Machen Fehler härter?

7. Dezember 2011 - 12:37

150 Tonnen - das Gewicht von 20 LKWs - drücken auf ein münzgroßes Metall, das anschließend so lange gedreht wird, bis es die gewünschte Härte erreicht. Das Ganze nennt sich "High Pressure Torsion" - kurz "HPT": Damit werden Metalle bearbeitet, die z.B. in der Medizin Anwendung finden. Das innere Gefüge der Metallstruktur wird zerstört und am Ende enthält das Metall so viele "Fehler", dass es hart genug ist, um zusätzlichen Verformungen standzuhalten. Die Physikerin und Hertha-Firnberg-Stipendiatin Daria Setman untersucht nun, welchen Einfluss solche Fehler und insbesondere "Leerstellen" - d.h. in der gitterförmigen Metallstruktur fehlt ein Atom - auf die Festigkeit von Metallen haben.

Die Atome in Metallen sind gitterförmig angeordnet. Beim genaueren Hinsehen sind in der Struktur jedoch Defekte erkennbar: Fehlt ein Atom, heißt dieser Defekt "Leerstelle". Die Atomgitter im Metall sind nicht durchgehend in die gleiche Richtung gereiht. Sie bestehen aus einzelnen Kristalliten (Körnern), zwischen denen sich sogenannte Korngrenzen befinden: Ein weiterer Defekt, der in Metallen häufig vorkommt.

An diesen Korngrenzen sind Metalle besonders brüchig, und in unbehandeltem Zink sind die Körner sogar mit bloßem Auge erkennbar. So weisen zum Beispiel die Stangen, auf denen Verkehrsschilder befestigt sind, daumengroße Körner auf. Anders verhält es sich bei den nanostrukturierten Materialen, wo die Körner deutlich kleiner als ein tausendstel Millimeter sind.

Gedreht, gedrückt und erwärmt

"Stark verformte Metalle sind noch nicht ausreichend untersucht: Vor allem die Frage, wie die Leerstellen die Festigkeit der Metalle beeinflussen, wurde bisher vernachlässigt", erklärt Daria Setman von der Gruppe Physik Nanostrukturierter Materialien, die diese Forschungslücke in ihrem aktuellen Hertha-Firnberg-Projekt schließen will.

Beim mechanischen HPT-Verfahren verhindert der hohe Druck - immerhin 150 Tonnen auf eine zehn Millimeter große Scheibe -, dass die Probe bei gleichzeitiger Drehung zerbröselt. Dadurch kann das Metall viel stärker verformt werden als durch Ziehen oder Walzen, was das Metall schneller reißen lassen würde. "Sind mehr oder weniger Leerstellen erforderlich?" Um diese Frage zu beantworten, untersucht Setman mehrere Metalle mit unterschiedlichen Kristallstrukturen - kubische, flächenzentrierte und raumzentrierte - mit jeweils unterschiedlichen Verformungsarten: "Von jeder dieser Kristallstrukturen habe ich mir ein bis zwei Metalle ausgesucht, die mit unserem HPT-Gerät verformt und durch die Hinzugabe von Defekten härter gemacht werden." Die Metalle Kupfer, Nickel, Eisen, Tantal und Palladium befinden sich unter den "Auserwählten" und werden in den nächsten Jahren gedreht, gedrückt und erwärmt.

Eine heiße Methode

Erwärmt werden sie im DSC-Gerät, und zwar mit der "Differential scanning calorimetry"-Methode. Dabei untersucht Setman, wie unterschiedliche Temperaturen auf die Metalle wirken. Wie viele Leerstellen wann auftreten, liest die Physikerin aus der Kurve, die das Gerät ausspuckt. Obwohl aus dem Jahr 1992, zählt es immer noch zu den Besten seiner Art. "Witzig ist, dass nun Studierende damit arbeiten, die jünger als das DSC-Gerät sind", lacht Setman.

Der Apparat misst die Wärmeaufnahme der Probe. Wenn die Defekte durch die Hitze irgendwann so mobil sind, dass sie "ausheilen", weil sie nicht im Gleichgewicht mit dem Metall sind, ist dies an einem "Peak" bzw. Knick in der Kurve erkennbar. "Sobald genug Energie zur Verfügung steht, heilen die Defekte aus. Wie viele es genau waren, kann ich dann anhand der Peaks errechnen", erläutert die junge Physikerin.

Wasserstoff im Palladium

"Diese Forschungsarbeit ist Nervenkitzel pur: Was am Ende herauskommt und in welche Richtung die Forschung letztendlich gehen wird, kann noch niemand genau sagen", so Setman. Ein Aha-Erlebnis bereitete ihr die Verformung von Palladium als Wasserstoffspeicher: Wasserstoff ist das kleinste Element in unserem Universum und passt in die Zwischenräume der Metallgitter. Beim Aufladen des Metalls mit Wasserstoff kann es jedoch - wie in der U-Bahn - zu "Gedrängel" bzw. Staus an den Eingängen kommen, was das Aufladen in die Länge zieht. Wird das Palladium jedoch verformt, werden die Korngrenzen zu kleinen "Autobahnen", auf denen die Wasserstoffatome schneller in die Gitter gelangen. In den Leerstellen können sich die Wasserstoffatome außerdem gut verteilen. "Unsere Forschungsgruppe war die erste, die diese - in der Theorie bereits bekannten - Wasserstoffcluster mit DSC nachweisen konnte", freut sich die junge Wissenschafterin.

Das Projekt "Härtung durch verformungs-ind. Leerstellen in SPD Nanometallen" unter der Leitung von Mag. Dr. Daria Setman von der Gruppe Physik Nanostrukturierter Materialien der Fakultät für Physik wird im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programms des FWF finanziert und läuft von 1. Juni 2011 bis 31. Mai 2014.

(Quelle: Forschungsnewsletter der Universität Wien)

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