Je genauer eine Uhr misst, desto mehr Unordnung stiftet sie

9. August 2017 - 9:55

Mit der Unordnung im Universum ist es so eine Sache - sie ist nicht nur omnipräsent, sondern dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zufolge auch ständig im Zunehmen. Ein Team um den Wiener Quantenphysiker Marcus Huber hat im Fachblatt "Physical Review X" nun ein Gedankenexperiment vorgestellt, das zeigt, dass das Ticken einer Uhr die Unordnung umso mehr antreibt, je genauer sie misst.

Uhren verbrauchen alle Energie in Form von Strom
Uhren verbrauchen alle Energie in Form von Strom

Laut Zweitem Hauptsatz der Thermodynamik streben abgeschlossene Systeme, in denen physikalische Prozesse ablaufen, größter Unordnung zu, was als "maximale Entropie" bezeichnet wird. Dabei geht nutzbare Energie quasi verloren. Auf unser Universum umgelegt, wäre das System dann zwar im Gleichgewicht, geordnete Strukturen, wie man sie etwa in unserem Körper findet, gebe es dann jedoch nicht mehr.

Den Ausgangspunkt für die Überlegungen des internationalen Teams, zu dem Forscher aus der Schweiz, Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden gehören, war die Frage, "wie kann ich beantworten, was Zeit eigentlich ist, ohne sie zu messen?", so Huber, der am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) forscht, im Gespräch mit der APA. "Das fundamentalste Instrument, um Zeit zu messen, ist natürlich eine Uhr. Armband- oder Computeruhren verbrauchen alle Energie in Form von Strom. Die Frage war, ob das ein unausweichliches Merkmal ist oder ob ich gewissermaßen eine Gratis-Uhr bauen kann, an der sich die Zeit ablesen lässt, ohne dass dabei Energie verbraucht wird."

Jeder Tick kostet Ordnung

Die Wissenschafter machten sich also auf die Suche nach der theoretisch "besten Uhr", und kamen zu dem Schluss, "dass selbst die 'beste Uhr' immer noch Energie bräuchte. Viel wesentlicher ist aber, dass für ihren Betrieb ein Teil der Energie - im Sinne von Entropie - einfach unwiederbringlich verloren geht. Das heißt, jeder Tick, den egal welche Uhr macht, mich sozusagen ein Stückchen Ordnung kostet", so der Wissenschafter. Und mehr noch: Je genauer eine Uhr tickt, desto mehr Energie verbraucht sie, und umso mehr Unordnung entsteht folglich durch die Uhr selbst, besagt das neue Modell.

Besonders interessant sei das Gedankenexperiment im Zusammenhang mit der Frage, woran man eigentlich festmachen kann, dass Zeit vorwärts und nicht etwa rückwärts läuft. Was für uns völlig klar ist, ist nämlich anhand physikalischer Parameter gar nicht so leicht festzumachen. Huber führt als Beispiel zwei Billardkugeln an, die zusammenstoßen und wieder perfekt elastisch voneinander abprallen. "Nehmen wir an, wir nehmen das auf Film auf. Je nachdem, ob man sich das vor- oder rückwärts anschaut, könnte man Vergangenheit und Zukunft nicht unterscheiden. Wenn aber alle Prozesse vor- und rückwärts genau gleich laufen, widerspricht das ja unserem konsistenten Verständnis davon, was früher war und was zukünftig sein wird", sagte Huber. Sowohl Gesetze der klassischen Mechanik wie auch die oft sehr seltsam anmutenden Abläufe in der Quantenmechanik sind also "zeitumkehrinvariant", wie es Physiker ausdrücken.

Die durchschnittliche stetige Zunahme der Entropie mit der Zeit sei eine der wenigen physikalischen Abläufe, anhand derer sich der Lauf der Zeit in die uns geläufige Richtung festmachen lässt. Huber: "Das ist eigentlich die einzige Erklärung für die Richtung des Zeitpfeils." Das werde zwar schon seit rund 100 Jahren diskutiert, das neue Modell zeige aber, "dass egal, wie gut ich meine Uhr bauen kann, die Entropie pro Tick mindestens um einen bestimmten Wert ansteigen muss, weil ich sonst Zeit nicht messen kann", erklärte der Erstautor der Arbeit, Paul Erker.

Service: http://dx.doi.org/10.1103/PhysRevX.7.031022

(APA/red, Foto: APA/APA (dpa))

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