300 Jahre alte Gleichungen beschreiben komplexes Quantensystem

13. Mai 2022 - 8:41

Ein aus 51 geladenen Atomen bestehendes Quantensystem kann mehr als zwei Billiarden Zustände einnehmen. Selbst Supercomputer kommen schnell an ihre Grenzen, wenn es darum geht vorherzusagen, was in einem solchen System über die Zeit geschieht. Physiker in Innsbruck und München berichten nun im Fachjournal "Science", dass sich das längerfristige Verhalten eines solchen Quantensystems gut mit fast 300 Jahre alten Gleichungen aus der klassischen Physik beschreiben lässt.

Christian Roos vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW
Christian Roos vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der ÖAW

Seit Jahren arbeiten Innsbrucker Physiker an der Entwicklung von Quantencomputern und Quantensimulatoren. Sie setzen dabei auf geladene Atome (Ionen), die wie auf einer Perlenschnur aufgereiht bei ultrakalten Temperaturen im Vakuum in Magnetfallen gehalten werden. Der aus 51 Ionen bestehende Quantensimulator, den Christian Roos vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck und sein Team entwickelt hat, sei "ein spezieller Quantenprozessor, der nicht alles kann, was ein Quantencomputer können würde".

"Lévy-Flug-Statistik"

Das System eignet sich aber dafür, bestimmte Modelle in der Quantenpyhsik zu untersuchen. Auch wenn es nur aus 51 Atomen besteht, würde an einer solchen Aufgabe ein klassischer Computer schnell scheitern.

Denn selbst wenn die 51 Ionen nur jeweils zwei Zustände einnehmen können, ergeben sich damit mehr als zwei Billiarden verschiedene Möglichkeiten für das System. Zudem kann sich darin eine Anregung auch sprunghaft weiterbewegen. Sie breitet sich dann nicht nur von Atom zu Atom aus, sondern kann sich auch in größeren Sprüngen fortpflanzen. Mathematisch lässt sich eine solche Form der Ausbreitung mit der sogenannten "Lévy-Flug-Statistik" beschreiben - ähnlich wie auch die Entwicklung von Börsenkursen oder die Suchstrategie von Bienen.

"Eigentlich würde man denken, dass ein solches System aufgrund der Wechselwirkungen der Teilchen einen fürchterlich komplizierten Quantenzustand einnimmt", erklärte Roos gegenüber der APA. Doch aufgrund von Beobachtungen haben Forscher der Technischen Universität (TU) München vermutet, dass sich das längerfristige Verhalten eines solchen Quantensystems mit Gleichungen aus der klassischen Physik beschreiben lässt. Dabei handelt es sich um Formeln, die die Schweizer Gebrüder Bernoulli im 18. Jahrhundert aufgestellt haben, um das Verhalten von Flüssigkeiten (Fluiddynamik) zu beschreiben.

Die Innsbrucker Forscher um Roos haben nun experimentell überprüft, ob ihr Quantensystem tatsächlich diesen Gleichungen folgt. Sie zeigten, dass in der Anfangsphase noch quantenphysikalische Effekte dominieren. "Längerfristig können diese aus der klassischen Physik stammenden Gleichungen aber tatsächlich das Verhalten unseres Quantensystems gut beschreiben", so Roos.

Das ermöglicht aber auch, das Pferd von hinten aufzuzäumen, schlug Co-Autor Michael Knap von der TU München vor: Ist man davon überzeugt, dass sich ein Quantensystem nach den aus der Fluiddynamik bekannten Gleichungen verhält, kann man auch überprüfen, ob ein Quantensimulator tatsächlich diese Vorhersage macht. Tut er das nicht, ist das ein Hinweis, dass etwas nicht richtig funktioniert.

Service: http://dx.doi.org/10.1126/science.abk2400)

(APA/red, Foto: APA/IQOQI / M. R. Knabl)

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