Steuer-Zwang bringt Bürger zum Zahlen - aber kaum zum Nachdenken

17. Mai 2017 - 11:25

Ob eine Steuerbehörde stärker auf Zwang oder die Kraft ihrer Legitimität setzt, hat laut einer Studie von Wiener Psychologen zwar wenig Einfluss auf die Steuerehrlichkeit, die potenziellen Zahler denken aber unterschiedlich intensiv über den Sinn der Abgaben nach. Die Ergebnisse ihrer Studien haben die Wissenschafter nun im Fachjournal "Social Cognitive and Affective Neuroscience" veröffentlicht.

An der Uni Wien ist die Steuerpsychologie ein langjähriger Schwerpunkt
An der Uni Wien ist die Steuerpsychologie ein langjähriger Schwerpunkt

Wirtschafts- und Neuropsychologen der Universität Wien gingen in zwei Experimenten der Frage nach, ob die Ausrichtung der Behörde einen Einfluss darauf hat, wie "gerne" Bürger Steuern zahlen. Dazu konstruierten sie das Bild zweier unterschiedlicher Länder, in denen die Finanzämter auf gänzlich verschiedene Strategien setzen: Einmal operierte die fiktive Behörde mit strengen Kontrollen und Strafen, während ihr Gegenstück im anderen Land mit Legitimität arbeitet, in dem sie auf Nachvollziehbarkeit und professionelle Unterstützung der Steuerzahler setzt, hieß es in einer Aussendung der Uni.

Was tut sich im Gehirn beim Steuerzahlen?

Nachdem die Länder und Behörden ausführlich beschrieben wurden, konnten die Versuchsteilnehmer im Rahmen der Experimente darüber entscheiden, ob sie ihr theoretisches Jahreseinkommen versteuern. Während im ersten Experiment die Frage im Vordergrund stand, ob die Steuerentscheidung unter den verschiedenen Bedingungen unterschiedlich schnell getroffen wird, ging es im zweiten Experiment darum, die Abläufe im Gehirn der Probanden mittels Elektroenzephalografie (EEG) zu analysieren. Außerdem sollten die Teilnehmer einen Fragebogen zu den Steueraufgaben ausfüllen.

Im Zuge der Untersuchungen des Forschungsteams um die mittlerweile in Göttingen und Peking tätigen Wissenschafterinnen Katharina Gangl und Daniela Pfabigan zeigte sich, dass sowohl Zwang als auch Legitimität zu ähnlich hoher Steuerehrlichkeit führten. Die Motive für das Abführen der Abgaben, waren jedoch unterschiedlich: Unter Zwang wurde vor allem gezahlt, weil es als Verpflichtung empfunden wurde. Setzte die Steuerbehörde auf Legitimität, gaben viele Teilnehmer an, dass sie die Steuern auch freiwillig bezahlt hätten.

"Legitimitäts"-Bedingung regt zu tieferer Auseinandersetzung an

Der Blick auf die neuronale Ebene brachte zudem die überraschende Erkenntnis, dass Steuerentscheidungen unter Zwang scheinbar einfacher zu treffen sind. Hier gebe es laut den Wissenschaftern Parallelen zum Schnellfahren im Straßenverkehr. "Angedrohte Kontrollen und Strafen führen dazu, dass man seinen Fahrstil nur deshalb anpasst, weil man einer Strafe entgehen will. Der eigentliche Zweck der Geschwindigkeitsbeschränkungen - nämlich die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer zu erhöhen - gerät dabei in Vergessenheit", erklärte Gangl.

Unter der "Legitimitäts"-Bedingung komme es dagegen zu einem komplexeren Abwägen zwischen Selbstinteresse - also der Möglichkeit die zu bezahlenden Steuern für die eigenen Zwecke zu behalten - und dem Blick auf das Gemeinwohl. Für Pfabigan "dürfte der Ansatz der Legitimität, der das nachvollziehbare Erklären von Sachverhalten beinhaltet, zum Nachdenken anregen und moralische Aspekte in den Vordergrund rücken. Dies bewirkt offenbar, dass man deshalb langsam fährt oder eben Steuern bezahlt, weil man seinen Betrag zum Gemeinwohl leisten will".

Service: https://doi.org/10.1093/scan/nsx029

(APA/red, Foto: APA/APA (Pfarrhofer))

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