25 Jahre österreichische Forschungsstation La Gamba in Costa Rica

11. Dezember 2018 - 11:23

Am Rande eines der artenreichsten Wälder der Welt besteht seit 25 Jahren ein Außenposten österreichischer Forschung: die Tropenstation "La Gamba" im Südwesten Costa Ricas. Die ursprünglich aus einem Diplomarbeits-Projekt entstandene Wellblechhütte hat sich zu einem international gefragten Forschungs-Stützpunkt mit jährlich bis zu 5.000 Übernachtungen von Wissenschaftern und Studenten gemausert.

Die Tropenstation "La Gamba" im Südwesten Costa Ricas
Die Tropenstation "La Gamba" im Südwesten Costa Ricas

So schön man sich eine Dschungel-Station auch vorstellt - die Anfahrt dorthin ist ernüchternd: Kilometer um Kilometer reiht sich eine Palmöl-Plantage an die andere, nur ab und zu unterbrochen von Weideflächen - vom Regenwald keine Spur, alles abgeholzt. Weit reicht die Sicht ohnedies nicht, noch bewaldete Berghänge verbergen sich hinter tiefhängenden Wolken - Folge von 6.000 Millimeter Regen pro Jahr (zum Vergleich: in Wien waren es 2017 nicht einmal 600 Millimeter) in der Region.

Die Forschungsstation selbst, rund vier Kilometer entfernt von der Panamericana, nahe dem kleinen Ort La Gamba, besteht aus einer Handvoll einfacher, zweckmäßiger eingeschoßiger Holzbauten verstreut in einem botanischen Garten, der einen Vorgeschmack auf die Vielfalt des Regenwalds gibt. Agutis wuseln hier herum, Leguane flüchten auf Bäume, Prachtbienen suchen nach Orchideenblüten, in einem Teich liegt regungslos ein Kaiman. An der Wand einer großen Veranda die Fahnen Costa Ricas und Österreichs.

In den Regenwald taucht man erst ein paar hundert Meter weiter ein, die Schotterstraße endet bei der Esquinas Rainforest Lodge - eine Touristen-Unterkunft mit neun Bungalows, die sich unauffällig in die Natur einfügt. Sie gehört dem österreichischen Musiker Michael Schnitzler, der mit seinem Engagement für die Erhaltung des Regenwaldes so etwas wie der Gründungsgroßvater der Tropenstation "La Gamba" ist.

Projekt "Regenwald der Österreicher"

Schnitzler hatte Ende der 1980er-Jahre ein kleines Haus am Rande des Esquinas-Regenwaldes nahe dem Städtchen Golfito an der Pazifikküste im Südwesten Costa Ricas gekauft und begann unter dem Eindruck zunehmender illegaler Schlägerungen sich für den Schutz des Waldes einzusetzen. Er startete das Projekt "Regenwald der Österreicher" und kaufte mit Hilfe österreichischer Spendengelder Flächen mit Tieflandregenwald auf.

Auch die Wissenschaft interessierte sich für das Projekt, etwa die beiden Wiener Biologie-Studenten Werner Huber und Anton Weissenhofer. Im Zuge ihrer Diplomarbeit machten sie sich in dem Gebiet auf die Suche nach primärem, also unberührtem, Regenwald. "Drei Wochen lang haben wir bei einem Bauern gewohnt und vergeblich die ganze Gegend abgegrast - erst am letzten Tag wurden wir fündig", erinnert sich Weissenhofer, der gemeinsam mit Huber - beide mittlerweile Wissenschafter am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Uni Wien - die Station weiterhin betreut und koordiniert.

1993 kaufte der Verein "Regenwald der Österreicher" nahe der kleinen Ortschaft La Gamba für die angehenden Wissenschafter eine Finca, damals nicht viel mehr als eine Wellblechhütte samt Garten - der Beginn einer 25-jährigen Erfolgsgeschichte. Zu verdanken ist diese primär dem Wald, der quasi am Hinterausgang der Forschungsstation beginnt. Er ist mit rund 3.000 verschiedenen Gefäßpflanzenarten der artenreichste Mittelamerikas und einer der artenreichsten der Welt. Auf einem Hektar, so zeigten Untersuchungen der vergangenen Jahre, finden sich bis zu 180 verschiedene Baumarten, in der ganzen Region sind es 600 unterschiedliche Baumarten - in Österreich gibt es gerade einmal 50.

Reiches Betätigungsfeld für Wissenschafter

Ein reiches Betätigungsfeld also für Biologen, Zoologen, Ökologen und Wissenschafter zahlreicher anderer Fachrichtungen. Ihnen und ihren Studenten bietet die international anerkannte Station die Möglichkeit für Forschungsprojekte, Exkursionen und Studienreisen. Mittlerweile gehört die Einrichtung dem Uni Wien-nahen "Verein zur Förderung der Tropenstation La Gamba" und erhält sich weitgehend selbst durch Nächtigungs- und Nutzungsgebühren. Damit werden auch die Gehälter der acht Angestellten bezahlt, alles Ticos und Ticas, wie sich die Einwohner Costa Ricas nennen, während Weissenhofer und Huber als Koordinatoren der Station an der Uni Wien angestellt sind.

An der Tropenstation ist soeben eine Gruppe Grazer Biologen zu Besuch, angeführt vom Biologen Richard Kunz. Er reist seit Jahrzehnten nach Costa Rica und kennt "La Gamba" von Anfang an. Erst kürzlich hat er mit seinem Sohn Gernot Kunz, einem Entomologen, eine App mit über 7.000 Fotos von mehr als 4.700 in Costa Rica lebenden Tierarten entwickelt - ein wertvoller Reisebegleiter für jeden naturinteressierten Costa Rica-Reisenden.

In der Station selbst ist es an diesem Tag ruhig, es ist Sonntag. So können die Besucher aus Graz durch den botanischen Garten flanieren, wo es kreucht und fleucht. Üblicherweise herrscht hier geschäftigeres Treiben mit 4.000 bis 5.000 Übernachtungen pro Jahr. "Wir haben viele Gruppen, nicht nur von österreichischen Universitäten, sondern aus zahlreichen anderen Ländern. Viele suchen eine Station im Tiefland, davon gibt es nicht so viele", so Weissenhofer.

Ideale Bedingungen für Wissenschaft

Ziel der Station ist nicht nur die Erforschung der Regenwälder zu ermöglichen, sondern auch zu deren Erhalt beizutragen. Die 40 Quadratkilometer Wald, die der Verein "Regenwald der Österreicher" im Laufe der Jahre freigekauft hat, wurde inzwischen in den Nationalpark "Piedras Blancas" eingegliedert. Der Esquinas-Regenwald gilt als gerettet.

Daher verfolgen der Verein und die beteiligten Wissenschafter das Ziel, einen "biologischen Korridor" zwischen den Tieflandregenwäldern des Golfo Dulce, der großen Meeresbucht um Golfito, und den Bergregenwäldern der Fila Cal, einem Gebirgszug nördlich des "Regenwald der Österreicher" zu schaffen - den "Corridor Biologico La Gamba" (COBIGA).

"Der Artenreichtum des Tieflandregenwaldes beruht auch auf der Verbindung mit dem Bergregenwald - da gibt es einen Austausch", so Weissenhofer. Damit diese Verbindung nicht durch weitere Schlägerungen, die nach wie vor stattfinden, abreißt und abgesichert wird, werden seit etwa zehn Jahren Grundstücke gekauft und Weideland wiederbewaldet. "Wir haben heuer im Frühjahr 54 Hektar gekauft und vor kurzem drei weitere Hektar - das geht alles in diesen Korridor", erzählt Weissenhofer.

Wiederbewaldung

Zudem hat der österreichische Biologe und Umweltaktivist Peter Weish kürzlich ein 100 Hektar großes Grundstück gleich bei La Gamba, das er vor Jahren gekauft hat, dem Verein der Tropenstation geschenkt. Und durch Förderung des Projekts "Rainforest Luxemburg" konnte ein weiteres 40 Hektar großes Grundstück gekauft werden. Paradebeispiel für die Wiederbewaldung ist die mit Spenden aufgekaufte Finca Amable. Von 2012 bis 2015 wurden auf 14 Hektar mehr als 10.000 Bäume 190 verschiedener Arten ausgepflanzt, in wenigen Jahren ist dort bereits ein dichter, artenreicher Regenwald entstanden.

Seit kurzem gibt es auch eine Außenstelle der Tropenstation, die Finca Alexis rund eine Stunde mit dem Allrad von "La Gamba" entfernt. Die 133 Hektar große Finca befindet sich auf einer Seehöhe von 400 bis 500 Metern und damit bereits in der Übergangszone vom Tiefland- zum Bergregenwald. Sie eignet sich besonders zur Untersuchung des biologischen Korridors, etwa um Tierwanderungen zu beobachten.

In der Station selbst wollen die Wissenschafter die bestehenden Gebäude modernisieren und die wissenschaftliche Infrastruktur verbessern. Aktuell wird das Labor ausgebaut, um für die Forscher attraktiv zu bleiben, sagte Weissenhofer.

Biologischer Korridor

Beim Naturschutz dagegen strebt man durchaus nach Größerem: Aus dem Projekt COBIGA hat sich das Vorhaben AMISTOSA entwickelt. Damit soll ein großer biologischer Korridor vom Nationalpark Corcovado auf der Halbinsel Osa am Pazifik bis zum unberührten Nationalpark La Amistad errichtet werden. Das ist Costa Ricas größtes Schutzgebiet, das grenzüberschreitend bis nach Panama und in Höhen bis 3.500 Meter reicht. Anfang dieses Jahres wurde der Antrag für die offizielle Anerkennung des "Amistad Osa biological Corridor" (AMISTOSA) gestellt.

"Nun müssen wir diesen Korridor mit Inhalt füllen, also Vorträge für die Bevölkerung halten, mit den Schulen Projekte machen, Wiederbewaldungen durchführen, usw.", sagte Weissenhofer. Die Bevölkerung miteinzubeziehen ist den Österreichern ganz wichtig. "Es geht ja niemand mehr in den Wald, nur noch die Alten kennen jeden Baum und jedes Kraut, die Jungen nicht mehr", betonte der Wissenschafter die Wichtigkeit, bereits die Kinder für den Naturschutz zu sensibilisieren.

Dass nach wie vor zahlreiche Palmöl-Plantagen in der Region sind, ist eine Tatsache, mit der die Forscher und Naturschützer leben müssen. "Die Einheimischen brauchen auch ein Einkommen", meinte Weissenhofer. Mit der Forschungsstation, der Esquinas Rainforest Lodge, dem Tourismus und den Wiederbewaldungsprojekten kann man zwar der örtlichen Bevölkerung Arbeit anbieten, das reicht aber nicht für die gesamte Region. "Es wäre schon ein Fortschritt, wenn man die Plantagen ökologischer gestaltet, etwa die Ölpalmen nicht bis direkt an die Flüsse pflanzt, sondern dort Grünstreifen lässt", betonte der Wissenschafter.

Für die Wissenschaft bietet die Region jedenfalls ideale Bedingungen: "Man hat hier Primärwald, Tiefland- und Bergregenwald, Übergangszonen, landwirtschaftliche Flächen, Ölpalmen - alles eng beisammen, das ergibt für viele Kollegen ein super Betätigungsfeld", erläuterte Weissenhofer. So werden derzeit etwa von Limnologen die Einträge von Spritzmitteln der Ölpalmenplantagen in die Gewässer untersucht, Düngemethoden für Permakulturen studiert und die neuronalen Reaktionen von Insekten auf verschiedene Blütendüfte analysiert. Architekten widmen sich dem Einfluss der Vegetation auf die Architektur in den Neotropen, die zahlreichen Prachtbienen-Arten sind und waren schon Mittelpunkt vieler verschiedener Arbeiten, ebenso die Interaktionen zwischen Ameisen und Pflanzen - ein kleiner Ausschnitt aus der großen Zahl wissenschaftlicher Arbeiten, bei denen die österreichische Forschungsstation "La Gamba" eine bedeutende Rolle spielt.

Service: Tropenstation: www.lagamba.at; Regenwald der Österreicher: www.regenwald.at

(Von Christian Müller/APA)

(APA/red, Foto: APA/APA (Müller))

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