Zell-basierte Immun-Gentherapie stößt an Kapazitätsgrenzen

20. Juli 2017 - 9:40

Vergangene Woche empfahl ein Fachgremium der US-Arzneimittelbehörde FDA erstmals die Zulassung einer auf der genetischen Veränderung von Immunzellen von Patienten basierende Therapie gegen Krebs. Es handelt sich dabei um ein vom Pharmakonzern Novartis entwickeltes Verfahren (CAR-T-Zelltherapie). Doch die Crux liegt im Detail - vor allem was die Produktionskapazitäten für mehr Patienten angeht.

Individuelle Behandlung ist extrem aufwendig
Individuelle Behandlung ist extrem aufwendig

Vorerst soll die Therapie bei Akuter Lymphatischer B-Zell-Leukämie für Patienten zwischen drei und 25 Jahren eingesetzt werden, wenn es nach der herkömmlichen Behandlung zu einem Rückfall kommt oder der Betroffene auf diese Behandlungsformen nicht anspricht. Dabei ist die Akute Lymphatische B-Zell-Leukämie eine an sich seltene Erkrankung - macht aber trotzdem etwa 25 Prozent der Krebserkrankungen im Kindesalter aus. Die Überlebenschancen für Kinder betragen mit den etablierten Therapien zwischen 80 und 90 Prozent.

Die Basis für die Empfehlung des FDA-Expertengremiums waren die von Novartis eingereichten Ergebnisse mit der CAR-T-Zelltherapie bei 63 Patienten, die zwischen April 2015 und August 2016 behandelt worden waren. Dabei gab es ein Verschwinden der Erkrankung (Remission) bei 82,5 Prozent (52 Patienten). Elf der 63 Behandelten starben. Mittlerweile ist etwas Vorsicht angebracht. Laut "New York Times" gab es bis November 2016 bei elf der zunächst erfolgreich Behandelten Rückfälle. 29 Probanden befanden sich weiterhin in Remission. Elf weitere Probanden erhielten zusätzlich andere Therapien bzw. unterzogen sich einer Stammzelltransplantation.

Warnung vor zu großen Erwartungen

Was stutzig macht, sind rund 20 Zeilen Text umfassende Warnungen des Pharmakonzerns bezüglich der Erwartungen, welche Leser der Aussendung über die Empfehlung des FDA-Gremiums haben könnte: Es sei nicht zu garantieren, dass das Verfahren auf den Markt komme. Es könnten jederzeit Probleme bei der Entwicklung, Zulassung oder durch neue klinische Studien auftreten, ebenso durch Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen oder durch Probleme in der Produktion der CAR-T-Zellen.

Die Kapazitäts- und Preisprobleme sind wahrscheinlich die größten Schwierigkeiten. Beim Preis wurden für einen Patienten - und es handelt sich eben um eine Therapieform mit Zellen, die für jeweils einen Patienten entwickelt werden muss - mehr als 500.000 US-Dollar (432.713,11 Euro) genannt. Mindestens genauso arg ist das Kapazitätsproblem bei der Herstellung dieser "scharf" gemachten Immunzellen. So laufen derzeit weltweit rund 180 klinische Studien für die Behandlung unterschiedlichster Krebserkrankungen mit diesem Verfahren. Für alle die in den Studien aufgenommenen Kranken muss jeweils "ihre" individuelle Charge an CAR-T-Zellen produziert werden.

Der Kinder-Onkologe Stephan Grupp vom Children's Hospital in Phildelphia (CHOP/US-Bundesstaat Pennsylvania) wurde vor kurzem von der US-Wissenschaftszeitschrift "Science" so zitiert: "Die Versprechen, die dieser 'Stoff' macht, hat einfach die typischen Mechanismen in der Entwicklung (von Therapien; Anm.) überfordert." Man könne pro Monat fünf Kinder behandeln. Diese Zahl bestimme derzeit sein Berufsleben, meinte Grupp.

Spitzenkliniken produzieren selbst

Statt allein auf den Pharmakonzern zu vertrauen, setzen Spitzenkliniken auch auf die eigene CAR-T-Zell-Produktion. "Wir haben ursprünglich irgendwie zu viel (an Kapazitäten; Anm.) aufgebaut", wurde Adrian Gee vom Baylor College of Medicine in Houston (US-Bundesstaat Texas) zitiert. Jetzt sei man in der glücklichen Lage, dem Bedarf an CAR-T-Zellen nachzukommen. Das Seattle Children's Hospital im US-Bundesstaat Washington hat ebenfalls ein eigenes Labor für CAR-T-Zellen etabliert und gab bekannt, binnen weniger Jahre die Produktionsrate für die "scharf" gemachten T-Lymphozyten des einzelnen Patienten von derzeit zehn Chargen pro Monat vervierfachen zu können.

Novartis hat in sein in Morris Plains im US-Bundesstaat New Jersey errichtetes Produktionslabor rund 43 Millionen US-Dollar (37,21 Mio. Euro) gesteckt und will mehrere Staaten versorgen. Aber versprechen kann derzeit niemand etwas. Und allein schon die Chargen für die derzeit laufenden klinischen Studien zu den diversen Krebserkrankungen dürften den größten Teil der CAR-T-Zell-Kapazitäten aufbrauchen.

(APA/red, Foto: APA/APA (AFP))

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