Klimakrise - Wissenschafts-Appell zum Widerstand "neues Phänomen"

10. Januar 2023 - 13:05

Schon im Vorjahr haben Klimaforschende weltweit zu zivilem Ungehorsam aufgerufen und sich zunehmend selbst an Protesten gegen die Klimapolitik beteiligt. Für den Politologen Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Boku Wien, handelt es sich um eine "relativ neues Phänomen", wie er im Mai 2022 gegenüber der APA sagte. Eine Rolle gespielt hat dabei auch die Rede von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres Anfang April bei der Vorstellung des jüngsten IPCC-Berichts.

Steurer versammelte Kollegen der TU Wien, BOKU Wien, WU Wien und JKU Linz
Steurer versammelte Kollegen der TU Wien, BOKU Wien, WU Wien und JKU Linz

Einer der bekanntesten Demonstranten des vergangenen Jahres war der NASA-Klimawissenschafter Peter Kalmus. Am Mittwoch, den 6. April, fesselte er sich gemeinsam mit anderen Wissenschaftern an die Eingangstüren der US-Bank JP Morgan Chase in Los Angeles, weil das Geldhaus neue fossile Projekte finanziert. Die Verhaftung nahm er in Kauf. "Ich bin bereit ein Risiko für diesen großartigen Planeten einzugehen". Als er sagt, er tue das für seine beiden Söhne, bricht ihm die Stimme.

Guterres' Rede als Auslöser

Zwei Tage zuvor hatte UNO-Chef Guterres in einer Brandrede zu einer Art Revolution aufgerufen. "Wir stehen in der Schuld junger Menschen, der Zivilgesellschaft und indigener Gemeinschaften, die Alarm geschlagen und die Politiker zur Verantwortung gezogen haben. Wir müssen auf ihrer Arbeit aufbauen, um eine Graswurzelbewegung zu gründen, die nicht ignoriert werden kann."

Für Steurer sei Guterres "einer der wenigen Politiker, der die Warnungen der Wissenschaft ernst nimmt und in eigene Worte fasst". Guterres' Aufruf zum Widerstand dürfte den Protesten zusätzlichen Schwung verliehen haben: "Natürlich bestärkt und legitimiert er damit jene Teile der Klimabewegung, die sich nicht mehr mit offenbar zu wenig wirksamen Stellungnahmen und Demonstrationen begnügen", so Steurer.

Wie Steurer erklärt, ist Kalmus Teil einer globale Bewegung von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern, die sich dem zivilen Widerstand verschrieben haben. Diese Bewegung gebe es bereits seit September 2020, sei aber erst 2022 aufgrund der Berichte des Weltklimarats IPCC und der global vernichtenden Bilanz der Klimapolitik lautstark in Erscheinung getreten. An dieser Bewegung würden sich tausende Forscher aller Karrierestufen, von Doktoratsstudierenden bis hin zu erfahrenen Wissenschaftern, beteiligen.

Aktionen als Notwehr-Reaktion

Laut Steurer handelt es sich bei den Protesten "um eine angemessene Notwehr-Reaktion von jenen, die schon heute wissen, wie groß die Katastrophe in wenigen Jahren werden wird, wenn sich unser Kurs nicht grundlegend ändert. Da geht es dann nicht nur um Dürren und Überschwemmungen, sondern um Millionen Tote durch Hitze und Ernteausfälle."

Der Wiener Politikwissenschafter erwartet, dass die Proteste noch heftiger werden. "Man muss kein Hellseher sein um zu sehen, dass sich der Klimanotstand weiter zuspitzen und politischen Reaktionen darauf unangemessen bleiben werden. Solange das so ist, werden sämtliche Formen des Widerstands weiter zunehmen." Steuer kann den Aktionen auch etwas Positives abgewinnen. "Das ist ein gutes Zeichen, denn solange sich jene, die am meisten über den Klimanotstand wissen, mit hohem persönlichem Einsatz dagegen stellen und dafür sogar ihre berufliche Laufbahn riskieren, haben sie noch nicht aufgegeben."

Im Jänner 2023 organisierte dann Steurer selbst eine Solidaritätsaktion für die "Letzte Generation". Gemeinsam mit rund 40 anderen Wissenschaftern stellte sich Steurer solidarisch hinter die Aktivistinnen und Aktivisten, die sich am Wiener Praterstern auf die Fahrbahn klebten bzw. setzten.

(APA/red, Foto: APA/APA/GEORG HOCHMUTH/GEORG HOCHMUTH)

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