Bildungsreform: Klassische Kompromisslösung

18. November 2015 - 10:36

Die rund zwölfstündigen Marathonverhandlungen zur Bildungsreform haben am Dienstag in den frühen Morgenstunden einen klassischen Kompromiss gebracht. Für die umstrittene Schulverwaltung wurde eine Konstruktion mit einer den derzeitigen Landesschulräten ähnelnden "Bund-Länderbehörde" gefunden. Gesamtschul-Modellregionen soll es geben - aber nicht allzu große.

Umstritten bis zuletzt war die Frage der Schulverwaltung: Künftig sollen Bildungsdirektionen als "Bund-Länderbehörden" die Aufgaben der Landesschulräte (Bundesbehörden) und Schulabteilungen der Landesregierung (Länderbehörden) übernehmen. An der Spitze steht ein Direktor, der auf Vorschlag der jeweiligen Landeshauptleute vom Bildungsminister, der auch "oberste Schulbehörde" ist, auf fünf Jahre befristet bestellt wird. Die neue Behörde verwaltet sowohl Bundes- als auch Landeslehrer, das Bundesverwaltungspersonal sowie die Schulaufsicht. Die bisherigen amtsführenden Präsidenten, Vizepräsidenten und Kollegien der Landesschulräte werden abgeschafft, was Einsparungen von sechs Mio. Euro bringen soll. Im Wesentlichen wird damit jene Lösung realisiert, die derzeit durch freiwillige Abtretung der Lehrerverwaltung in Wien, Nieder- und Oberösterreich, Burgenland und der Steiermark schon existiert - nur mit einem Bildungsdirektor statt eines Landesschulratspräsidenten.

Konfliktpunkt Modellregionen

Deutlich mehr künftiges Konfliktpotenzial bieten die Modellregionen zur gemeinsamen Schule. Diese können in jedem Bundesland eingerichtet werden, dürfen dort aber nicht 15 Prozent aller Standorte der jeweiligen Schulart bzw. 15 Prozent aller Schüler der jeweiligen Schulart überschreiten (wobei bestehende Standorte nicht einzurechnen sind). So muss etwa die überwiegende Mehrheit der AHS-Unterstufen in einem Bundesland erhalten bleiben. Umgekehrt müssen jene (öffentlichen) Schulen, die in eine Modellregion fallen, einer Teilnahme an dieser formal nicht zustimmen - was etwa die AHS-Lehrergewerkschaft umgehend als "Schuldiktatur a la Nordkorea" klassifizierte. Privatschulen müssen dagegen ohne Zustimmung nicht an einer Modellregion teilnehmen.

Praktisch unumstritten sind die Maßnahmen im Bereich der Schulautonomie: Lehrer sollen mehr Freiheiten beim Unterrichten erhalten. Lehrplanabweichungen sind in der Volksschule zu fünf Prozent möglich, in der AHS-Oberstufe und den BMHS zu rund 20 Prozent und in den Neuen Mittelschulen bzw. AHS-Unterstufen bis zu 33 Prozent. Zum Vergleich: Derzeit beträgt dieser "Autonomiegrad" laut nationalem Bildungsbericht je nach Schule zwischen fünf und zehn Prozent. Jede Schule kann in Abstimmung mit den Schulpartnern selbst ihre Öffnungszeiten sowie Unterrichtsbeginn und Ende festlegen. Das war mit ein paar Einschränkungen schon bisher möglich.

Aufgewertet wird die Rolle der künftig auf fünf Jahre befristet bestellten Direktoren: Sie können entscheiden, welche neuen Lehrer an ihrer Schule eingestellt werden bzw. welche Pädagogen nicht weiter verlängert werden. Einschränkung: Auswählen müssen sie die Lehrer aus einem Pool an Junglehrern bzw. Lehrern mit befristeten Verträgen. Und sie stehen größeren Einheiten vor: Als Richtgröße für autonome Schul- bzw. Verwaltungseinheiten wird je nach Schulart eine Schülerzahl zwischen 200 und 2.500 vorgegeben.

Die Schulen können außerdem darüber entscheiden, ob sie bis zu fünf Prozent der Lehrerstellen lieber für Psychologen, Sozialarbeiter, IT-Experten etc. aufwenden wollen. Außerdem dürfen sie das Globalbudget für den Sachaufwand selbst verwalten.

Weitere Eckpunkte: Es wird ein zweites "verpflichtendes" Kindergartenjahr eingeführt, allerdings mit einer Opt-Out-Möglichkeit für Kinder ohne Förderbedarf. Dafür wird für alle Kinder ab 3,5 Jahren ein "individueller Bildungskompass" mit verpflichtenden Sprach- und Entwicklungsscreenings eingeführt. Außerdem soll jede Schule bis 2020 mit High-Speed-Internet und W-LAN ausgestattet werden.

Mit der Einigung können offenbar sowohl Regierungs- als auch Ländervertreter größtenteils leben. Während Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) gar von einer "neuen Zeit" sprach, wäre der eine oder andere Ländervertreter in Sachen gemeinsamer Schule lieber weitergegangen: Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) hätte sich etwa größere Modellregionen gewünscht, das gilt auch für die Vorarlberger Bildungslandesrätin Bernadette Mennel (ÖVP). Durchgängige Kritik kam von den Oppositionsparteien, die sich vor allem an "lauwarmen" (NEOS) bzw. "typisch österreichischen" Kompromissen (Team Stronach) und "Alibiaktionen" (FPÖ) in der Verwaltung sowie Restriktionen bei den Modellregionen (Grüne) stießen.

(APA/red, Bild APA/Fohringer)

 

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