Österreichische Medien unter der Lupe: Versteckter Antisemitismus und Wirtschaftskrise

28. März 2012 - 17:02

Antisemitismus und Wirtschaftskrise gingen schon im 19. und 20. Jahrhundert gut zusammen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzkrise haben sich Mitarbeiterinnen des Wiener Instituts für Konfliktforschung (IKF) und des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien des österreichischen Mediendiskurses angenommen. Die Ergebnisse der zwei Jahre laufenden Studie (2009-2011) werden am 10. Februar bei einer Tagung im britischen Lancaster von Karin Stögner (IKF) vorgestellt: Antisemitische Äußerungen finden wieder öfter den Weg in heimische Medien - selten offen manifest, dafür latent oder codiert.

Anders als etwa im internationalen Vergleich finden sich im österreichischen Mediendiskurs wenig offen antisemitische Einstellungen, stellt Soziologin Stögner im Gespräch mit der APA fest. Nach dem Holocaust sei offener Antisemitismus in Österreich tabuisiert worden, während etwa in der "Occupy"-Bewegung durchaus antisemitische Stereotype wie die des "gierigen Juden" oder der "jüdischen Weltverschwörung" bedient wurden.

Versteckte Anspielungen

Latenter Antisemitismus komme aber auch gut ohne Referenzen zu realen Personen aus, so Stögner. Denn dieser ginge oft mit anderen Kategorien wie Sexismus oder Nationalismus einher, die als "Deckmantel für Antisemitismus" und als Ausdruck von Judenfeindlichkeit fungieren, da etwa Sexismus in der heutigen Gesellschaft weniger stigmatisiert sei. Als Beispiel nennt Stögner die Berichterstattung rund um die österreichische Bankerin Sonja Kohn, die mit den Betrugsfällen rund um Bernard Madoff in Verdacht steht. Ohne Zusammenhang mit Finanzkrise und Anlegerbetrug hätte die Berichterstattung in einigen österreichischen Medien immer wieder Weiblichkeitsstereotype verwendet - und dabei explizit erwähnt, dass Kohn Jüdin ist.

Eine andere Möglichkeit, Antisemitismus versteckt ins Spiel zu bringen, ist laut Stögner das Einflechten antiamerikanischer Versatzstücke. Antiamerikanismus hätte in Österreich eine ins 19. Jahrhundert zurückreichende Tradition: Amerika stand so nicht nur für Demokratie, sondern auch für Traditions- und Heimatlosigkeit. "Das Bedürfnis nach Halt wurde wesentlich von Konstrukten wie Nation und Volk aufgesaugt", so Stögner. Eben diese Elemente hätten dabei auch den modernen Antisemitismus genährt.

Man könne auch einen gewissen Zusammenhang zwischen Globalisierungskritik und Antisemitismus in den Debatten der "Occupy"-Bewegung beobachten, "wo Banken mit Juden identifiziert werden und in einem Aufwasch auch gleich die Verbotsgesetze infrage gestellt werden", führt Stögner mit Verweis auf den mittlerweile suspendierten WU-Professor Franz Hörmann aus. Dies betreffe aber selbstverständlich wiederum nicht die "gesamte Globalisierungskritik". Antizionismus sowie Verweise auf Israel und den Konflikt im Nahen Osten hätten eine eher unwichtige Rolle im medialen Diskurs gespielt.

(APA/red, Bild APA)

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