IMP - Heimstätte der Wiener Life Science-Forschung mit neuem Gebäude

1. März 2017 - 13:00

Wenn es um die Wiener und die österreichische Spitzenforschung in Sachen "Life Sciences" geht, kommt man nicht um das Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien-Landstraße herum. Der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim hat das Projekt 1984 gemeinsam mit dem US-Biotech-Unternehmen Genentech gestartet. Es war und ist der Kristallisationspunkt des Vienna Biocenter.

Das neue IMP-Forschungsgebäude wurde nun eröffnet
Das neue IMP-Forschungsgebäude wurde nun eröffnet

Nach acht Jahren Planung und Realisation wurde nun das neue IMP-Forschungsgebäude mit einem Mitteleinsatz von 52 Millionen Euro durch Boehringer Ingelheim im Beisein von führenden Wissenschaftern und österreichischen Politikern - angesagt hatten sich Bundespräsident Van der Bellen, Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) - eröffnet. Vonseiten des deutschen Konzerns war der Vorsitzende der Unternehmensleitung, Hubertus von Baumbach, angekündigt worden.

Das Ereignis stellte nun die Fortsetzung einer mittlerweile schon langen Erfolgsstory. 1984 hatten sich der deutsche Konzern und Genentech an einen Tisch gesetzt, um die Etablierung eines gemeinsamen Instituts für die medizinische Grundlagenforschung auf der Basis der modernen Molekularbiologie in die Wege zu leiten. Wissenschafter sollten unabhängige Basisforschung vor allem mit der Zielrichtung der Aufklärung von biologischen Mechanismen rund um Krebs betreiben. Sollten für die Pharmaunternehmen verwertbare Resultate erzielt werden, könnten diese sie nutzen.

Der erste wissenschaftliche Direktor wurde 1986 der in Fachkreisen weltweit bekannte Molekularbiologe Max Birnstiel. Er starb am 15. November 2014 im Alter von 81 Jahren in der Schweiz. Ihm folgte 1997 der Brite Kim Nasmyth, Spezialist auf dem Gebiet der Zellzykluskontrolle. 2006 übernahm diese Funktion Barry Dickson, ein Fliegen-Genetiker. Derzeit ist der gebürtige Deutsche Jan-Michael Peters (seit 2013) der wissenschaftliche Leiter. Er widmet sich besonders der Forschung in Sachen Zellteilung.

Das Institut selbst wurde 1985 offiziell gegründet. Im Jahr darauf erfolgte die Übersiedlung in das eigene Gebäude in Wien-Landstraße. 1993, nach der Übernahme von Genentech durch den Schweizer Pharmakonzern Roche, übernahm Boehringer Ingelheim die Genentech-Anteile am IMP.

Kristallisationspunkt der Wiener Biotech-Szene

Das IMP war und ist "der" Kristallisationspunkt der Wiener Biotech-Szene. Direkt benachbart entstand ab 1992 das "Campus Vienna Biocenter". Im Grunde genommen ging es dabei um die Ansiedlung von Instituten der Universität Wien gemeinsam mit Biotech-Unternehmen. Ab 1999 schlossen Boehringer Ingelheim und die Österreichische Akademie der Wissenschaften einen Vertrag bezüglich der Errichtung bzw. der Zusammenarbeit beim Aufbau und Betrieb des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) ab. Das IMBA entstand als "Nachbar" des IMP und zog dort mit dem Jahr 2006 ein. Für das "Austrian Adacemy of Sciences - Life Sciences Center Vienna" mit dem Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) und dem IMBA gibt es High-Tech-Forschungseinrichtungen, die gemeinsam benutzt werden (Core-Facilities).

Hinzu kamen in der unmittelbaren Umgebung Start-Up-Biotech-Unternehmen. Boehringer Ingelheim hat seine Onkologie-Forschung von der Identifizierung neuer Ziele bis zur Definierung potenziell wirksamer Moleküle (Biologika oder synthetisch herzustellende kleine Moleküle) im Rahmen seiner internationalen F&E-Aktivitäten in Wien konzentriert.

Seit 1986 haben Wissenschafter am IMP mehr als 2.000 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht. Es sind mittlerweile 60 bis 90 pro Jahr. Die Zahl der ERC-Grants (Europäischer Forschungsrat) seit 2007 beträgt aktuell 14. IMP-Forschungen waren bisher mit 93 Patenten verbunden. An dem Institut arbeiten insgesamt 15 Forschungsgruppen (250 Beschäftigte) mit Beteiligten von 40 Nationen. Das Vienna Biocenter umfasst insgesamt 1.400 Wissenschafter mit rund hundert Forschungsgruppen.

Molekulare Zellbiologie, Strukturbiologie und Biochemie, Gen-Expression und Chromosomen-Biologie, Stammzellbiologie und Entwicklungsbiologie, Immunologie und Krebs sowie Neurowissenschaften sind die aktuellen Forschungsgebiete des Instituts. Das neue Gebäude bietet auf acht Ebenen 15.000 Quadratmeter Fläche (nutzbare Fläche: 8.200 Quadratmeter). 3.000 Quadratmeter machen allein die Labors aus.

Zwischen Genetik von "Eva" und Krebsmedikamenten

Die Geschichte des Instituts für Pathologie (IMP) in Wien ist mittlerweile mehr als 30 Jahre lang. Viele wissenschaftliche Erfolge wurden erzielt. Doch auch hervorragende Grundlagenforschung führt nur manchmal zu Erkenntnissen, welche direkt in der Medizin anwendbar werden.

"Eva muss vor rund 200.000 Jahren in Afrika gelebt haben", erklärte der Gründungschef des Instituts, der Schweizer Biochemiker Max Birnstiel, Ende Februar 1987 im Rahmen seines Eröffnungsvortrages zur Informationstagung über "Biotechnologie und Gentechnik" in Bad Ischl veranstaltet wurde. Er sollte mit 1. Jänner 1988 die wissenschaftliche Leitung des IMP in Wien übernehmen. Die Tagung wurde vom damaligen Wissenschaftsminister Hans Tuppy eröffnet. Birnstiel stellte damals die brandneue Erkenntnis dar, wie Wissenschafter über die Sequenzierung der DNA nur über die Mütter weiter gegebenen Erbsubstanz der Zell-Kraftwerke (Mitochondrien) den Ursprung der Menschheit genetisch in Afrika festgezurrt hatten.

Konzentration auf Krebsforschung

Der Biochemiker konzentrierte das Institut auf das Thema Krebs. "Wir kennen zwar einzelne Knotenpunkte bei der Krebsentstehung, doch das Gesamtsystem ist uns noch zu einem Großteil unbekannt. Der Krankheitsprozess bei bösartigen Geschwülsten ähnelt einem Netz. Wir sind zwar bereits in der Lage, an manchen Eckpunkten anzusetzen, wissen aber nicht, was am anderen Ende herauskommt", sagte Birnstiel im Mai 1988 gegenüber der APA. Mit einem Gesamtaufwand von damals rund 235 Millionen Schilling (17,08 Mio. Euro) - Bund und Stadt Wien leisteten ihren Beitrag - war das IMP zuvor für 60 Wissenschafter aus dem Boden gestampft worden. Das Jahresbudget sollte 180 Millionen Schilling betragen. Schon damals war an die später erfolgte Schaffung eines "Vienna Biocenter" mit Instituten der Universität Wien etc. gedacht worden.

Längst nicht alle Forschungsergebnisse, an denen am IMP gearbeitet wurde, waren zunächst unumstritten. 1989 glaube der italienische Wissenschafter Corrado Spadafora, mit Birnstiel befreundet, nachweisen zu können, dass Spermien von Tieren als Überträger ihnen fremder Erbsubstanz benutzt werden könnten. Zeitweise arbeitete der italienische Wissenschafter in Wien am IMP. Seine Erkenntnisse wurden in der Fachwelt zunächst ziemlich kritisch gesehen. Dass ein solcher Gentransfer stattfinden kann, ist mittlerweile unumstritten. Die Technik wird auch bei transgenen Tieren verwendet. Spadafora arbeitet jetzt am nationalen Gesundheitsinstitut Italiens in Rom.

1994 sorgte ein am IMP in Zusammenarbeit mit Boehringer Ingelheim mit der Universitäts-Hautklinik in Wien sowie Universitätskliniken in Würzburg und Freiburg entwickelter Melanom-Impfstoff für Aufsehen. Im Dezember jenen Jahres erhielt eine 44-jährige Patientin, die im fortgeschrittenen Stadium an einer Melanom-Erkrankung litt, in einer ersten Sitzung zehn Injektionen von gentechnisch veränderten Krebszellen aus ihrem eigenen Körper, welche die Immunabwehr gegen den Tumor "scharf" machen sollten. Die Zellen waren der Frau einige Wochen zuvor aus einer Metastase entnommen und in der Wiener "Krebsvakzin-Fabrik" (bei dem Tochterunternehmen von Boehringer Ingelheim in Wien) zu einer Vakzine "produziert" worden. Mit der Gabe dieser Zellen sollte auch eine verstärkte Produktion des Immunbotenstoffs Interleukin 2 (IL-2) einhergehen. Es zeigte sich eine immunologische Reaktion nach der Immunisierung bei den Probanden. Eine klinisch breiter anwendbare Therapie wurde daraus nicht.

Etwa um die Jahrtausendwende identifizierten Wissenschafter am IMP die Polo-like-Kinase, ein Enzym, als wichtigen Faktor für die Zellteilung. Ein auf der Basis dieser Erkenntnisse entwickelter Wirkstoff (Volasertib) wurde bei Patienten mit Akuter Myeloischer Leukämie (AML) im Alter über 65 Jahren untersucht, die keine hoch dosierte Chemotherapie mehr vertrugen. Allerdings erreichte eine Wirksamkeitsstudie, die 2016 vorgestellt wurde, nicht den Nachweis einer besseren Effektivität.

Viele Jahre mit zahlreichen Publikationen in Sachen Krebs und Dermatologie war an dem Institut auch Erwin F. Wagner tätig. Er und sein Team klärten beispielsweise die Rolle von des Gens JunB bei Psoriasis auf. Sie führten bahnbrechende Studien zum Knochenstoffwechsel bei Mäusen (c-Fos-Gen) durch und wiesen auf eine Beteiligung der Knochenfresszellen (Osteoklasten) bei Krebs hin. Wagner übersiedelte schließlich ans nationale spanische Krebsforschungsinstitut.

"Das IMP hat sich einen Fixplatz unter den weltweit führenden Instituten im Bereich molekularbiologischer Forschung erarbeitet", sagte 2015 Philipp von Lattorff, Generaldirektor des Boehringer Ingelheim Regional Center Vienna (RCV), als die Entscheidung für den Bau des neuen Gebäudes bekannt gegeben wurde. Für den wissenschaftlichen Direktor des IMP, Jan-Michael Peters, bedeutete damals das neue Institutsgebäude "eine deutliche Verbesserung unserer Infrastruktur, Flexibilität und Kommunikationsmöglichkeiten". Er sieht darin ein "ermutigendes Signal zur weiteren Stärkung der Grundlagenforschung".

(APA/red, Foto: APA/APA (Hochmuth))

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