"Gitti, Wolfi, schaut's her einmal": Mediathek nun mit Privatvideos

24. Februar 2017 - 13:50

Sie waren eine Zeit lang das Pendant zum Dia-Abend: Stolze Amateurfilmer führten Freunden und Verwandten mitunter endlose Privatvideos von Hochzeiten, Ausflügen oder Reisen vor. Im Social-Media-Zeitalter ist das obsolet geworden. Eine Art Zeitreise bietet nun allerdings die Österreichische Mediathek an. Sie hat 3.000 Stunden Videomaterial digitalisiert, rund 500 Clips sind nun online abrufbar.

Videos durch öffentliche Aufrufe zusammengetragen
Videos durch öffentliche Aufrufe zusammengetragen

"Wiener Video Rekorder" nennt sich das Projekt der Österreichischen Mediathek des Technischen Museums. In den vergangenen drei Jahren wurden rund 2.000 Videokassetten von Wiener Privathaushalten gesammelt, teils restauriert und in beständiges Digitalformat umgewandelt, erzählte Leiterin Gabriele Fröschl kürzlich bei der Präsentation. Die Idee: Ein Stück Alltagskultur sollte vor dem - nicht zuletzt materialbedingten - Verfall gerettet und für wissenschaftliche Forschung zugänglich gemacht werden: "Privatsammlungen finden nur schwer den Weg in öffentliche Archive." Und in öffentlichen Erinnerungen würden bestimmte Themen zu kurz kommen.

Der Großteil der Amateurfilmchen entstand in der VHS-Blütezeit - also in den 1980er- und 1990er-Jahren. Am häufigsten wurde der Alltag von Freunden und der Familie festgehalten, gefolgt von Freizeitaktivitäten, Festen und Reisen, sagte Fröschl. Freilich haben sich mit dem Aufkommen der Videotechnologie auch die Möglichkeiten geändert. Anders als bei den teuren Filmrollen konnte nun billiger und somit länger gedreht werden, was den Blick auch auf vermeintliche Nebensächlichkeiten gelegt habe, so die Projektleiterin.

Einblicke in früheres Stadtbild

Als Beispiel dafür diente heute etwa ein sehr ausführlicher Schwenk über eine angerichtete Hochzeitstafel oder Umgebungsaufnahmen aus Hietzing 1997. "Solche Dokumente erlauben Einblicke in das frühere Stadtbild und den öffentlichen Raum", freute sich Fröschl. Abgesehen von den Kosten war natürlich auch die erstmalige Möglichkeit, den Ton gleich mit dem Bild festzuhalten, besonders reizvoll - was folglich auch unfreiwillige Off-Kommentare zur Folge hatte. "Georg, bitte bleib herunten da", rügt da etwa ein Vater seinen Sohn, der beim Tiergartenausflug Anfang der 1980er-Jahre gerade dabei war, aufs Geländer des Eisbärbeckens zu klettern.

Eine der Stimme nach ältere Dame hat wiederum Urlaubseindrücke einer Kroatienreise - damals noch Jugoslawien - 1989 für die Nachwelt dokumentiert. "Gitti, Wolfi, schaut's her einmal", wünscht sie sich weniger Kamerascheu von den Mitreisenden. "Interessant bei diesen Reisevideos ist der Blick auf die Fremde", meint Fröschl. Und auch der Trend von Europa- zu Fernreisen im Lauf der Zeit wird anhand der Clips sichtbar.

Herstellung von Gegenöffentlichkeit

Video diente aber auch der Herstellung von Gegenöffentlichkeit. So hielten Aktivisten etwa 1983 die Räumung des selbst verwalteten Zentrums "Gassergasse" (GAGA) auf Band fest, um der öffentlichen Berichterstattung ihre Sicht der Dinge entgegenzuhalten.

Aufgetrieben hat man die Videos mit öffentlichen Aufrufen an die Bevölkerung. Viele stellten ihr Material nicht zuletzt deshalb zur Verfügung, weil die Mediathek den Spendern jeweils eine digitale Kopie der Aufnahmen überließ. Gänzlich öffentlich einsehbar ist der gesammelte Bestand nicht, aber immerhin jene 500 Clips, "wo es rechtlich und ethisch möglich war".

Gabriele Zuna-Kratky, Direktorin des Technischen Museums, betonte die Wichtigkeit dieses "Gedächtnisspeichers". Durch die Betrachtung von Vergangenem könne man das Gegenwärtige besser bewerten und verstehen, sagte sie. Das Projekt wurde mit 237.000 Euro vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF) gefördert.

Material von zugewanderten Wienern habe man kaum bekommen, sagte Projektleiterin Fröschl auf Nachfrage. Denn erstens sei es schwierig, Privatschätze von "eher geschlossenen Gruppen" zu erhalten. Und zweitens sei der Digitalisierungsgrad im migrantischen Milieu bereits weiter fortgeschritten, da Zuwanderer diese Technologie oft für die Kommunikation mit ihren Heimatländern einsetzten.

Service: Infos und Videos sind unter www.wienervideorekorder.at abrufbar.

(APA/red, Foto: APA/www.wienervideorekorder.at)

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