SPÖ: Kern setzt in "Plan A" auf Studienplatzfinanzierung

12. Januar 2017 - 8:30

SPÖ-Chef Christian Kern legte parallel zu seiner Grundsatzrede am 11. Jänner in Wels auch ein knapp 150-seitiges Arbeitsprogramm vor. Das "Plan A" genannte Papier beinhaltet einen innerparteilichen Tabubruch, was die Uni-Politik angeht. In diesem spricht er sich für eine generelle Studienplatzfinanzierung inklusive Platzbeschränkungen aus. Auch mit dem Reizwort Selektion hat er kein Problem: "Es geht um Leistungsselektion statt sozialer Selektion", heißt es darin. Demzufolge soll es auch keine Studiengebühren geben.

Zahlreiche Anregungen für die Bildungspolitik
Zahlreiche Anregungen für die Bildungspolitik

In dem Papier spricht sich Kern für "eine klare Steigerung der budgetären Mittel (für die Hochschulen Anm.) in Richtung zwei Prozent des BIP" aus - wie sich Regierung und Parlament schon seit Jahren vorgenommen haben. Diese sollen für einen Ausbau der Kapazitäten, die Verbesserung der Betreuungsverhältnisse und die Steigerung der Studienqualität ausgegeben werden. Das müsse aber Hand in Hand gehen "mit einer generellen Strukturreform an den Unis und insbesondere mit der Einführung eines Systems zur Studienplatzfinanzierung".

Kern strebt eine "stärkere Steuerung der Studierenden-Flüsse seitens der öffentlichen Hand" sowie eine Verbesserung des Beratungsangebots an. Im Auge hat er primär (ohne Fächer zu nennen) die "Studienklassiker" mit hohen Studentenzahlen und schlechtem Betreuungsverhältnissen. "Im Gegensatz zur aktuellen Situation könnte sich die Zahl der Studienplätze (unter Einbeziehung jährlich steigender Studierendenzahlen) von einer Mindestzahl zu einer Maximalzahl wandeln, die sich an der aktuellen AbsolventInnenzahl zuzüglich einer Dropout-Rate orientiert", heißt es dann. Das deckt sich in etwa mit den Vorstellungen der Universitätenkonferenz.

Bachelorstudien in Studiengruppen zusammengefasst

Unter dem Stichwort "Uni mal anders gedacht" regt Kern an, Bachelorstudien in größere Studiengruppen zusammenzuführen - etwa Kunst, Naturwissenschaft, Medizin, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften. Je nach Gruppe soll dann die öffentliche Hand entscheiden, wie viele Plätze finanziert werden. Gleichzeitig plädiert Kern aber für den Ausbau "zukunftsträchtiger Studienfächer" etwa im Bereich der MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). An Unis und Fachhochschulen sollen 5.000 zusätzliche Plätze geschaffen werden.

Klassische SPÖ-Forderungen neben der Ablehnung von Studiengebühren finden sich im "Plan A" ebenfalls: So sollen die Einkommensgrenzen für die Studienbeihilfen valorisiert und die Gruppe der Bezieher ausgeweitet werden. Forciert werden soll auch der Zugang zum Studium ohne Matura - etwa durch mehr berufsbegleitende Studien sowie durch Aufbau- und Kurzstudien.

Außerdem will Kern die Qualität der Hochschulen verbessern und drei Universitäten unter die Top-100 weltweit bringen. Gelingen soll das durch den Aufbau von Exzellenzclustern nach Vorbild der deutschen Exzellenzinitiative: Hervorragende Wissenschafter sollen für die Forschung zu einem gesellschaftlich relevanten Thema an einem Standort zusammengebracht werden. Insgesamt sollen dadurch in einem Wettbewerb der Unis zehn vom Staat finanzierte Exzellenzcluster entstehen, die sich inhaltlich mit fünf angedachten Start-Up-Clustern decken. In einem zweiten Schritt sollen daraus vier per "Exzellenzprämie" geförderte Exzellenz-Unis entstehen, die sich auf bestimmte Themengebiete spezialisieren.

Mehr Effizienz bei Forschungsförderung

Mehr Effizienz ist das Ziel bei der Forschungsförderung. Auf Bundesebene soll es statt derzeit zehn künftig nur noch drei Förderstellen geben, jeweils eine für Grundlagen-, angewandte Forschung und Unternehmensfinanzierung. Die Zahl der mit Forschungsfragen befassten Verwaltungsabteilungen (derzeit 113 beim Bund, 103 bei den Ländern) soll reduziert und die Forschungsagenden von Wissenschafts-, Infrastruktur- und Landwirtschaftsministerium zusammengezogen werden. Das künftige "Forschungsministerium" soll außerdem zentral die thematische Schwerpunktsetzung bei der angewandten Forschung vorgeben.

Die Universitäten sollen wiederum künftig einen geringeren Teil ihrer Budgets über die Basissubvention und stärker über Leistungsvereinbarung und Wettbewerb erhalten. Wie für die Unis soll es auch für die Forschung mehr Geld geben: Kern möchte die direkte Forschungsförderung und die Forschungsprämie erhöhen, bei letzterer soll allerdings künftig strikt überprüft werden, wofür sie verwendet wird. Am langjährigen Ziel der Regierung, die F&E-Ausgaben auf 3,76 Prozent zu steigern, hält Kern fest. Ein Drittel des Zuwachses soll von der öffentlichen Hand kommen, der Rest von Privaten, wobei etwa eine Erhöhung der Forschungsprämie hilfreich sein soll.

Bildung beginnt für den SPÖ-Chef im Kindergarten. Dementsprechend will er, dass schon dort Kinder mit Bauklötzen erste Erfahrungen mit Programmieraufgaben machen. In der Volksschule soll es dann eine "digitale Grundbildung" geben. Im fünften Schuljahr wird den Kindern nach Vorstellung Kerns ein Tablet zur Verfügung gestellt, im neunten dann auch noch ein Laptop.

Einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz soll es nach dem Geschmack des Kanzlers bereits ab dem ersten Lebensjahr geben. In einem ersten Ausbau-Schritt empfiehlt Kern ein zweites Gratis-Kindergartenjahr.

Gratis-Laptops für Schüler und WLAN in allen Klassen

SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky brachte in den 1970er-Jahren das Gratis-Schulbuch für alle, Christian Kern will nun der Pate des Gratis-Laptops werden: Geht es nach seinem "Plan A", soll künftig jedes Kind in der 5. Schulstufe sein persönliches Tablet und in der 9. Schulstufe seinen Laptop erhalten, dazu soll jede Klasse WLAN haben.

Rund 84.000 Schüler der 5. Schulstufe (1. Klasse v.a. Neue Mittelschule und AHS) würden bei Umsetzung von Kerns Plan jedes Jahr mit einem Tablet ausgestattet, weitere rund 86.000 Schüler der 9. Schulstufe (1. Klasse v.a. AHS-Oberstufe und BMHS) bekämen einen Laptop. Diese sollen dann nicht nur im Unterricht, sondern auch für Hausübung und Recherche genutzt werden und gehen in das Eigentum der Schüler über.

Die Kosten für das Angebot, das an allen Schultypen und öffentlichen wie privaten Einrichtungen gelten soll, laut Bildungsministerium: einmalig 100 Mio. Euro sowie weitere 100 Mio. Euro jährlich. Zum Teil würden dadurch im Gegenzug Produktions- und Vertriebskosten von Schulbüchern wegfallen, heißt es in "Plan A". Damit könnte man allerdings nur rund 10 Prozent der Gesamtkosten für Schulbücher einsparen, räumt man im Bildungsministerium auf APA-Nachfrage ein.

Die Einrichtung von WLAN in jeder Klasse würde zusätzlich mit einmalig 100 Mio. Euro zu Buche schlagen. An den Volksschulen soll außerdem das laufende "Mobile-Learning-Projekt" ausgebaut werden, damit die Kinder am schuleigenen Tablet möglichst früh den Umgang mit digitalen Lernmitteln einüben.

"Chancen-Index" für Schulen

Standorte mit vielen Schülern mit besonderem Förderbedarf (Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss, nicht-deutsche Muttersprache) sollen künftig speziell unterstützt werden, und zwar nicht nur mit dem schon bekannten "Chancenindex", über den Brennpunktschulen zusätzliche Mittel erhalten sollen. "Plan A" sieht außerdem Anreize für Lehrer vor, sich an einer Brennpunktschule (laut Unterlage derzeit rund 10 Prozent der Volks- und 22 Prozent der Neuen Mittelschulen) zu engagieren: Mehrjährige Lehrverpflichtungen an solchen Standorten sollen in der weiteren Karriere speziell angerechnet werden, für die Besetzung von Leistungspositionen sollen sie sogar Voraussetzung sein.

Abseits dessen finden sich in "Plan A" im Bildungsbereich noch der Ausbau der Schulautonomie, den die Regierung derzeit vorbereitet, und eine Verbesserung des Unterrichts in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik).

Einige Goodies enthält das Papier für Lehrlinge. Sie sollen den Führerschein und vier Wochen (Auslands-)Sprachaufenthalt gratis erhalten. Fachhochschulen sollen mit dem Ziel gefördert werden, Lehrlinge mit Abschluss aufzunehmen.

ÖH fürchtet um freien Hochschulzugang

Gemischt sind die Reaktionen auf die Pläne für eine generelle Studienplatzfinanzierung samt damit verbundenen Platzbeschränkungen ausgefallen: Während es von Universitätenkonferenz (uniko) und Heinz Engl, Rektor der Uni Wien, in Aussendungen Applaus gab, fürchten der (Verband Sozialistischer Student_innen) und die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) um den freien Hochschulzugang.

Für uniko-Präsident Oliver Vitouch zeugen Kerns Pläne von "Dynamik, Vision und dem Wunsch zu gestalten", sein Bekenntnis zu einer Studienplatzfinanzierung mache Hoffnung auf eine Auflösung der lange währenden Blockaden zwischen SPÖ und ÖVP in der Hochschulpolitik. "Sollte diese (die Studienplatzfinanzierung, Anm.) 2017 tatsächlich umgesetzt werden, dann hätte die Koalition ein Musterbeispiel für sachliche, lösungsorientierte, von Dogmen befreite Regierungsarbeit geliefert."

Uni-Wien-Rektor Heinz Engl betonte in einer Stellungnahme gegenüber der APA, dass die Studienplatzfinanzierung notwendigerweise mit Aufnahmeverfahren einhergehen müsste, die den "vorhandenen und auszuweitenden Kapazitäten Rechnung tragen". In den Natur- und Lebenswissenschaften müssten außerdem Raum- und Laborkapazitäten massiv ausgeweitet und modernisiert werden. "Ermutigend" findet Engl auch Kerns Bekenntnis zur Steigerung der Forschungsquote. Europa müsse hier massive Anstrengungen unternehmen, um den Anschluss an die Weltspitze zu halten.

Gespalten sieht die FPÖ Kerns Ankündigung: Zwar propagiere er mit der Studienplatzfinanzierung "eine alte FPÖ-Forderung", dass dafür allerdings der Studienzugang "per Dekretierung von oben" beschränkt werden solle, ist für Wissenschaftssprecher Andreas Karlsböck "inakzeptabel".

"Die direkte Form der Studienplatzfinanzierung darf nicht zu Zugangsbeschränkungen führen", betonte die stellvertretende ÖH-Vorsitzende Marie Fleischhacker (Grüne und Alternative StudentInnen, GRAS). Die geplante Leistungsselektion bringe keine bessere soziale Durchmischung an den österreichischen Hochschulen. Andere Studentenvertreter befürworten hingegen den "Plan A" für die Universitäten: Für die ÖVP-nahe AktionsGemeinschaft (AG) ist Kern mit seinem Vorstoß für eine generelle Studienplatzfinanzierung "in der Gegenwart angekommen". Auch die JUNOS - Junge Liberale Studierenden lobten Kerns Pläne, vermissen allerdings ein Eintreten für Studiengebühren.

Kritik des VSStÖ

Umgehende Kritik ist ausgerechnet auch aus den eigenen Reihen gekommen: Der VSStÖ ortete in der Forderung nach einer Studienplatzfinanzierung einen "deutlichen Angriff auf den offenen und freien Hochschulzugang". Die SPÖ verabschiede sich damit "de facto vom freien Hochschulzugang", schrieb der VSStÖ in einer Aussendung, die noch während des knapp zweistündigen Auftritts des SPÖ-Chefs veröffentlicht wurde.

Der freie Hochschulzugang stelle eine "Errungenschaft der Kreisky Ära" dar, "von der auch Kern selbst noch als Student profitiert hat und diese nun mit Füßen tritt", so die Kritik. Erfreulich sei indes, dass viele langjährige VSStÖ-Forderungen "endlich in der SPÖ Beachtung finden", etwa ein verstärktes digitales Orientierungsangebot während der Schulzeit und Bestrebungen, den Hochschulzugang für Lehrlinge zu erleichtern.

Mitterlehner erfreut über "Schwenk" bei Studienplatzfinanzierung

Vizekanzler und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hat sich erfreut gezeigt über den "Schwenk" des Koalitionspartners beim Thema Studienplatzfinanzierung. Er geht davon aus, dass es rasch konkrete Gespräche mit der SPÖ dazu geben wird, hieß es gegenüber der APA in einer Reaktion auf die Grundsatzrede von Kern.

"Damit senken wir die Drop-Out-Rate, verkürzen die Studiendauer und erhöhen die Zahl der Abschlüsse", erklärte Mitterlehner. Die Vorteile kenne man bereits aus dem Fachhochschul-System, nämlich bessere Betreuungsrelationen mit realistisch planbarer Studiendauer.

Es sei nun "erfreulich, dass die SPÖ sich endlich auch für die Hochschulen interessiert und bereit ist, über einen realistischen Zugang zum Studium zu sprechen", so der ÖVP-Obmann weiter. Man habe bereits seit langem auf die Vorarbeiten für eine kapazitätsorientierte Studienplatzfinanzierung gedrängt, verwies er auf die "langjährige Linie". Dieser aktuelle "Schwenk" werde daher begrüßt.

Zur ebenfalls von Kern angekündigten Exzellenzinitiative verwies Mitterlehner auf bereits länger bestehende Überlegungen. Im Wissenschaftsministerium arbeite man ohnehin bereits an eigenen Modellen und Initiativen.

Ausgaben im Bereich von 8,5 Milliarden Euro

Was die Finanzierung des Kern-Papiers - in dem zahlreiche Themen von Arbeitsmarkt über Migration bis Mietrecht angesprochen werden - angeht, spricht der Kanzler selbst von Ausgaben im Bereich von 8,5 Milliarden Euro. Über Einsparungen, "gerechte Steuern" und Konjunktureffekte soll aber mit 8,7 Milliarden sogar ein Überschuss erzielt werden.

Gestaltet ist der "Plan A" als offenes Konzept. Das heißt, Rückmeldungen sind erwünscht, Verbesserungsvorschläge willkommen. Dass sich nicht alles sofort und schon gar nicht in einer Koalition umsetzen lassen wird, stellt Kern klar. Von einem Wahlprogramm will der SPÖ-Chef nicht sprechen, aber angesichts der Breite des Papiers ist davon auszugehen, dass man wohl mit dem Papier in einen allfälligen Urnengang 2017 ziehen würde.

(APA/red, Foto: APA/APA (Gindl))

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