Wie sich Stress und Terrorängste auf das Wahlverhalten auswirken

21. April 2017 - 12:25

Das Finale des französischen Präsidentschaftswahlkampfes wird von einem Terroranschlag überschattet. Die wissenschaftliche Forschung der vergangenen Jahre liefert mehrere Hinweise, dass Rechtspopulisten und Politiker, die auf Angstparolen setzen, von einem solchen Klima profitieren können.

Autoritäre politische Kräfte profitieren
Autoritäre politische Kräfte profitieren

US-Psychologen fanden anhand einer Studie während der Al-Aqsa-Intifada in Israel heraus, dass Personen, die persönlich politischer Gewalt ausgesetzt sind, mit Angst reagieren und auch entsprechend ihre politischen Ansichten anpassen. Die Ergebnisse ihrer Forschung würden "solide Hinweise" für die Annahme liefern, "dass Terrorismus zu nicht-demokratischen Haltungen führt, die Minderheitenrechte bedrohen. Es ist naheliegend, dass psychologischer Stress eine wichtige Rolle in der politischen Entscheidungsfindung spielt", heißt es in der Forschungsarbeit von Daphna Canetti-Nisim und ihren Kollegen.

Bloße Bedrohung reicht aus

Für den Einfluss auf das Wahlverhalten reiche aber schon die bloße Bedrohung des Terrorismus aus, stellten Anna Getmansky vom Department of Social and Decision Sciences der Carnegie Mellon University und Thomas Zeitzoff vom Department of Politics der New York University fest. Sie untersuchten die Auswirkung palästinensischer Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf vier israelische Wahlen von 2001 bis 2009. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Stimmenanteil für die rechten Kräfte um zwei bis sechs Prozentpunkte in jenen Gebieten hinaufgeht, die in Reichweite der Raketen liegen."

Es scheint, dass von Ängsten eher rechtskonservative und autoritäre politische Kräfte profitieren. 2011 fand ein Forscherteam vom University College London Institute of Cognitive Neuroscience heraus, dass sich die politische Einstellung auch in unseren Gehirnstrukturen manifestiert: "Wir haben herausgefunden, dass größerer Liberalismus mit erhöhtem Volumen von grauen Zellen im anterioren cingulären Cortex zusammenhängt, während Konservativismus mit einem größeren Volumen der rechten Amygdala einherging", schreibt Studienautor Ryota Kanai.

Die Forscher nehmen an, dass die politische Orientierung auch den Umgang mit Ängsten und Unsicherheit ausdrückt. Personen mit einer großen Amygdala gelten als empfindsamer für Ängste und würden daher eher konservative Ansichten in ihr Glaubenssystem integrieren. Dagegen könnte die stärkere Bedeutung des anterioren cingulären Cortex mit größerer Toleranz gegenüber Unsicherheit und Konflikt zusammenhängen. Zwar würden ihre Daten keinen Kausalzusammenhang determinieren, aber doch einen Zusammenhang zwischen Gehirnstrukturen und psychologischen Mechanismen aufzeigen, die sich dann in politischen Einstellungen ausdrücken, erklärten die Forscher.

Stress und Verschwörungstheorien

Auch ein Zusammenhang zwischen Verschwörungstheorien und Stress ist mittlerweile wissenschaftlich erforscht. Psychologen von der Universität Cambridge fanden 2016 heraus: Je mehr Menschen unter psychischem Druck stehen, desto anfälliger sind sie auch für Verschwörungstheorien. Auch gehen autoritäre Haltungen mit wahrgenommen gesellschaftlichen Bedrohungen einher: Wer sich latent bedroht fühlt, ist eher bereit, die Grundfreiheiten anderer einzuschränken.

Dabei scheinen gestresste Wähler diejenigen zu sein, die am ehesten den Wahlen fernbleiben, - ein Befund der gerade für die USA und ihre niedrige Wahlbeteiligung bedeutsam ist. Ein Forscherteam von Psychologen und Politologen um Jeffrey A. French von der University of Nebraska-Omaha entdeckte 2011, dass Personen, die den höchsten Level des Stresshormons Cortisol aufwiesen, am ehesten nicht wählten.

Der Brüsseler Osteopath und Anti-Stress-Experte Tom Meyers hat sich all diese Forschungsergebnisse angeschaut. Vor allem nach der Wahl des Rechtspopulisten und Republikaners Donald Trump zum US-Präsidenten und angesichts des Aufstieg von populistischen Parteien in seiner eigenen Heimat Belgien, in den Niederlanden, aber auch in Österreich habe ihn die Frage interessiert, was für Gründe es dafür noch unter der Oberfläche gebe.

Biologische Vorgänge als Einflussfaktoren

"Populisten sprechen mit den Menschen auf der Ebene von Angst, mit ihren Worten, ihren Gesten, mit allem was sie haben", sagt Meyers. Stress wirke auf Menschen immer einschränkend. "Man denkt nur an sich selbst. Alles außerhalb von einem selbst ist gefährlich." Ursprünglich sei dies eine Funktion des Körpers, die das Überleben sichere: Denn wenn ein Auto auf einen zurase, sollte man nicht zu lange nachdenken. Stress sei eine adaptive Antwort, um sich selbst zu schützen. Menschen würden nur glauben, dass sie immer rational handeln. Tatsächlich würden aber auch biologische Vorgänge im Körper wie Hormone und Stress die Art des Denkens ändern. "Wir unterschätzen, wie stark der Körper, neuro-hormonale Systeme unser Verhalten und unser Art zu Denken beeinflussen", sagt Meyers.

(APA/red, Foto: APA/APA (dpa))

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