Österreichischer Impfplan - Weiterhin große Lücken

16. Januar 2017 - 9:30

In Österreich gibt es noch immer Lücken beim Impfschutz der Bevölkerung. Dies trifft besonders auf Masern, Keuchhusten und saisonale Influenza zu, geht aus dem "Impfplan Österreich 2017" hervor, der beim Österreichischen Impftag präsentiert worden ist. Ärzte und Eltern werden bezüglich der Veranlassung der empfohlenen Immunisierungen in die Pflicht genommen.

Vor allem bei Masern, Keuchhusten und Influenza
Vor allem bei Masern, Keuchhusten und Influenza

"Schutzimpfungen gehören zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen. Geimpfte sind im Regelfall vor der entsprechenden Krankheit geschützt", heißt es in den Vorbemerkungen des neuen Impfplans, der jedes Jahr aktualisiert wird.

Die Mängel existieren in Österreich trotz des Gratis-Kinderimpfprogramms und vieler Angebote für Erwachsene. "Die derzeitige epidemiologische Situation in Österreich erfordert vor allem Anstrengungen zur Reduktion des Erkrankungsrisikos an Keuchhusten und Masern. Influenza verursacht mit der fast jedes Jahr auch in Österreich auftretenden Epidemie bis zu 1.000 Todesfälle, hier ist es ebenfalls notwendig, die Durchimpfungsraten deutlich zu erhöhen", schrieben die Autoren. Die Masern-Impfung (kombiniert mit Mumps und Röteln) betrifft speziell Kinder, beim Keuchhusten existieren Defizite beim Impfschutz von Erwachsenen.

Ärzte und Eltern in der Pflicht

Vor allem zwei Personengruppen könnten an den Problemen etwas ändern: die Ärzte und die Eltern. "Es entspricht der ärztlichen Sorgfalt, die von ihnen betreuten Personen über den erforderlichen Impfschutz fachgerecht zu informieren. Dazu gehört, dass die Grundimmunisierung bei Säuglingen und Kleinkindern rechtzeitig begonnen, nicht unnötig verzögert und zeitgerecht abgeschlossen wird. Darüber hinaus ist es notwendig, den Impfschutz durch Auffrischungsimpfungen in jedem Lebensalter sicherzustellen. Ein Abraten von Impfungen ohne Vorliegen einer Kontraindikation durch Ärzte im persönlichen Beratungsgespräch ist ein Verstoß gegen die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin und kann die berufliche Vertrauenswürdigkeit infrage stellen", wird im Impfplan formuliert.

Laut Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte jeder Arztkontakt genutzt werden zu prüfen, ob die empfohlenen Impfungen durchgeführt worden sind, und - wo notwendig - fehlende Impfungen nachzuholen. Auch Arztkontakte im Rahmen von Spitalsaufenthalten sollten dafür genutzt werden, heißt es im Österreichischen Impfplan.

Auch die Eltern werden angesprochen: "Entsprechend der UN-Konvention vom 20. November 1989 haben Kinder das Recht auf beste Gesundheitsversorgung. Dazu gehört auch der Schutz vor Erkrankungen, die durch Impfung vermeidbar sind. Den Eltern obliegt es, die Schutzimpfungen bei ihren Kindern vornehmen zu lassen." Als allgemeiner Grundsatz könne bei den Impfungen gelten: "Jeder, der sich und seine Familienangehörigen (Kontaktpersonen) schützen will, soll sich impfen lassen."

Zuwenige Kinder gegen Masern geimpft

"Die Masern haben uns auch 2016 weiter beschäftigt. Nach dem Rekordjahr 2015 mit 309 Masernfällen in Österreich sind die Fallzahlen 2016 zwar verhältnismäßig gering, dafür haben wir seit vergangenen Sommer erstmals präzisere Evaluierungen zur Masern-Durchimpfungsrate und es zeigte sich, dass wir Kinder zu spät und leider oft nur mit einer statt mit zwei Impfungen impfen, außerdem sind über eine halbe Million Personen zwischen 15 und 30 Jahren unzureichend gegen Masern geimpft", erklärte dazu die Sektionsleiterin für Öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, Pamela Rendi-Wagner. Hier sei Nachholbedarf für Impfungen gegeben.

Für 2016 wurden bisher etwas mehr als zwei Dutzend Masernfälle in Österreich gemeldet. Die Zahl dürfte aber wegen Nachmeldungen noch steigen. "Betroffen waren acht Bundesländer, alle bis auf Kärnten", betonte Rendi-Wagner. Zwei der Erkrankten waren Kinder unter zwölf Monaten. In dieser Altersgruppe kann es als Spätkomplikation auch zu einer gefürchteten, langsam fortschreitenden Gehirnentzündung (subakut sklerosierende Panenzephalitis) kommen, die unbehandelbar ist und in jedem Fall tödlich verläuft.

"Aus diesem Grund möchte ich einmal mehr auf die Wichtigkeit der Masernimpfung hinweisen. Vergangenes Jahr gab es einen großen Masernausbruch in Rumänien, der gezeigt hat, dass wir auch weiterhin in Europa damit rechnen müssen, dass Masern ein großes Thema ist. Insofern dürfen die Anstrengungen nicht enden, die Masern-Impfung zu forcieren. Dies haben wir auch im aktuellen Impfplan 2017 berücksichtigt, die MMR-Impfung (Masern-Mumps-Röteln) wird ab sofort bereits ab dem vollendeten 9. Lebensmonat empfohlen, also ein Jahr früher als in den letzten Jahren, um den besonders gefährdeten Kindern in dieser Altersgruppe früher einen Schutz zu gewähren."

Impfungen bei Allergien zumeist möglich

Der Österreichische Impfplan umfasst auch in diesem Jahr neue Themen: zum Beispiel Impfungen bei Allergien und die Immunisierung spezieller Personengruppen. Insgesamt stellen die Autoren unter Federführung des Gesundheitsministeriums fest, dass die Positiva bis auf extrem selten potenziell auftretende Probleme überwiegen.

"Die wissenschaftliche Evidenz ist groß, dass Impfungen trotz Allergien im Allgemeinen bedenkenlos durchgeführt werden können (Ausnahme: Anaphylaxie nach Impfung)", heißt es im Impfplan 2017. Auch entgegen den Fachinformationen stelle eine bekannte Hühnereiweißallergie gemäß internationalen Leitlinien keine absolute Kontraindikation mehr zur Verabreichung von hühnereiweißhaltigen Impfstoffen dar. Die Fachinformationen werden von den Erzeugern der Vakzine vor allem aus juristischen Gründen (Haftungsfragen) oft extrem restriktiv formuliert.

Jedenfalls könnten FSME- sowie Tollwutvakzine (Reiseimpfung) unter besonderen Schutzmaßnahmen und Beobachtung nach der Impfung, aber auch Masern-Mumps-Röteln-Impfungen und Influenza-Impfstoffe auch bei bekannter Eiweißallergie verabreicht werden. Allergische Reaktionen nach Impfungen mit einem gesichertem Kausalzusammenhang träten im Allgemeinen selten auf (geschätzt ein Fall von 500.000 bis eine Million Dosen). Die Häufigkeit der schwersten Reaktionen (Anaphylaxien) lässt sich überhaupt nur noch schätzen, so gering ist sie.

Laut den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen stellen Impfungen keine Belastung für das Immunsystem dar. "Mathematische Modelle haben errechnet, dass selbst zehn Impfungen gleichzeitig appliziert das Immunsystem zu weniger als 0,1 Prozent auslasten würden", heißt es im Österreichischen Impfplan.

Besondere Situation bei Schwangeren

Auch die Impfung spezieller Personengruppen wird im neuen Impfplan behandelt. So sollte bei Kinderwunsch speziell der notwendige Impfschutz gegen Masern-Mumps-Röteln (allfällige Nachimpfung im Mindestabstand von einem Monat zur Konzeption), gegen Varizellen (Feuchtblattern; Impfung im Mindestabstand von einem Monat zur Konzeption), gegen Diphtherie-Tetanus-Pertussis (Impfung auch während der Schwangerschaft möglich) überprüft bzw. sichergestellt werden. Generell können bei Schwangeren Impfungen mit Totimpfstoffen (z.B. Influenza) immer durchgeführt werden, als Vorsichtsmaßnahme wird aber eine Verschiebung auf das zweite oder dritte Schwangerschaftsdrittel empfohlen.

Bei Frühgeborenen sollten die Impfungen bei stabilem Zustand gemäß ihrem Alter (nicht dem Schwangerschaftsalter) verabreicht werden. Oft sei es hilfreich, bei diesen Kindern die erste Immunisierung noch im Spital durchzuführen. Auch Menschen mit geschwächtem Immunsystem sollten geimpft werden. Immunisierungen mit Totimpfstoffen sind immer möglich, allerdings kann es notwendig sein, den Impfeffekt später zu kontrollieren (Titeruntersuchungen). Für Lebendimpfstoffe gelten besondere Regeln. Solche Impfungen sollten bei Menschen mit schwerer Immundeffizienz nicht angewendet werden.

(APA/red, Foto: APA/APA (dpa))

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