Mehr aber andere Studienplätze statt defensiver Studienplatzfinanzierung
und "creative skills" als universitäre Allgemeinbildung des 21.
Jahrhunderts wünscht sich Gerald Bast, Rektor der Universität für
angewandte Kunst und Vizepräsident der Österreichischen
Universitätenkonferenz
"Es geht darum, die Politik und
letztlich die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass Österreich mehr
Hochschulbildung braucht und nicht weniger", sagt Bast anlässlich des
Jahreswechsels. Das Motto eines Österreichischen Hochschulausbauplans
kann aber nicht "Mehr vom Gleichen!" sein, sondern es gilt, neue
Studienprogramme zu entwickeln. Dabei müssten nach Ansicht von Bast
insbesondere neue Formen der universitären Grundbildung angeboten werden
- in Fortsetzung bzw. teilweise anstatt der traditionellen gymnasialen
Allgemeinbildung, die für die Bedürfnisse der Gesellschaft und
Wirtschaft des 19. und 20. Jahrhunderts angemessen war.
Kommunikationsfähigkeit, Analysefähigkeit sowie die Fähigkeit zum Denken
und Handeln in interdisziplinären Zusammenhängen müssen im Mittelpunkt
einer neuen universitären Grundbildung stehen, die den
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen des 21.
Jahrhunderts gerecht werden. Nicht isoliertes Spezialwissen ist die
Basis für späteren Erfolg in Wissenschaft und Wirtschaft, sondern
Kreativität und Flexibilität. Die Berufsfelder ändern sich rapide, viele
gestern noch attraktive Berufsfelder wandern in der globalisierten
Wirtschaft ab in andere Weltregionen oder verschwinden ganz, während
neue entstehen. In einer "Kreativ- und Innovationsgesellschaft", zu der
sich Europa entwickelt, muss Bildung - insbesondere auch universitäre
Bildung - in die Lage versetzen, selbst neue Berufsfelder zu entwickeln
und bestehende zu verändern! Das macht nicht eine anonyme "Wirtschaft",
das können kreative Menschen. Eine besondere Rolle kommt dabei den
Kunstuniversitäten zu. Die Entwicklung und Erprobung von "creative
skills" wird in zunehmendem Ausmaß unverzichtbares Element universitärer
Grundbildung sein: die Fähigkeit, unkonventionell zu denken, das
Gewohnte in Frage zu stellen, sich neue Szenarios auszudenken und mit
der eigenen Arbeit Staunen hervorzurufen. Das wird die
"Allgemeinbildung" des 21. Jahrhunderts sein. Und das Bildungssystem
wird auf allen Ebenen auf diese Erfordernisse der künftigen Wirtschaft
und Gesellschaft reagieren müssen. Auf universitärer Ebene wird die
Integration künstlerisch-gestalterischer Inhalte zum Standard für neue,
interdisziplinäre Studienprogramme im Bereich universitärer Grundbildung
werden müssen. Nicht alle Menschen werden weltberühmte KünstlerInnen -
ebenso wie nicht alle Menschen weltberühmte PhysikerInnen werden. Aber
alle Menschen der nächsten Generation werden diese creative skills zum
beruflichen und privaten Überleben mehr denn je brauchen.
Zusätzliches Geld - mindestens 150 Mio. Euro in den nächsten 4 Jahren -
sollte also in die Stimulierung neuer universitärer
Studienprogramminitiativen investiert werden, meint Bast und fordert
dafür konsequenterweise ein nationales Hochschulausbauprogramm. "Das
wäre sicher effektiver, als der Versuch, StudienwerberInnen von
bestehenden, spezialisierten Studienrichtungen (Publizistik etc.) zu
anderen bestehende Studienrichtungen (Mathematik etc.) umzuleiten."
Bast kritisiert auch die Fixierung auf die Einführung der
Studienplatzfinanzierung an Universitäten: Die bloße Einführung von
Modellen für Studienplatzfinanzierung bei unverändertem Studienangebot
sei eine defensive und strukturkonservative Maßnahme. Die
Flächendeckende Einführung der Studienplatzfinanzierung (auf
international üblichen Standards) erfordere entweder eine Vervielfachung
des Universitätsbudgets oder eine Halbierung unserer Studierendenzahlen
- ohne am Grundproblem des österreichischen Universitätssystems etwas
zu ändern: überproportionale Konzentration auf einige wenige, hoch
spezialisierte Studienrichtungen bei geringer Abschlussquote.
"Angesichts des dramatischen Ausbaus des Hochschulsektors in Asien wäre
ein quantitativer und qualitativer Rückbau des österreichischen
Hochschulsystems, wie er derzeit von der österreichischen
Bundesregierung und der Mehrheit der Abgeordneten im Nationalrat geplant
wird, der direkte Weg in den Status eines Entwicklungslandes. Nicht bis
zu den nächsten Wahlen, aber innerhalb der nächsten 20 Jahre: also
rechtzeitig für ein Desaster in der nächsten Generation! Eine
Gesellschaft mit den Bildungsstandards von heute wird sicher nicht in
der Lage sein, die Arbeitsplätze und Pensionen der nächsten Generation
zu sichern, weil die Wirtschaft, die Berufswelt und die gesamte
Gesellschaft in einem dramatischen Wandel begriffen sind. Die
Bildungsreform kann keineswegs aufgeschoben werden, widerspricht Bast
dem Vorsitzenden der Beamtengewerkschaft. Mit einer an die Wurzeln
gehenden inhaltlichen Bildungsreform von den Volksschulen bis zu den
Universitäten muss sich Österreich JETZT fit machen für das Zeitalter
der Kreativ- und Innovationsgesellschaft!" mahn Bast mehr Mut ein.
Ungenügende Bildung produziert Arbeitslosigkeit. Und Arbeitslose
zahlen weder Steuern noch Pensionsbeiträge. Das trifft jetzt die
Pflichtschulabgänger. Aber das Karussell dreht sich weiter und wird
immer schneller.
Gerade weil PolitikerInnen lieber an die
nächsten Wahlen und damit an ihr eigenes Schicksal, als an die nächste
Generation denken, fordert Bast die Regierungsmitglieder und die
Volksvertreter im Parlament zu konsequentem Egoismus auf: "Die
PolitikerInnen von heute sind die Pensionistinnen von morgen. Die
Veränderungen der globalisierten Wirtschafts- und Arbeitswelt können
unsere PolitikerInnen nicht aufhalten, aber sie können die
Voraussetzungen zur Modernisierung unseres Bildungssystems schaffen. Tun
sie das nicht, werden in 20 Jahren nicht einmal die Politikerpensionen
gesichert sein!"
(Quelle: OTS)