"Jolie Effekt" - Deutsche Klinken verzeichnen mehr Anfragen

10. Juni 2013 - 10:55

Auch wenn sich US-Schauspielerin Angelina Jolie (38) jüngst bei einer Filmpremiere strahlend wie eh und je zeigte: Dass sie sich aus Angst vor Brustkrebs vorsorglich die Brüste entfernen ließ, hat offenbar in Deutschland bei vielen Frauen Ängste geschürt. Es kam in den vergangenen Wochen zu einem starken Anstieg von Anfragen durch Frauen bei Kliniken.

An der Berliner Universitätsklinik Charite seien seit Jolies öffentlichem Bekenntnis Anfang Mai über ihre Veranlagung zu Brustkrebs (BRCA1-Gen) und die bei ihr vorgenommene vorsorgliche chirurgische Entfernung des Brustgewebes so viele Anfragen eingegangen wie zuvor im gesamten ersten Quartal, sagte die Gynäkologin Dorothee Speiser. Knapp 180 Frauen wollten zum Beispiel wissen, ob bei ihnen ebenfalls ein hohes Brustkrebsrisiko bestehe, ob Gentests möglich sind und ob eine Brustentfernung nötig ist. Bei einem Großteil der Frauen handle es sich um Hochrisikopatienten.

Genvariante erhöht Risiko beträchtlich

Ererbte Mutationen sind für einen Teil der Brustkrebserkrankungen verantwortlich. Etwa zehn Prozent der Mammakarzinomfälle treten familiär gehäuft auf. Daran "schuld" sind Mutationen im BRCA1- bzw. im BRCA2-Gen. Das betrifft in Österreich etwa 25.000 Frauen. Bei Vorliegen solcher Erbanlagen kommt es auch zur starken Erhöhung des Eierstockkrebs-Risikos. Vergangenes Jahr wurde deshalb ein flächendeckendes kostenloses Betreuungssystem etabliert. Entschließt sich eine Frau zur Entfernung von Brüsten und Eierstöcken, reduziert sich das Erkrankungsrisiko dramatisch.

Mutationen in den beiden Brustkrebsgenen BRCA1 und BRCA2 haben bringen eine ausgesprochen hohe Gefährdung mit sich. Gynäkologe Christian Singer (MedUni Wien/AKH/Senologie) erklärte anlässlich der Präsentation des Programms : "Frauen mit solchen Mutationen haben laut internationalen Studien ein 50-prozentiges Risiko, bis zum 50. Lebensjahr an Brustkrebs zu erkranken, Nicht-Trägerinnen solcher Mutationen eines von zwei Prozent." Bis zum 70. Lebensjahr erhöhen sich diese Prozentsätze auf ein Erkrankungsrisiko von 87 zu acht Prozent. Bei Eierstockkrebs sind es bis zum 70. Lebensjahr 44 Prozent (Mutationsträgerinnen) zu weniger als ein Prozent.

Österreich gut aufgestellt

Für die potenziell in Österreich rund 25.000 Betroffenen kostenlos, flächendeckend und qualitätsgesichert: Radiologen und Gynäkologen haben mit Unterstützung von Bund, Bundesländern und Krankenversicherung ein System zur Identifizierung und Betreuung vor allem von Frauen geschaffen, die wegen ererbter Mutationen in den Brustkrebsgenen BRCA1 und BRCA1 ein hohes Risiko für ein Mammakarzinom und/oder Eierstockkrebs haben. "Österreich ist damit in dieser Sache international führend", sagte dazu Radiologe Thomas Helbich (MedUni Wien/AKH).

Genau an diese Frauen will man jetzt in Österreich unter Beachtung neu erstellter Leitlinien und über 57 über das Bundesgebiet verteilte und nach den gleichen Kriterien arbeitenden Zentren in Spitälern herankommen. Das sollte so geschehen:

- Jeder Hausarzt und jeder Gynäkologe sollte die Patienten (es gibt Brustkrebs auch bei Männern) fragen, ob in ihrer Familie vermehrt Brust- und/oder Eierstockkrebs aufgetreten ist. Ist das bei zwei oder mehr Personen der Fall gewesen, sollte der Patient an eines der Zentren überwiesen werden.

- An dem Zentrum wird zunächst eine Familienanamnese mit Stammbaum erstellt. Fällt der "verdächtig" aus, wird eine Blutabnahme mit Test auf BRCA1- und BRCA2-Mutationen angeboten.

- Nach allfälliger Vornahme der Gen-Untersuchung in Wien (MedUni Wien/AKH) wird die Patientin nach ein bis zwei Monaten wiederbestellt.

- Will die Betroffene das Resultat der Genuntersuchung wissen, erfolgt eine ausführliche und neutrale Information: über die Möglichkeiten einer intensiven Früherkennung oder die Möglichkeit zur vorsorglichen Entfernung der Brust (samt Rekonstruktion) und/oder der Eierstöcke.

Im Fall eines Entschlusses zum Abwarten mit Früherkennung gibt es einmal jährlich eine Magnetresonanzuntersuchung (MRT) der Brüste ab dem 25. Lebensjahr und Mammografie ab dem 35. Lebensjahr. In Sachen Eierstockkrebs wird zu einer jährlichen Ultraschalluntersuchung ab dem 35. Lebensjahr und Tumormarker-Tests aus dem Blut geraten. Mit der MRT-Untersuchung werden um 50 Prozent mehr Tumoren erkannt als mit der Mammografie. Für Eierstockkrebs sind bisher die Früherkennungsuntersuchungen leider noch nicht so aussagekräftig wie beim Mammakarzinom.

Operationen reduzieren bei Frauen mit BRCA-Mutationen das Karzinomrisiko enorm. Helbich: "Die prophylaktische Entfernung der Brüste und Eierstöcke senkt das Risiko für Mammakarzinome um 95 Prozent und das für Eierstockkarzinome um 80 Prozent." Im Endeffekt kann damit de facto eine Annäherung an die viel geringere Gefährdung von Frauen ohne diese familiäre Belastung erzielt werden (APA/red, Bild APA).

tutor18

Studium.at Logo

© 2010-2021  Hörsaal Advertainment GmbH

Kontakt - Werbung & Mediadaten - Datenschutz - Impressum

Studium.at versichert, sämtliche Inhalte nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und aufbereitet zu haben.
Für etwaige Fehlinformationen übernimmt Studium.at jedenfalls keine Haftung.