Dickdarmkarzinom: MicroRNAs steuern Streuung von Metastasen

9. August 2017 - 11:55

Sehr kurze RNA-Abschnitte spielen offenbar eine tragende Rolle bei der Streuung von Metastasen beim Dickdarmkarzinom. Das haben Forscher der Grazer Med-Uni rund um den Mediziner und Molekularbiologen Martin Pichler gemeinsam mit internationalen Kollegen erkannt. Ihre Erkenntnisse haben sie vor kurzem in den Journalen "Clinical Cancer Research" und "Genome Biology" publiziert.

Verena Stiegelbauer und Martin Pichler im Labor
Verena Stiegelbauer und Martin Pichler im Labor

Das Dickdarmkarzinom ist bei Männern die dritt- und bei Frauen die zweithäufigste diagnostizierte Krebserkrankung. Das Auftreten von Metastasen beeinflusst den Behandlungserfolg maßgeblich. Forscher weltweit versuchen daher, ihre Bildung und Verbreitung besser zu verstehen und einzudämmen. Nun haben die Experten herausgefunden, dass sogenannte MicroRNAs die Ausbreitung von Dickdarmkrebszellen regulieren, wie die Grazer Medizinische Universität mitteilte.

"In allen Körperzellen und somit auch in Tumorzellen laufen ständig biochemische Prozesse ab, welche maßgeblich durch Eiweißmoleküle gesteuert werden", erklärte Pichler. Er leitet die Research Unit "Non-coding RNAs and Genome Editing in Cancer" an der Med-Uni. Krebszellen machen sich diese Eiweißmoleküle zunutze, um in gesundes Gewebe einzudringen und sich über das Blutgefäßsystem in andere Organe streuen zu können. Ob und wie viele solcher Eiweißstoffe gebildet werden, wird auf komplexe Weise kontrolliert und reguliert.

"Eine Ebene dieser Regulation läuft über MicroRNAs, welche die Produktion der Eiweißstoffe hemmen können", umriss Pichler. Dieser Mechanismus in Krebszellen wurde erstmals von George A. Calin (Department of Experimental Therapeutics, am MD Anderson Cancer Center der University of Texas in Houston) bei chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) im Jahr 2002 beschrieben. Pichler selbst hat über ein Erwin-Schrödinger-Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF mit ihm in Houston gearbeitet und ist nach wie vor als Gastprofessor dort tätig, wie er der APA sagte.

Großes Potenzial von MicroRNAs

RNA-Moleküle sind einzelne Abschriften der DNA einer Zelle. Sie übertragen die genetischen Informationen der DNA und dienen als Vorlage für die Herstellung von Proteinen, die sämtliche Prozesse in der Zelle steuern. Kurze, aus etwa 20 Nukleotiden bestehende RNA-Abschnitte, sogenannte MicroRNA (miR), werden jedoch nicht in Proteine umgesetzt. Lange Zeit wurde angenommen, dass nur die für protein-kodierenden Gene definierten Abschnitte im menschlichen Genom Bedeutung haben, und die viel umfangreicheren dazwischen liegenden miR-Abschnitte keine Relevanz hätten. Mittlerweile habe sich aber das große Potenzial für die Nutzung dieser MicroRNAs nicht nur bei Krebserkrankungen, sondern auch bei Infektions- oder Stoffwechselerkrankungen gezeigt, betonte Pichler.

Zuletzt haben Pichler und seine Kollegen einige dieser MicroRNAs und andere Non-Coding RNAs entdeckt, die die Ausbreitung von Dickdarmzellen regulieren. In zwei unabhängigen Kohorten mit rund 300 Patienten zeigte sich beispielsweise, dass eine niedrige miR-196b-5p-Expression "signifikant" mit Metastasenbildung in Zusammenhang steht. Weiters zeigte sich, dass miR-196b-5p einen direkten Einfluss bei der Wanderung von Krebszellen (Krebszellmigration) und der Metastasen-Bildung hat.

Überexpressions- und Inhibitionsexperimente

Die Forscher haben Überexpressions- und Inhibitionsexperimente durchgeführt, um den Einfluss der MicroRNAs auf Zellproliferation, Chemosensitivität, Migration, Invasion und Metastasenbildung in vitro und in vivo zu untersuchen. Dabei haben sie im Mausmodell erkannt, dass das verminderte Vorkommen von miR-196b-5p zu einer erhöhten Bildung von Krebs-Tochtergeschwüren führt. Bei Überexpression sei hingegen die Metastasierung gehemmt worden. Hier konnte nachgewiesen werden, dass die Gene HOXB7 und GalNT5 durch miR-196b-5p reguliert werden, wodurch wiederum die Zellmigration beeinflusst wird.

MiR-188-3p wurde ebenfalls als unabhängiger prognostischer Marker identifiziert: Eine Überexpression von miR-188-3p führte zu einer verstärkten Migration von Kolorektalkarzinom-Zelllinien "im Reagenzglas" und erhöhter Metastasenbildung im Zellmodell.

"Könnte man hier ansetzen und die Funktion dieser Regulatoren beeinflussen, wären die Ergebnisse unserer Studien für mögliche therapeutische Ansätze potenziell nutzbar", resümierte die Absolventin der Grazer Doctoral School "Translational Molecular and Cellular Biosciences" und Erstautorin einer der Studien, Verena Stiegelbauer. Die miR-Forschung an der Grazer Med-Uni wird jedenfalls weitergeführt: "Wir wollen das präklinische therapeutische Potenzial weiter ausloten", sagte Pichler zur APA und betonte zugleich, dass es noch Jahre dauern dürfte, bis es mögliche Anwendungen am Patienten geben könnte.

Service: http://clincancerres.aacrjournals.org/content/early/2017/07/02/1078-0432.CCR-17-0023 und https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27601590

(APA/red, Foto: APA/Med Uni Graz)

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