwohl sie keine Masse haben. Das öffnet die Tür für neue technologische Anwendungen, wie die Forscher nun im Fachjournal "Pnas" berichten.

Sami Dzsaber (l.) und Prof. Silke Bühler-Paschen
Sami Dzsaber (l.) und Prof. Silke Bühler-Paschen

Bereits vor fast 90 Jahren hat der deutsche Mathematiker und Physiker Hermann Weyl (1885-1955) die Existenz exotischer, masseloser Teilchen, sogenannter "Weyl-Fermionen", theoretisch vorhergesagt. 2015 wurden sie schließlich das erste Mal experimentell nachgewiesen. Allerdings nicht als freie Teilchen, die sich beliebig durch den Raum bewegen können, sondern als Quasiteilchen, die nur im Inneren eines Festkörpers existieren.

Quasiteilchen sind quantenmechanische Objekte, die zwar aus einer Vielzahl miteinander wechselwirkender Teilchen bestehen, deren kollektiver Zustand aber so beschrieben wird, als würden sie gemeinsam ein neues Teilchen bilden. Ähnlich wie bei der Ausbreitung einer Wasserwelle sind es dabei nicht die einzelnen Teilchen, die sich fortbewegen. Vielmehr ist es ihre gemeinsame Anregung, die sich in Form einer Welle ausbreitet.

Während sich freie, masselose Teilchen gemäß den Gesetzten der Relativitätstheorie immer mit Lichtgeschwindigkeit bewegen müssen, können masselose Quasiteilchen auch langsamer sein. Als sie die Eigenschaften eines speziellen Kristalls aus den Elementen Cer, Wismut und Palladium untersuchten, haben die Forscher in ihrer aktuellen Studie nun besonders langsame Weyl-Fermionen entdeckt.

Starke Wechselwirkungen

"In der von uns untersuchten Kristallstruktur sind die Elektronen untereinander hoch korreliert und wechselwirken sehr stark miteinander. Dadurch bewegen sich die Weyl-Fermionen extrem langsam", erklärte Mitautorin Silke Bühler-Paschen vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien gegenüber der APA. "So lässt sich der Effekt viel besser kontrollieren." Ihre Geschwindigkeit beträgt mit 1.000 Metern pro Sekunde nur etwa drei Tausendstel Promille der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum.

Das macht der Forscherin zufolge das neue System auch für technologische Anwendungen interessant. Da Weyl-Fermionen im Material kaum gestreut werden, können sie elektrischen Strom fast verlustfrei leiten. Außerdem ist ihr Spin besonders robust, was zu neuen Anwendungen führen könnte, die neben der Ladung auch den Spin von Elektronen für die Datenverarbeitung nutzen.

Und auch auf die Entwicklung von Quantencomputern könnte sich die neue Entdeckung auswirken. "Laut theoretischer Vorhersagen würde Quanteninformation in solchen Materialien global statt lokal verarbeitet", so Bühler-Paschen. "Das könnte in Zukunft fehlertolerantes Quantencomputing ermöglichen." Dazu müsse der Effekt aber zunächst noch auf ein supraleitendes Material übertragen werden.

Service: http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1715851115

(APA/red, Foto: APA/TU Wien)

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