Deutschpflich an OÖ-Schulen: Forscherin bei Formulierungsvorschlag skeptisch

29. Februar 2016 - 17:58

Bei der geplanten Deutschpflicht an Oberösterreichs Schulen auch in den Pausen ist die schwarz-blaue Landesregierung einen Schritt weiter. Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer hat am Wochenende allen oberösterreichischen Schulen einen Formulierungsvorschlag übermittelt, mit der Empfehlung den Passus in die Hausordnung aufzunehmen. Für den Verband für angewandte Linguistik (Verbal) ist die Initiative nicht zielführend.

"Die Fähigkeiten jeder Schülerin und jedes Schülers sind für die Schulgemeinschaft wichtig und wertvoll. Schülerinnen und Schüler mit anderer Muttersprache wollen wir mit allen ihren Fähigkeiten in unser Schulleben integrieren. Um Vorurteile und Ausgrenzungen zu vermeiden, werden wir auch außerhalb des Unterrichts Deutsch als gemeinsame Sprache verwenden. SchülerInnen, die unsere Sprache noch nicht so gut beherrschen, unterstützen wir beim Erlernen der deutschen Sprache.", so die Formulierung, die in Oberösterreich Eingang in die Hausordnungen finden soll.

"Gerade in den Pausen, in denen zwischenmenschliche Begegnungen und Konversationen stattfinden, fällt der Spracherwerb sehr leicht. Dieser Tatsache wollen wir mit unserer Formulierung Rechnung tragen, denn mit der Sprachbeherrschung steigen schulische und berufliche Aufstiegsmöglichkeiten, damit gelingt Integration und wird Gruppenbildung vermieden", betonen Landeshauptmann-Stellvertreter Thomas Stelzer (ÖVP), FPÖ-Klubobmann Herwig Mahr und Landeschulratspräsident Fritz Enzenhofer unisono in einer Aussendung.

Rechtsgutachten sah drei Varianten für Verankerung

Zuvor haben ÖVP und FPÖ den Verfassungsdienst der OÖ Landesregierung beauftragt ein rechtliches Gutachten zu erstellen. Dieses habe drei Varianten einer "Normierung" aufgezeigt: Erstens könne die Deutschpflicht als gesetzliche Bestimmung im Schulunterrichtsgesetz verankert werden, dafür sei aber ein Mehrheitsbeschluss im Nationalrat notwendig. Die zweite Möglichkeit sei eine entsprechende Regelung in die Schulordnung zu nehmen, dazu müsste Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) die Verordnung ändern. Dementsprechend kam für die schwarz-blaue Regierung in OÖ nur die dritte Variante infrage, also die Regelung in die jeweilige Hausordnung der Schule zu schreiben. Dafür ist ein Beschluss im jeweiligen Schulforum oder dem Schulgemeinschaftsausschuss, der aus Schüler-, Eltern- und Lehrervertretern besteht, erforderlich.

Nach Bekanntwerden der Pläne der schwarz-blauen Landesregierung für die Deutschpflicht vorigen Herbst hatte das Bildungsministerium diese für "unzulässig" erklärt. Eine solche Vorgabe stehe im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention und zur Verfassung. Dennoch wurde der Plan, der bei Grünen und SPÖ auf Ablehnung stößt, weiter verfolgt.

Forscherin: "Lerntheoretisch nicht zu rechtfertigen"

Für Experten ist eine Deutschpflicht an Schulen auch in der Pause, wie sie neben Oberösterreich auch die Steiermark plant, kontraproduktiv. "Lerntheoretisch ist das durch nichts zu rechtfertigen", so die Vorsitzende Eva Vetter zur APA. Es sei vielmehr ein diskriminierendes und integrationsfeindliches zweifelhaftes politisches Statement.

Sprache sei nicht nur ein Mittel der Verständigung, sondern stelle immer auch Beziehung her. In einer wohlwollenden Umgebung, in der sich die Kinder und Jugendlichen wohlfühlen, würden diese aus eigenem Antrieb die Unterrichtssprache lernen. Darin müsse man sie stärker als bisher unterstützen, etwa durch ausreichend Stunden für Deutsch als Zweitsprache und sprachsensiblen Unterricht in allen Fächern, so die Vizeleiterin des Zentrums für LehrerInnenbildung der Uni Wien. Eine Deutschpflicht führe aber dazu, dass man den Schülern ihre Stimme nehme und ihre Muttersprache zu einem Defizit reduziere. "Das ist eine Form der Ausgrenzung und nicht lernförderlich."

Kaum internationale Beispiele für solche Regelungen

Österreich stehe mit der Diskussion in dieser Härte im übrigen europaweit auch recht alleine da, denn: "Alle wissenschaftlichen Ergebnisse der vergangenen Jahre zeigen, dass eine strikte Ein-Sprachen-Politik zu Ausgrenzung und Sprachlosigkeit führt". Bei den Lehrern sei dieses Wissen auch großteils schon angekommen: Sie würden die Muttersprachen der Schüler einbeziehen und etwa in mehreren Sprachen grüßen oder in "Sprachateliers" das Lernen der verschiedenen Sprachen ermöglichen. Mit Vorgaben zu einer Deutschpflicht würden die Schulbehörden die Lehrer allerdings verunsichern.

Dass sich andere Schüler ausgegrenzt fühlen könnten, wenn Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sich untereinander in ihrer Muttersprache unterhalten, ist für sie auch kein Argument, denn: "Ausgrenzung findet statt. Aber dann muss ich in der Schule die Frage verhandeln, wie man miteinander umgehen soll, denn ausgrenzen kann man auch auf Deutsch."

Dazu komme, dass die Deutschpflicht sich nicht gegen die Verwendung von gesellschaftlich angesehenen Fremdsprachen wie Englisch oder Französisch richte, sondern nur gegen das, was sie "Armutsmehrsprachigkeit" nennt. "Mit dem Blick auf die Sprache erkennt man auch die Machtverhältnisse einer Gesellschaft sehr gut. Wenn man diese aufrechterhält, werden die Kosten aber sehr hoch sein."

Grüne finden Entwurf "überflüssig"

Als "überflüssig, weil selbstverständlich" haben Oberösterreichs Grüne den Textentwurf des Landesschulrates zu der von der schwarz-blauen Landesregierung geforderten Deutschpflicht in den Pausen beurteilt. Der Grüne Klubobmann und Bildungssprecher, Gottfried Hirz, meinte in einer Aussendung, dazu sei nur eines zu sagen: "No na net". Der Hausordnungstext sei nicht mehr als "eine unverbindliche, gerade noch machbare Magervariante, die ohnehin den Status quo beschreibt".

Weiterführend:
http://www.verbal.at

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