Rektor Bast fordert intelligentes Hochschulausbauprogramm statt phantasieloser Studentenabschreckungspolitik

3. Januar 2011 - 11:11

Mehr aber andere Studienplätze statt defensiver Studienplatzfinanzierung und "creative skills" als universitäre Allgemeinbildung des 21. Jahrhunderts wünscht sich Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst und Vizepräsident der Österreichischen Universitätenkonferenz

"Es geht darum, die Politik und letztlich die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass Österreich mehr Hochschulbildung braucht und nicht weniger", sagt Bast anlässlich des Jahreswechsels. Das Motto eines Österreichischen Hochschulausbauplans kann aber nicht "Mehr vom Gleichen!" sein, sondern es gilt, neue Studienprogramme zu entwickeln. Dabei müssten nach Ansicht von Bast insbesondere neue Formen der universitären Grundbildung angeboten werden - in Fortsetzung bzw. teilweise anstatt der traditionellen gymnasialen Allgemeinbildung, die für die Bedürfnisse der Gesellschaft und Wirtschaft des 19. und 20. Jahrhunderts angemessen war.

Kommunikationsfähigkeit, Analysefähigkeit sowie die Fähigkeit zum Denken und Handeln in interdisziplinären Zusammenhängen müssen im Mittelpunkt einer neuen universitären Grundbildung stehen, die den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen des 21. Jahrhunderts gerecht werden. Nicht isoliertes Spezialwissen ist die Basis für späteren Erfolg in Wissenschaft und Wirtschaft, sondern Kreativität und Flexibilität. Die Berufsfelder ändern sich rapide, viele gestern noch attraktive Berufsfelder wandern in der globalisierten Wirtschaft ab in andere Weltregionen oder verschwinden ganz, während neue entstehen. In einer "Kreativ- und Innovationsgesellschaft", zu der sich Europa entwickelt, muss Bildung - insbesondere auch universitäre Bildung - in die Lage versetzen, selbst neue Berufsfelder zu entwickeln und bestehende zu verändern! Das macht nicht eine anonyme "Wirtschaft", das können kreative Menschen. Eine besondere Rolle kommt dabei den Kunstuniversitäten zu. Die Entwicklung und Erprobung von "creative skills" wird in zunehmendem Ausmaß unverzichtbares Element universitärer Grundbildung sein: die Fähigkeit, unkonventionell zu denken, das Gewohnte in Frage zu stellen, sich neue Szenarios auszudenken und mit der eigenen Arbeit Staunen hervorzurufen. Das wird die "Allgemeinbildung" des 21. Jahrhunderts sein. Und das Bildungssystem wird auf allen Ebenen auf diese Erfordernisse der künftigen Wirtschaft und Gesellschaft reagieren müssen. Auf universitärer Ebene wird die Integration künstlerisch-gestalterischer Inhalte zum Standard für neue, interdisziplinäre Studienprogramme im Bereich universitärer Grundbildung werden müssen. Nicht alle Menschen werden weltberühmte KünstlerInnen - ebenso wie nicht alle Menschen weltberühmte PhysikerInnen werden. Aber alle Menschen der nächsten Generation werden diese creative skills zum beruflichen und privaten Überleben mehr denn je brauchen.

Zusätzliches Geld - mindestens 150 Mio. Euro in den nächsten 4 Jahren - sollte also in die Stimulierung neuer universitärer Studienprogramminitiativen investiert werden, meint Bast und fordert dafür konsequenterweise ein nationales Hochschulausbauprogramm. "Das wäre sicher effektiver, als der Versuch, StudienwerberInnen von bestehenden, spezialisierten Studienrichtungen (Publizistik etc.) zu anderen bestehende Studienrichtungen (Mathematik etc.) umzuleiten."

Bast kritisiert auch die Fixierung auf die Einführung der Studienplatzfinanzierung an Universitäten: Die bloße Einführung von Modellen für Studienplatzfinanzierung bei unverändertem Studienangebot sei eine defensive und strukturkonservative Maßnahme. Die Flächendeckende Einführung der Studienplatzfinanzierung (auf international üblichen Standards) erfordere entweder eine Vervielfachung des Universitätsbudgets oder eine Halbierung unserer Studierendenzahlen - ohne am Grundproblem des österreichischen Universitätssystems etwas zu ändern: überproportionale Konzentration auf einige wenige, hoch spezialisierte Studienrichtungen bei geringer Abschlussquote.

"Angesichts des dramatischen Ausbaus des Hochschulsektors in Asien wäre ein quantitativer und qualitativer Rückbau des österreichischen Hochschulsystems, wie er derzeit von der österreichischen Bundesregierung und der Mehrheit der Abgeordneten im Nationalrat geplant wird, der direkte Weg in den Status eines Entwicklungslandes. Nicht bis zu den nächsten Wahlen, aber innerhalb der nächsten 20 Jahre: also rechtzeitig für ein Desaster in der nächsten Generation! Eine Gesellschaft mit den Bildungsstandards von heute wird sicher nicht in der Lage sein, die Arbeitsplätze und Pensionen der nächsten Generation zu sichern, weil die Wirtschaft, die Berufswelt und die gesamte Gesellschaft in einem dramatischen Wandel begriffen sind. Die Bildungsreform kann keineswegs aufgeschoben werden, widerspricht Bast dem Vorsitzenden der Beamtengewerkschaft. Mit einer an die Wurzeln gehenden inhaltlichen Bildungsreform von den Volksschulen bis zu den Universitäten muss sich Österreich JETZT fit machen für das Zeitalter der Kreativ- und Innovationsgesellschaft!" mahn Bast mehr Mut ein.

Ungenügende Bildung produziert Arbeitslosigkeit. Und Arbeitslose zahlen weder Steuern noch Pensionsbeiträge. Das trifft jetzt die Pflichtschulabgänger. Aber das Karussell dreht sich weiter und wird immer schneller.

Gerade weil PolitikerInnen lieber an die nächsten Wahlen und damit an ihr eigenes Schicksal, als an die nächste Generation denken, fordert Bast die Regierungsmitglieder und die Volksvertreter im Parlament zu konsequentem Egoismus auf: "Die PolitikerInnen von heute sind die Pensionistinnen von morgen. Die Veränderungen der globalisierten Wirtschafts- und Arbeitswelt können unsere PolitikerInnen nicht aufhalten, aber sie können die Voraussetzungen zur Modernisierung unseres Bildungssystems schaffen. Tun sie das nicht, werden in 20 Jahren nicht einmal die Politikerpensionen gesichert sein!"

(Quelle: OTS)

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