Er hat es nach wie vor schwer - 100 Jahre Ingenieur

17. Mai 2017 - 10:30

Im Vergleich zu seinem großen Bruder, dem akademischen Titel Diplom-Ingenieur, hat es der "einfache" Ingenieur nach wie vor schwer. Am 17. Mai wird mit einer Festveranstaltung an der Technischen Universität Graz das 100-Jahr-Jubiläum der Standesbezeichnung "Ingenieur" gefeiert. Erst kürzlich ist ein neues Gesetz in Kraft getreten, das den Ingenieur vor allem international besserstellen soll.

HTL-Absolventen können Ingenieur-Titel nach dreijähriger Praxis beantragen
HTL-Absolventen können Ingenieur-Titel nach dreijähriger Praxis beantragen

Die Einführung des "Ingenieurs" entsprang nicht zuletzt der steigenden Bedeutung der Technik am Beginn des 20. Jahrhunderts - gerade im als erster "Krieg der Ingenieure" geltenden Ersten Weltkrieg. Vorbild für den Ingenieur war die bereits im 19. Jahrhundert vorgesehene Möglichkeit, als Abschluss eines Studiums an einer Technischen Hochschule durch zusätzliche Prüfungen den Titel "Diplomierter Ingenieur" zu erhalten - allerdings wurde dieser mangels damit verbundener Berechtigungen kaum angenommen. Anfang des 20. Jahrhunderts kam als Abschluss des Doktoratsstudiums der "Doktor der technischen Wissenschaften" dazu.

Standesbezeichnung "Ingenieur" seit 1917

Am 14. März 1917 wurde dann per kaiserlicher Verordnung die Berechtigung zur Führung der (erst damit rechtlich geschützten) Standesbezeichnung "Ingenieur" festgelegt. Schon damals bezeichnete der Titel also keinen akademischen Grad. Berechtigt zur Führung waren Absolventen der sogenannten 2. Staatsprüfung an den Hochschulen, die von einer gemischten Kommission aus Professoren und staatlichen Prüfern abgenommen wurde, aber auch Absolventen von Baufachschulen und bestimmter höherer Gewerbeschulen - diese aber nur nach achtjähriger Praxis in leitender oder selbstständiger fachtechnischer Stellung.

1938 wurde durch den "Anschluss" den Hochschulabsolventen der (dann tatsächlich akademische) Grad "Diplom-Ingenieur" verliehen, den Absolventen der technischen Fachschulen blieb nach der Reifeprüfung der Titel "Ingenieur". Nach dem Krieg behielt man die Trennung bei - die Hochschulen vergaben ab 1948 den "Diplom-Ingenieur" (zunächst aber wieder nur als Standesbezeichnung), die Absolventen einer höheren Abteilung technischer und gewerblicher Lehranstalten erhielten - jetzt aber wieder erst mit entsprechender Berufspraxis - den "Ingenieur".

Seit damals hat sich nur wenig geändert: Die HTL-Ingenieure bemängeln immer wieder, dass ihre Qualifikation mit Hochschulabschlüssen in anderen Ländern vergleichbar sei. In Österreich gelten sie aber nach wie nicht als Akademiker. Derzeit können den Ingenieur-Titel alle HTL-Absolventen beantragen, die eine nachfolgende mindestens dreijährige entsprechende Praxis nachweisen können. Auch über den Umweg einer Meister- oder Werkmeisterprüfung, verbunden mit dem Nachweis vergleichbarer technischer Qualifikation, von höherer Allgemeinbildung (z.B, Berufsreifeprüfung, AHS-Matura) und einer sechsjährigen Praxis steht der Weg zum Ingenieur offen.

Neues Ingenieursgesetz

Am 1. Mai 2017 trat ein neues Ingenieurgesetz in Kraft. Dieses lässt zwar den Weg zum Ingenieur im Großen und Ganzen unverändert, ordnet den Abschluss im Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) aber auf Stufe sechs ein - und damit auf der gleichen Ebene wie den Bachelor. Statt einer "Standesbezeichnung" ist er nun eine "Qualifikationsbezeichnung".

Ziel ist die Aufwertung des Titels, womit aber gleichzeitig eine paradoxe Situation geschaffen wird: Einerseits wird der Ingenieur-Titel dem Bachelor für den EQR gleichgestellt, andererseits berechtigt er aber nicht zum Beginn eines Master-Studiums. Mehr noch: In jenen Bachelor-Studien, die Aufnahmeprüfungen verlangen, darf der Ingenieur ohne Bestehen dieser Prüfung nicht einmal studieren.

(APA/red, Foto: APA/APA (Pfarrhofer))

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