Castro tot - Kuba fühlt sich bei Bildung als Amerika-Champion

28. November 2016 - 10:58

Wenn Kuba die Errungenschaften hervorheben will, die seit der Revolution des kürzlich verstorbenen "Maximo Lider" Fidel Castro erzielt wurden, dann geht es zumeist um zwei Bereiche: Bildung und Medizin. Zweifellos kann die karibische Zuckerinsel auf dem Gebiet der Volksbildung und auf dem Gesundheitssektor mit beeindruckenden Zahlen aufwarten. Vielen Staaten Lateinamerikas ist Kuba hier voraus.

Stolz wird auf UNESCO-Studien verwiesen, in denen sich auch die USA geschlagen geben müssen. Angesprochen auf die USA, klingen die Reaktionen kubanischer Fachleute etwa so: Die Amerikaner haben zwar teure Elite-Universitäten, aber wir Kubaner haben ein besser ausgebildetes Volk. Und dies, obwohl sich das 1959 verhängte US-Wirtschaftsembargo fatal ausgewirkt habe. "Es gab keinen Zugang zu Büchern, zu Lehrmaterial aus den USA, keine Abrechnungen in US-Dollar", schildert Paul Torres Fernandez, Vizedirektor des Instituts für Pädagogische Wissenschaft in Havanna. Das Lehrmaterial werde vielfach aus dem fernen China importiert, koste so das Doppelte. "In fünf Tagen ohne bloqueo könnten wir das Material für ganz Kuba kaufen", ist Torres überzeugt.

Kuba scheut den Vergleich mit den USA dennoch nicht, wenn es um Bildungsinhalte geht. In globalen Statistiken finde sich Kuba auf den vorderen Rängen. Wenn es wie in Europa eine Pisa-Studie gäbe, dann wäre "Kuba praktisch das Finnland Amerikas", stellt der Pädagogikprofessor einen plastischen Vergleich an und lacht. Bis zur Aufhebung des Embargos im US-Kongress sei allerdings ein weiter Weg zurückzulegen.

Weit über dem Durchschnitt

1997 sei Kuba erstmals in eine vergleichende UNESCO-Studie über Lateinamerika einbezogen worden, erläutert Torres. Das Ergebnis: Kuba lag weit über dem Durchschnitt des Kontinents. Ähnlich war das Resultat der UNESCO-Untersuchung von 2006. Egal, aus welcher sozialen Schicht die Kinder stammten, sie schnitten besser ab. Dies habe den Experten Martin Carnoy von der Stanford University veranlasst, das kubanische Schulsystem zu studieren und im Buch "Cuba"s Academic Advantage" zu analysieren.

Carnoy habe in der Folge die Leistung der Lehrer in Chile, Brasilien und Kuba untersucht und letztere hoch bewertet, sagt der Vizechef des Instituts, das zum Bildungsministerium gehört, schmunzelnd: "Wir haben eine Geheimwaffe." Die Motivierung der Schüler sei ein Element davon. Die Erfolge sind nach seinen Worten der Revolution zu verdanken, die nach dem Sieg 1959 eine groß angelegte Alphabetisierungskampagne startete. Zugleich wurden die Unterrichtsprogramme auf ländliche Gebiete und auf Erwachsene ausgeweitet. Noch im Jahr 1958 waren ein Sechstel der Kubaner - eine Million - Analphabeten. Torres: "1961 waren bereits 700.000 von ihnen alphabetisiert. Jetzt liegt die Analphabetenrate bei 0,2 Prozent."

Schulunterricht und Universitätsstudium sind in Kuba kostenlos. Selbst während der Krisenperiode 1991-2002 ("periodo especial"), in der Kubas Wirtschaft wegen des Zerfalls der sozialistischen Bruderstaaten und der Verschärfung des US-Embargos auf dem Boden war, "wurde kein Spital, keine Schule geschlossen", so der Professor. "Auf 45 Einwohner kommt ein Lehrer. Zwölf Prozent des BIP wird für Erziehung ausgegeben", beschreibt er die aktuelle Lage. In abgelegenen Gegenden werde in Klassen mit weniger als fünf Schülern unterrichtet. Beim Unterricht für Kinder aus benachteiligten Familien hat sich die katholische Kirche Verdienste erworben. Der Salesianer-Orden veranstaltet IT-Kurse für Jugendliche aus ärmeren Schichten.

Unterrichtsmodell wird exportiert

Unter dem Motto "Y si puedo" wird das kubanische Unterrichtsmodell in befreundete Staaten wie Venezuela, Bolivien und Nicaragua exportiert. Mit 29 Staaten bestehe eine Kooperation, über 2.000 kubanische Lehrer sind laut Torres im Auslandseinsatz. Sogar Spanien habe sich für das kubanische Schulmodell interessiert, meint der Staatspädagoge.

Gratis ist auch die medizinische Versorgung. Selbst Kubaner, die sich 23 Monate im Ausland aufhalten (praktisch dort leben), behalten diesen Anspruch. Rund 400.000 Mediziner gibt es in Kuba. Sie verdienen 40 bis 50 Euro. Zum Vergleich: Das Durchschnittseinkommen eines Kubaners beträgt rund 20 Euro. Kuba hat sich nach der Revolution die medizinische Entwicklungshilfe auf die Fahnen geschrieben. Das gilt heute noch. Rund 30.000 Ärzte sind in Venezuela tätig, 10.000 in Brasilien. Freilich: Ein Teil der Gehälter wird von den befreundeten Staaten an den kubanischen Staat abgeführt. Ärzte, die auf Auslandseinsätze zurückblicken, sind in den USA gefragt. Laut Diplomaten kommen sie rasch zu Papieren, wenn sie abspringen.

Kuba hat gewaltige Arbeitsmarktprobleme. Der Staatsapparat ist aufgeblasen, viele Akademiker finden keine adäquaten Jobs. Von 5 Millionen Staatsangestellten will Kuba 1,7 Prozent entlassen und auf dem wachsenden privaten Markt unterbringen. Das bringt neue Probleme mit sich. Der Privatsektor beschäftigt schätzungsweise eine Million Menschen, wächst aber nicht schnell genug, um Massen von Ex-Staatsdienern zu absorbieren. Universitätsabsolventen arbeiten in allmöglichen Berufen, nur nicht in ihrem. Im Restaurant bedient dann ein Kellner, der eigentlich Biologe ist, auf dem Markt verkauft ein Ingenieur Souvenirs, das Taxi chauffierte ein Chirurg. Das gehört in Havanna zum Alltag.

(APA/red, Bild APA)

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