Start ins Amt mit Notmaßnahmen - Der neue Rektor der Uni Wien im Interview

4. Oktober 2011 - 10:58

"Töchterle-Milliarde vermeidet nur die Katastrophe"

Nach zwölf Jahren hat die Universität Wien wieder einen neuen Rektor. Am Montag wurde der Mathematiker Heinz Engl (58) feierlich angelobt. Die APA sprach mit ihm unmittelbar nach der Inauguration.

APA: Sie haben in Ihrer Inaugurationsrede gesagt, schwierige Zeiten kommen auf die Uni zu. Viele Studenten, wenig Geld - welche Ziele haben sie sich angesichts dieser Ausgangslage gesteckt?

Engl: Wir wollen die Studierenden, die wir haben, möglichst gut ausbilden können. Doch dazu braucht es auch mehr Geld, weil die Betreuungsverhältnisse in einigen Studienrichtungen - bei weitem nicht in allen - so sind, dass sie sich nicht verantworten lassen.

APA: Sie haben auch auf die Fächervielfalt als wichtiges Charakteristikum der Uni Wien hingewiesen. Wie passt das dazu, dass sie im Falle eines stagnierende Budgets Fächer schließen wollen?

Engl: Ich habe gesagt, wenn das Budget nicht steigt - also real sinkt, das ist ja die momentane Drohung - dann müssen wir Studienrichtungen einstellen. Das heißt ja nicht gleich ganze Fächer schließen, sondern vielleicht in manchen Studienrichtungen die Vielfalt, die es derzeit gibt und die an sich auch unser Ziel wäre, etwas einschränken. Wenn es weniger Geld gibt, wird man das spüren. Der Erhalt der Fächervielfalt ist das Ziel. Aber das braucht auch die notwendige Finanzierung.

APA: Seit der Audimax-Besetzung im Herbst 2009 hat sich die Situation für Studenten nicht wirklich verbessert. Rechnen sie mit erneuten Protesten?

Engl: Die Situation für die Studierenden hat sich schon etwas verbessert, weil es wurden ja Mittel aus der sogenannten Notfallreserve des Wissenschaftsministeriums investiert. Die haben wir investiert in die Verbesserung der Betreuungsrelationen etwa in der Publizistik. Es hat die Situation etwas verbessert, aber natürlich nicht nachhaltig. Die Situation ist weiter kritisch. Wir werden vor allem sehen, wie viele zusätzliche Studierende wir ab Herbst bekommen. Das Voranmeldesystem liefert uns keine neuen Informationen, wie kritisch die Situation wird.

APA: Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (V) hat für die Jahre 2013 bis 2015 eine Hochschulmilliarde angekündigt. Wären damit die Probleme der Uni Wien gelöst?

Engl: Ganz entscheidend wird erstens sein, wie groß diese Milliarde wirklich ist - das ist offenbar ein bisschen ein variabler Begriff in Österreich. Zweitens: Was wird dort schon alles hineingerechnet? Allein durch das Auslaufen der Regelung für die Studienbeitragsrückerstattung haben alle österreichischen Universitäten ab 2014 zusammen ein Loch von über 150 Mio. Euro. Sind die jetzt in der Milliarde drinnen oder kommen sie zusätzlich? Das ist eine ganz entscheidende Frage. Wenn diese 150 Mio. Euro zusätzlich zur Töchterle-Milliarde kommen würden, heißt das, dass die Universitäten bis 2015 nicht die Krise haben werden, wie ich sie sonst angekündigt habe. Es gäbe eine leichte Verbesserung. Aber eine große, nachhaltige Verbesserung muss weitergehen. Streng genommen würden wir die Töchterle-Milliarde jedes Jahr brauchen um in Verhältnisse wie etwa an der Universität Zürich zu kommen - das mag unbescheiden klingen, ist aber die Realität. Die Töchterle-Milliarde vermeidet nur die Katastrophe.

APA: Wie können sie eine Raum-Katastrophe vermeiden, sollte es wirklich deutlich mehr Studienanfänger geben? Ihr Amtsvorgänger Georg Winckler hat Ihnen etwa die Anmietung von Kinosälen empfohlen.

Engl: Er hat sie nicht nur empfohlen, sondern noch selbst in Angriff genommen. Es gibt Vorkehrungen in bestimmten Fächern, in denen die Räume überquellen. Aber ist das wirklich ein attraktives Studium, wo Vorlesungen in Kinosäle übertragen werden? Das ist nur eine Notmaßnahme. Der Engpass sind aber nicht nur die Räume, sondern auch die Lehrenden und wir haben derzeit auf Grund der gesetzlichen Regelungen keine seriösen Planungsgrundlagen, um in einigen Fächern zu sagen, wie viele Parallelgruppen wir etwa brauchen.

(APA / red)

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